Köln – Rosenmontag ist nicht mal eine Woche her, als in Köln erstmals ein Corona-Test positiv ausfällt. Die Jecken sind abgeschminkt, aber die bunten Großfiguren stehen noch in den Straßen. Über die A46 sind es nur 80 Kilometer bis nach Heinsberg. Zu den Gästen der inzwischen legendären Kappensitzung in Gangelt gehört auch eine Frau (28) aus Köln. Im epidemiologischen Fachjargon wird sie inzwischen als „Patientin Null“ für die Stadt Köln bezeichnet.
Einige Tage später klagt die Frau über Husten und leichtes Fieber. Auf der Isolierstation des St. Vinzenz-Hospital in Nippes wird ihr am 28. Februar das Ergebnis ihres Corona-Tests mitgeteilt: positiv. „Es war der Freitag nach Karneval und abends um 21 Uhr klingelte in meinem Büro das Telefon“, erinnert sich der Leiter des Gesundheitsamtes, Dr. Johannes Nießen, ein Jahr später. „Man sagte mir, dass sie eine positiv getestete Patientin haben. Da war mir klar, dass es losgeht.“
In den kommenden elf Tagen verändert sich das Leben im Land und in der Stadt elementar. „Masken gehören in medizinische Hände“, lässt sich Oberbürgermeisterin Henriette Reker damals vielfach zitieren – von einer Maskenpflicht in Supermärkten und an öffentlichen Orten ist Deutschland da aber auch nur noch einige Wochen entfernt. Aus Angst vor dem Virus sind die Regale mit Desinfektionsmitteln in Apotheken und Drogeriemärkten leer gefegt. Auch Köln hamstert.
Als der erste Corona-Fall in Köln amtlich wird, befindet sich Henriette Reker gerade zu Gesprächen in Berlin. Ihr Sprecher Alexander Vogel vereinbart spontan ein Treffen bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. „Auf was müssen wir uns vorbereiten? Das war die zentrale Frage“, so Reker. In den kommenden Tagen veröffentlicht das Gesundheitsamt der Stadt jeden neuen Infektionsfall mit Altersangabe. Noch ist die Lage übersichtlich.
Corona bei der Feuerwehr
Am 1. März erwischt das Virus die Berufsfeuerwehr. Zwei Feuerwehrmänner aus der Wache in Weidenpesch hatten ebenfalls in Heinsberg Karneval gefeiert. Nun müssen 21 ihrer Kolleginnen und Kollegen vorsorglich in Quarantäne geschickt werden.
In der Anfangsphase der Pandemie teilt die Stadt das Alter jedes Infizierten mit. Noch ist die Lage übersichtlich. Auch für die Experten. „Uns war der Umfang der Pandemie nicht bewusst. Es war nicht absehbar, welche Eigenschaften das Virus hat, wie die Krankheitsverläufe sind. Anfangs hieß es, das sei vergleichbar mit einer milden Grippe“, erinnert sich Feuerwehrchef Dr. Christian Miller an die ersten Tage mit Covid-19 in Köln.
Infektionsschutzzentrum aufgebaut
Wenige Tage später wird auf dem Gelände der Uniklinik ein Infektionsschutzzentrum aufgebaut. Als die Entscheidung steht, dauert es keine 24 Stunden, bis der große Zeltbau steht. „Dies haben wir als Stadt gemeinsam mit der Uniklinik und der Kassenärztlichen Vereinigung geschafft. Auch in der Stadtverwaltung konnte man diesen Zusammenhalt spüren“, erinnert sich die Oberbürgermeisterin.
Und sie weiß noch heute, dass plötzlich auch für Feuerwehr und Rettungsdienst kaum noch Masken zu bekommen waren. „Die Feuerwehr musste auf einmal auf dem Weltmarkt nach Masken, Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel suchen und beschaffen“, so Reker. Die Konkurrenz ist groß. Mitte März werden aus einem Depot in Mülheim 50 000 Masken gestohlen, die für die Uniklinik bestimmt sind.
Feuerwehr hilft bei Tests in Seniorenheimen
Im März und April versucht die Stadt, einen Überblick über das Infektionsgeschehen zu erlangen. In allen Senioren- und Pflegeheimen werden insgesamt rund 10 000 Corona-Tests durchgeführt. „Sonst hätten wir keinen Überblick über das Infektionsgeschehen erhalten“, resümiert Miller.
Schon am 10. März verbietet das Land Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern. Einen Tag später absolviert der 1. FC Köln in Mönchengladbach bundesweit das erste Spiel im leeren Stadion. Kitas, Schulen und Restaurants werden eine Woche später geschlossen. Dabei hatte „Patientin Null“ aus Köln fast vieles richtig gemacht. Als die 28-Jährige bei sich selbst Symptome bemerkte, habe sie ihren Hausarzt kontaktiert und jeden Kontakt zu anderen Menschen vermieden. „Vorbildlich“, resümiert Gesundheitsamtsleiter Dr. Johannes Nießen.