Sieht so der Gegenentwurf zur unruhig flackernden Berliner Ampel aus? Schwarz-Grün in Nordrhein-Westfalen steht nach einem Jahr Regierungsarbeit ziemlich stabil da.
Kommentar zum NRW-CheckRegierungschef Wüst reitet auf der Harmonie-Welle
Differenzen haben CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst und seine grüne Vize Mona Neubaur im Griff. Selbst die Zerreißprobe um das Braunkohle-Dorf Lützerath hat die Koalition einigermaßen unbeschadet überstanden. Offenbar hält das Bündnis auch deshalb, weil es halten will.
Auf dieser Welle der Harmonie reitet vor allem Regierungschef Wüst nach vorne. Beim aktuellen NRW-Check streicht er beste Noten ein und setzt sich bei der Frage nach einem Kanzlerkandidaten für die Union deutlich von Friedrich Merz und Markus Söder ab. Dass sich beide gerade nicht beliebt machen und insbesondere Merz beim Versuch, die AfD auszuhebeln, danebengreift, pusht Wüsts Werte zusätzlich. Und zeigt, dass ein gemäßigter Kurs von Wählerinnen und Wählern eher honoriert wird als ein Krawall-Auftritt.
Neue Sorgen beschäftigen Bürger
Soweit die persönliche Erfolgsstory Wüst. Die Leistungen der Landesregierung unter seiner Führung, kommen allerdings nicht so gut weg. 54 Prozent der Befragten sind unzufrieden mit der Arbeit von Schwarz-Grün, der Anteil hat sich seit dem letzten NRW-Check nicht geändert. Das liegt wohl auch an den wenig profilierten Kabinettsmitgliedern, vom scharfkantigen Innenminister Reul einmal abgesehen.
Dennoch könnte Ministerpräsident Wüst einigermaßen beruhigt ins zweite Jahr der Amtsperiode gehen, wenn sich die Problemfelder in NRW nicht deutlich verschoben hätten. Die Energiekrise und die hohe Inflationsrate hatten die Befragten im Herbst noch am meisten besorgt. Jetzt werden vor allem Probleme, die durch hohe Flüchtlingszahlen entstehen, genannt, aber auch Schul- und Bildungsthemen und die Verkehrssituation.
Genannte Probleme ernst nehmen
Und das könnte in der Komfortzone des erfolgsverwöhnten CDU-Hoffnungsträgers Wüst für Verwirbelungen sorgen. Bei Energiepreisen und Inflation, die stark kriegsgetrieben waren, konnte die NRW-Regierung – auch zu Recht – auf die internationale Lage verweisen. Jetzt rücken die Sorgen sehr viel näher, drei Viertel der Befragten finden, dass die meisten Kommunen mit der Zahl an Geflüchteten überfordert sind. Auch wenn diese Zahlen nicht beeinflussbar sind, ist die NRW-Regierung hier ganz anders gefragt, denn es geht um Lösungskonzepte vor Ort. Ebenso bei eindeutigen Landesthemen wie Schul-Fragen und der Verkehrslage. Die Regierung muss jetzt zeigen, dass sie die genannten Probleme ernst nimmt – vor allem mit Blick auf die steigenden Umfragewerte der AfD im Land. Ein echter Prüfstein für Schwarz-Grün als Gegenentwurf.