Kölner meldet täglich VerstößeWie ein Rentner gegen Verkehrssünder kämpft
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Bocklemünd – Dem Klischee des verbiesterten Rechthabers, der Verkehrssünder anprangert, entspricht Helmut Wimmer nicht. Sein Eintreten gegen verkehrswidriges Verhalten hat eher etwas Verspieltes. Fast wirkt er wie ein netter Fahrradpolizist: Beim Ortstermin in Bocklemünd trägt er einen quietschgelben Helm und eine knallrote Jacke mit Köln-Wappen. Er fährt ein Trekkingrad und hat ein gewinnendes Lachen. Wimmer möchte die Welt ein bisschen besser machen, sein Element ist die Straße, sie ist für alle da, es gilt Rücksicht zu nehmen, dafür gibt es Regeln, die eingehalten werden sollten – das ist sein Credo.
Falschparker in Köln-Bocklemünd
Und so ärgert er sich derzeit über einen Anhänger, der an der Andreas-Muhr-Straße falsch geparkt auf dem Gehweg steht. Wie zum Hohn erhebt sich daneben ein blaues Fußgängerschild, für Radler ist der Weg freigegeben. Gerade die sind hier zahlreich unterwegs, es geht hier zum Landschaftspark Belvedere. Die Strecke radelt auch Wimmer, aus Auweiler kommend, häufig. So fiel ihm der Anhänger auf. „Der steht hier seit Wochen.“ Er schoss ein Foto, schickte es ans Ordnungsamt, samt Standortbeschreibung, das ging ganz fix über die App „Sag’s uns“. Die ist ein Angebot der Stadtverwaltung und gibt Bürgern die Möglichkeit, Missstände im öffentlichen Raum zu melden, nur zwei, drei Klicks sind nötig. Anfang des Jahres habe er die Möglichkeit entdeckt, seitdem nutze er die App ständig, erzählt er. Zunächst habe das Ordnungsamt auch reagiert, ein Mitarbeiter habe sogar zurückgerufen, es sei ein nettes Gespräch gewesen. Doch mittlerweile sei die Resonanz eher mau. Die App ist mit einem Ampelsystem ausgestattet, grün bedeutet, dass der Vorgang erfolgreich bearbeitet ist.
Die Erledigt-Meldung erhielt Wimmer auch zu dem Anhänger. Obwohl der keinen Zentimeter bewegt wurde. Die Stadt habe ihm mitgeteilt, der Zustand werde „geduldet“, es gebe „genug Restbreite für Fußgänger“, daher habe man keine Handhabe, ihn abschleppen zu lassen, das könne sonst als Diebstahl gewertet werden. Der Anhänger behindert nicht den Verkehrsfluss, ist nicht Rettungswagen im Weg, blockiert keine Straßenarbeiten. Von Fußgängern und Radlern erwarte die Verwaltung, dass sie sich arrangieren. Diese Einstellung ärgere ihn, sagt Wimmer. Die Probleme von Eltern mit Kinderwagen und älteren Menschen im Kölner Straßenverkehr kennt der sportlich fitte 66-Jährige aus eigener Anschauung, seine Mutter sitzt im Rollstuhl, seine Tochter hat Zwillinge im Kleinkindalter.
Die Meldeplattform „Sag’s uns“ samt gleichnamiger App gibt es seit 2015. Derzeit gehen täglich etwa 65 Meldungen ein. Die Abteilung Beschwerde-Management/Bürgerdienste leitet sie an die zuständigen Stellen weiter. Es stehen 14 Kategorien zur Verfügung, darunter Wilder Müll, Spielplätze, Ampelanlagen, Graffiti, defekte Parkscheinautomaten, Straßenschäden und Schrottfahrzeuge – bei dieser sind aktuell über 23000 Einträge verzeichnet. Der Stadt zufolge haben sich die Ämter verpflichtet, innerhalb von zwei Arbeitstagen auf eine Mängelmeldung zu reagieren. Doch bedeute das nicht, dass der Mangel dann auch beseitigt ist, das könne durchaus dauern. „Aber keine Meldung wird vergessen“, betont die Verwaltung. Vorschläge für weitere Kategorien können per E-Mail an die Verwaltung eingereicht werden. Die App ist verfügbar über „Stadt Köln – Die offizielle App“ im App-Store (für iOS) und im Google Play-Store (für Android). sags-uns.stadt-koeln.destadtverwaltung@stadt-koeln.de
Für Anhänger gelte Paragraf 12 der Straßenverkehrsordnung, der besage, dass sie nur maximal 14 Tage im öffentlichen Raum geparkt werden dürfen. Viele Halter ignorierten die Vorschrift, spekulierten darauf, dass Strafzettel auf die Dauer billiger seien als ein Stellplatz. „In Lövenich im Gewerbegebiet kenne ich mindestens zehn Anhänger, die seit Monaten rumstehen, einer sogar mit Schiff auf dem Dach.“ Seine genaue Kenntnis der Gesetzeslage kommt nicht von ungefähr: „Ich interessiere mich für alles, was mit Straßenverkehr zu tun hat.“ Zudem arbeitete er, bevor er in Ruhestand ging, als Bauleiter und war zuständig für behördliche Genehmigungen zum Aufstellen von Baukränen.
Zweites Beispiel in Bocklemünd: Ein waldgrüner Ford, der in der Sintherer Straße so nah am Gartenzaun abgestellt ist, dass sich nur ein einzelner Passant vorbeidrücken kann. Ein Rollstuhlfahrer käme unmöglich durch. Seit Oktober 2020 stehe das Auto wie festgetackert, so Wimmer. Immerhin steckt jetzt ein Knöllchen an der Windschutzscheibe – nach seiner Beobachtung seit einer Woche. „Die Straßenverkehrsordnung schreibt vor, dass ein Fahrzeughalter alle 72 Stunden nachgucken muss, ob mit seinem Fahrzeug alles in Ordnung ist“, führt er aus. „Es macht mir Spaß, solche Verstöße zu dokumentieren, das ist fast ein neues Hobby, die App hat mich dazu gebracht, die ist ja auch eine Aufforderung an die Bürger zu handeln.“
Ordnungsamt ignoriert ihn inzwischen
Umso größer ist die Enttäuschung, keinen Erfolg zu sehen. Er frage sich, ob er beim Ordnungsamt schon als Querulant abgestempelt sei, weil er die App exzessiv nutzt. „Ich bin kein Kind von Traurigkeit, fahre selbst Auto, mache auch Fehler“, betont er. Auf Anfrage teilte die Stadt mit, dass bei „Sag’s uns“ keine Nutzerprofile erstellt würden, niemand müsse befürchten, bei übermäßig vielen Meldungen in einen bestimmten Ruf zu geraten. Wegen der Pandemie komme das Ordnungsamt aber mit der Bearbeitung der Hinweise nicht hinterher.Welche Lösung würde sich Wimmer für den oft zugeparkten Gehsteig an der Andreas-Muhr-Straße wünschen? „Optimal wäre, wenn man auch auf der rechten Seite weiße Markierungen anbringt und richtige Parkplätze daraus macht, mit genügend Raum für Fußgänger und Radler“, schlägt er vor.