Für seine Recherchen habe er Chorweiler zigmal besucht und „den Stadtteil auf seine rauh-charmante Art liebgewonnen“, erzählt Autor Bernd Imgrund.
„1211 Wohnungen“Buch erzählt die Geschichte der Hochhaussiedlung Chorweiler
Mit dem Buch „111 Orte, die man in Köln gesehen haben muss“ sorgte Rundschau-Autor Bernd Imgrund vor 15 Jahren für Furore. Sein neuestes Werk heißt „1211 Wohnungen. Wie Chorweiler vor den Heuschrecken gerettet wurde“. Es erzählt die wechselhafte Geschichte der Hochhaussiedlung im Kölner Norden. In den 70ern als „Neue Stadt“ errichtet, geriet sie in den 90ern in die Hände privater Investoren, die sie dem Verfall preisgaben.
2014 gelang in einem beispiellosen Kraftakt der Kauf von 1211 unter Zwangsverwaltung stehenden Wohnungen durch die größtenteils städtische Wohnungsgesellschaft GAG, die nun bis 2028 alle Wohnungen saniert. Eine Erfolgsgeschichte also und ein Lehrstück, auch für andere Kommunen.
Zur Buchvorstellung im Greven Verlag reiste eigens Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) an. „Wohnen ist heute wieder die große soziale Frage“, betonte sie. Das sei in den Nullerjahren, als kaum noch gebaut wurde, anders gewesen. Jetzt müsse die Politik dringend wieder Sozialwohnungen fördern, deshalb stelle der Bund ja auch 18 Milliarden Euro bereit.
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Chorweiler: Hochhauswohnungen waren seinerzeit sehr modern
Ihr Kommentar zum Buch? „Ich hab's gern gelesen. Geht auch schnell und ist sehr spannend erzählt.“ Geywitz erinnerte daran, dass die Hochhauswohnungen seinerzeit „sehr modern“ waren. Es gab Zentralheizung und Warmwasser, während viele Altbauten im Stadtzentrum noch mit Kohleöfen beheizt wurden.
Doch nach dem Skandal um die „Neue Heimat“ (NH), die Chorweiler gebaut hatte, geht es bergab. 1998 kauft Marietta Bergstedt aus Syke bei Bremen 1211 ehemalige NH-Wohnungen, 2005 ist sie pleite, die Siedlung verfällt immer mehr. Von da an dauert es ganze 17 Jahre, bis der Verkauf an die GAG unter Dach und Fach und die letzte gerichtliche Auseinandersetzung zum Thema beendet ist.
Diese Entwicklung zeichnet Imgrund, dessen Interview-Reihe „Imgrund im Gespräch“ seit mehr als 15 Jahren in der Rundschau erscheint, minutiös und präzise nach. Dabei lässt er nicht nur Protagonisten wie den damaligen GAG-Aufsichtsratsvorsitzenden und heutigen Chef der SPD-Landtagsfraktion, Jochen Ott, zu Wort kommen. Sondern zum Beispiel auch die Bewohnerin Maria Moldovanov, die seit 1976 in einem der Hochhäuser wohnt und betont: „Ich hatte nie Angst in Chorweiler. Ich fühle mich wohl hier und kenne viele Leute.“
Chorweiler schon längst kein krimineller Hotspot mehr
Für seine Recherchen habe er Chorweiler zigmal besucht und „den Stadtteil auf seine rauh-charmante Art liebgewonnen“, berichtet Imgrund. Chorweiler habe mit seiner bunten Mischung aus vielen Nationen viel zu bieten und sei längst kein krimineller Hotspot mehr — das habe die Polizei schon 2017 offiziell festgestellt.
Und warum hat er sich überhaupt mit dem Thema beschäftigt? Als Grundschüler habe er in Meschenich gewohnt und erlebt, wie der Bau des Kölnbergs das Dorf radikal veränderte, so Imgrund. Dort sind die Nachwirkungen bis heute zu spüren, während man über Chorweiler eines Tages vielleicht sagen könne: „Chorweiler ist schön.“
Bernd Imgrund. 1211 Wohnungen. Wie Chorweiler vor den Heuschrecken gerettet wurde. Greven Verlag Köln, 96 Seiten, 16 Euro.