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Nach dem 11.11. in KölnNeues Konzept für die Zülpicher Straße gefordert

Lesezeit 4 Minuten

Elfer im Elften: Auf der Zülpicher Straße knubbelten sich die Feiernden

Köln – Sowohl Politiker als auch Gastronomen im Univiertel rund um die Zülpicher Straße drängen auf ein neues Konzept für den Straßenkarneval. Den zum Sessionsgebinn am Donnerstag erprobten Versuch, beschallte Feierzonen auf der Uniwiese einzurichten, halten sie für gescheitert. „Schon die in den vergangenen Jahren aufgebaute Bühne hatte sich als Magnet und zu große Attraktion erwiesen. Diesen Ansatz sollte die Stadt nicht weiter verfolgen“, kritisiert Andreas Hupke (Grüne), Bezirksbürgermeister der Innenstadt.

Von einer „Demonstration der Jugend“ spricht Hupke angesichts der Massen junger Menschen, die im Univiertel gefeiert haben. Und er mahnt: „Die linksrheinische Innenstadt kann solche Dimensionen nicht packen“. Die Gastronomen ächzen unter dieser Entwicklung. „Seitdem 2018 erstmals eine Bühne an der Unimensa aufgebaut worden ist, haben wir einen massiven Publikumsaustausch erlebt. Eine Szene, die Straßenkarneval feiern will, hat diejenigen verdrängt, die für den Kneipenkarneval gekommen waren“, klagt Markus Vogt von der IG Kwartier Latäng.

Landeweite Kritik am engen Gedränge in Corona-Zeiten

Die Bilder vom dichten Gedränge auf der Zülpicher Straße waren angesichts des hohen Corona-Infektionsgeschehens in den sozialen Netzwerken landesweit kommentiert und kritisiert worden. Anlass zur Kritik boten auch die 2G-Kontrollen an den Zugängen zur abgeriegelten Feierzone, das Sicherheitspersonal soll vor allem in den Abendstunden größtenteils überfordert gewesen sein und auf Ausweiskontrollen zum Impfnachweis verzichtet haben. Polizisten, die rund um die Zülpicher Straße stundenlang im Einsatz waren, berichteten bereits am Donnerstag von fehlenden Kontrollen an manchen Einlassstellen. „Besonders in der Zeit von 20 bis 21 Uhr sind größere Gruppen unkontrolliert in den Bereich der Feiermeile gelangt“, schilderte ein Beamter.

Die mit Musik beschallten Feierzonen auf der Uniwiese sorgen für Kritik.

Stadt spricht von Einzelfällen

Dagegen spricht die Stadt in einer ersten Bilanz von „funktionierenden Kontrollen“ und allenfalls „Einzelfällen“, in denen Personen unkontrolliert in den Bereich vorgedrungen seien. „Nach einer ersten Einschätzung sind unsere Konzepte für den 11.11. weitgehend aufgegangen. Wir werden am kommenden Montag im Rahmen einer Sondersitzung des Krisenstabes gemeinsam mit der Polizei und weiteren Akteuren analysieren“, sagte Stadtdirektorin Andrea Blome. Ein generelles Feierverbot für den Elften im Elfte wäre laut Blome „unverhältnismäßig“ gewesen. Ähnlich sieht das auch die Oberbürgermeisterin: „Wenn wir auch Geimpften und Genesenen das Feiern verbieten würden, hätte das negative Auswirkungen auf die Akzeptanz der Impfkampagne. Als Stadt ist es unsere Aufgabe, die Rahmenbedingungen zu setzen“, erklärte Henriette Reker am Freitag.

Die Bilanz

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Wildpinkler hat das Ordnungsamt der Stadt im Zülpicher Viertel verwarnt. In der Altstadt ging es gesitteter zu, hier waren die Schlangen vor den Toiletten nicht ganz so lang, 15 Wildpinkler mussten Strafe zahlen.

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Verstöße gegen die Corona-Schutzverordnung hat die Stadt im Univiertel registriert. Insgesamt seien 24 Gaststätten kontrolliert worden, neun Betriebe erwartet ein Ordnungswidrigkeiten-Verfahrenwegen fehlender Hygienemaßnahmen. In Kölner Straßenbahnen wurden zehn Verstöße geahndet, weil Fahrgäste ohne Mund-Nasenschutz unterwegs waren. In der Altstadt trafen die Kontrolleure in einer Gaststätte auf zwei Personen ohne Impfnachweis.

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Personen feierten in einer Dachgeschosswohnung in der Dasselstraße den Beginn der Karnevalssession. Als die Ordnungskräfte um 22.25 Uhr aufgrund von Beschwerden klingelten, seien sie mit Flaschen beworfen worden. Beamte der Bereitschaftspolizei kümmerten sich anschließend um die Räumung der Wohnung. Den Ausrichtern der Feier droht ein Verfahren.

Die Rettungsdienste haben im Zülpicher Viertel insgesamt 187 Mal Hilfe geleistet, in der Altstadt kamen 103 Fälle hinzu – seltener als vor der Pandemie. (tho)

Am Elften im Elften hat sich erneut bestätigt, dass allein die Zülpicher Straße das Ziel der Feiernden ist. „Auf der Kyffhäuser Straße hätte man Rollschuh laufen können“, hat Hupke beobachtet, der im Viertel wohnt und sich bei einem Rundgang ein Bild der Lage verschafft hatte. Das sehen auch die Wirte als Problem, die Betreiber der Kneipen am Rand der Feierzone hätten kaum die Personalkosten reingeholt, berichtet Markus Vogt von der Interessengemeinschaft. Die Zeiten, in denen der Elfte im Elften zu den umsatzstärksten Tagen des Jahres gehörte, seien vorbei. Er schlägt vor, eine innere Sperrzone rund um die Zülpicher Straße früher zu schließen und die Besucher auch in die Nebenstraßen zu lotsen. Und: Auf der Uniwiese dürfe keinerlei Programm mehr stattfinden. Es seien bereits Planungsgruppen eingerichtet worden, um für Weiberfastnacht und den folgenden Straßenkarneval ein neues Konzept präsentieren zu können.

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Dass sich der Feiertrend nicht von jetzt auf gleich umkehren lasse, wissen auch die Wirte. „Es wird ein paar Jahre dauern, bis die Szene das versteht“, vermutet Vogt. Die Abwanderung des Kneipenpublikums beobachten Anwohner und Gastronomen seit geraumer Zeit auch an den Wochenenden. Für Diskussionen über die Entwicklung des Zülpicher Viertels hatte im Sommer spätestens eine tödliche Messerattacke gesorgt, bei der ein 18-Jähriger ums Leben gekommen war.