- Die einen sprechen davon, Köln zu einem führenden Medizinstandort in Europa zu machen.
- Die anderen warnen vor einem Ausverkauf der städtischen Kliniken.
- Beim Thema Klinikverbund scheiden sich im Stadtrat die Geister.
Köln – CDU, Grüne und FDP gaben vor vier Wochen grünes Licht für konkrete Verhandlungen mit der Uniklinik und dem Land. SPD und Linke versuchten vergeblich, das Verfahren zu stoppen. Wie geht es nun weiter?
Warum gibt es das Projekt überhaupt?
Vereinfacht gesagt: Die Uniklinik will wachsen, ihre Forschung ausbauen, sich einen Platz in der internationalen Spitzenmedizin sichern. Dafür braucht sie mehr Patienten, in Lindenthal ist aber kein Platz mehr. Deshalb hat sie Ende 2017 ein Angebot zur Übernahme der Kliniken Köln gemacht. Die sind hochdefizitär, bieten aber in vielen Bereichen exzellente medizinische Versorgung und verfügen über große Grundstücke, auf denen neue Klinikgebäude errichtet werden könnten.
Wie soll der Klinikverbund organisiert werden?
Die Uniklinik ist als Einrichtung des Landes NRW eine gemeinnützige Anstalt öffentlichen Rechts (gAöR). Die städtischen Kliniken Köln sind eine gemeinnützige GmbH (gGmbH). Beides sind öffentliche Träger. Sie sollen unter dem Dach einer gemeinnützigen öffentlichen Stiftung vereint werden. Arbeitstitel: „Universitärer Gesundheitscluster Köln“. Die Verantwortung für das operative Geschäft aller Kliniken soll künftig bei der Uniklinik liegen.
Was bedeutet das für die städtischen Kliniken?
Die bisherige gGmbH würde in zwei Gesellschaften aufgespalten. Der Grundbesitz in Merheim, Holweide und Amsterdamer Straße verbleibt im Eigentum der Stadt Köln. Sie könnte medizinisch nicht benötigte Flächen künftig anderweitig verwerten. Der Klinik-Betrieb und die 4360 Mitarbeiter sollen in eine neue Betriebsgesellschaft übergehen.
Wann soll der Klinikverbund starten?
Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat erklärt, sie sei „zuversichtlich, dass wir die Verhandlungen zügig zu einem guten Ergebnis führen werden“. Sofern der Rat zustimme, könnte der Verbund „zum 1. Januar 2021 an den Start gehen“, so Reker.
Ist dieser Zeitplan – knapp 13 Monate – realistisch?
Er ist zumindest sehr ambitioniert. Uniklinik und städtische Kliniken müssen erst ein konkretes Medizin- und Betriebskonzept ausarbeiten und mit dem Land NRW abstimmen. Es gilt, einen klaren vertraglichen und gesetzlichen Rahmen zu definieren. Bevor eine Kölner Klinikstiftung gegründet wird, muss der Stadtrat zustimmen. Die letzte Ratssitzung vor der Sommerpause ist bereits am 18. Juni 2020, die erste danach am 10. September – drei Tage vor der Kommunal- und OB-Wahl.
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Nach einem positiven Ratsvotum muss zur Gründung einer Klinikstiftung ein eigenes Landesgesetz beschlossen werden. Solche Gesetzgebungsverfahren sind im günstigsten Fall binnen zwei, drei Monaten zu schaffen, dauern aber in aller Regel deutlich länger. Zumal bei einem so komplexen Thema und angesichts möglicher Auswirkungen für andere Kommunen Expertenanhörungen zu erwarten sind, die das Verfahren verzögern. Außerdem muss voraussichtlich noch die Zustimmung des Bundeskartellamts eingeholt werden.
Wie weit sind die Verhandlungen bisher gediehen?
Das NRW-Gesundheitsministerium und das Wissenschaftsministerium erklärten auf Anfrage, es habe „verschiedene Gespräche zwischen den Beteiligten“ gegeben. Den Ministerien sei bisher aber „kein ganzheitliches umfassendes Konzept hinsichtlich Krankenversorgung sowie Forschung und Lehre vorgelegt“ worden. Erst wenn dieses vorliege, könne „die Tragfähigkeit einer möglichen Zusammenarbeit beurteilt werden“.
Gleiches gelte für die Frage, ob die Kliniken Köln im Verbund den Status einer Uniklinik und damit Zugang zu mehr Fördergeld erhalten könnten. In einer Antwort der Stadtverwaltung auf Fragen der Linken-Fraktion nach der konkreten Ausgestaltung des Verbunds heißt es immer wieder, dies werde „Gegenstand weiterer Gespräche“ sein.
Welche Abteilungen sollen zusammengelegt werden?
Unklar. Die Ministerien erklärten: „Aus den bisher bekannten Unterlagen ist noch nicht ersichtlich, inwieweit Verlagerungen, Zusammenführungen und/oder Schließungen von einzelnen Fachabteilungen oder ganzen Standorten geplant sind.“ Das eigenständige Sanierungskonzept der Kliniken Köln sieht vor, aus 27 Fachabteilungen 14 Zentren zu bilden und die Abteilungen der Klinik Holweide nach Merheim zu verlagern – ein Prozess, der acht Jahre oder länger dauern wird. Für den Klinikverbund wurden bisher nur erste Einspar-Potenziale aufgezeigt, darunter 5,4 Millionen Euro pro Jahr durch Zusammenarbeit etwa im Bereich Arzneimittelversorgung, Radiologie, Pathologie und Medizintechnik.
Wie sähe der Austausch untereinander aus?
Im Konzeptpapier der Anwaltskanzlei Luther, die die Stadt bei den Verhandlungen vertritt, ist von zusätzlichen Erlösen für beide Partner die Rede. Zum Beispiel könne die Uniklinik der städtischen Klinik Merheim weniger komplexe Herz-Operationen mit einem Erlöspotenzial von von 7,1 Millionen Euro pro Jahr zuweisen sowie Lungen-OPs im Volumen von 4,2 Millionen Euro. Weitere Synergien sollen in den Bereichen Onkologie, Brustzentrum, Transplantationsmedizin, IT-Struktur und gemeinsames Ausbildungszentrum gehoben werden.
Was sind die größten Knackpunkte?
Vor allem finanzielle Fragen. 2018 haben die Kliniken Köln 44,5 Millionen Euro Defizit verbucht, bis 2021 sind rund 100 Millionen Finanzhilfen nötig. Die Stadt will, dass ab Gründung des Verbunds die Uniklinik allein die wirtschaftliche Verantwortung übernimmt – und die Stadt nur einen festen Sanierungsbeitrag für die Altlasten leistet.