Herzlicher kann Karneval nicht sein. Die Besatzung des Prinzenwagens trägt ein entsprechendes Muster auf Jacken und Hüten, als der Bielsteiner Zug sich in Bewegung setzt. Das Prinzenpaar Tina und Nils I. sind an diesem Rosenmontag genau elf Jahre zusammen. Kennengelernt haben sie sich damals im Ründerother Festzelt, und dort haben sie auch am Sonntag schon ihr jeckes Liebesjubiläum gefeiert. Aber nicht zu wild, versichert Nils Becher. Den Höhepunkt seiner Session wollte er gut ausgeschlafen genießen.

Die Sonnenbrille trägt er folglich nicht wegen der Augenringe. „Wir haben Kaiserwetter, nein: Prinzenwetter“, freut sich die Tollität beim Rundgang während der Zugaufstellung. Kleiner als sonst ist der Bielsteiner Zug in diesem Jahr. 664 Teilnehmer in 19 Gruppen sind angemeldet. Markus Heitmann, Pressewart des Karnevalsvereins, führt den Rückgang auf die gestiegenen Kosten zurück, zur allgemeinen Inflation kommen die hohen Gebühren für die technische Abnahme. Manfred Unger, Vorsitzender des Oesinghauser Karnevalsvereins, klagt über einen Aufwand von 1200 Euro, „und das Wurfmaterial ist da noch nicht dabei“.

Gut, dass sein Wagen nach Ründeroth nun einen zweiten Auftritt hat. Der Wagen und die 18 Passagiere der KV-Blau-Weiß tragen Rosa und huldigen als jecke Sportfreunde dem Sommerhit „Bauch, Beine, Po“.In Bielstein sind sie immer gern dabei, schwärmt Unger: „Die Leute schreien hier die Kamelle regelrecht raus dem Wagen, und alles wird auch aufgesammelt.“

Die Zahl der Zuschauer hat dem Augenschein nach einen neuen Rekord erreicht. Tausende tummeln sich am sonnenbeschienenen Zugweg. Die Angst vor Terroranschlägen hat trotz der Vorkommnisse in Mannheim offenbar kaum einen abgehalten. Die Stadt hat mit großen Lkw die Zufahrten abgesperrt. Sicher ist sicher. Wiehls Bürgermeister Ulrich Stücker   strahlt aber Ruhe aus und feiert selbst gerne mit als Passagier auf dem Prinzenwagen: „Wir leben hier dann doch noch in einer heilen Welt.“

Vor der Brauerei, wo später die After-Zug-Party steigt, knubbelt es sich besonders. Am Bierwagen in Sichtweise der Braukessel kommen sie mit dem Einschenken kaum hinterher. Erzquell-Chef Axel Haas im Sultan-Kostüm freut sich über „durstiges Wetter“.

Kein Wunder, dass im Publikum neben vielen Tier- auch allerlei Bierkostüme zu sehen sind. Die Marienhagener „Raketen“-Tanzgruppe geht einen Schritt weiter. Die Frauen paradieren als „Bieraktivisten“ mit dem Motto „Heben statt kleben“. Susi Wurth vom Trainerteam versichert, dass sie anders als die Klimaschützer den Verkehr nicht aufhalten wollen: „Im Gegenteil, wir bringen den Zug voran!“ Na denn Prost.

Der karnevalistische Hochadel ist in Bielstein stark vertreten, gekrönte Häupter aus Denklingen und Schönenbach sind mit ihren Wagen dabei. Dem Eckenhagener Damendreigestirn, deren eigener Wagen nicht startklar wurde, hat der Bielsteiner Elferrat einen prominenten Platz auf dem legendären KVB-Bierkasten eingeräumt. Die Ründerother Tollitäten feiern ganz in Gold gekleidet ihr 50-jähriges Bestehen.

Die Hohler Bären geben ein politisches Statement in Maleranzügen, die „bunt statt braun“ bekleckert sind. Die Bielsteiner Ballsportler laufen als gelbe „Fußballminions auf“. Ein süßer Anblick ist die jüngste Bielsteiner Tanzgruppe: Die kleinen Lollipops sind diesmal als Zuckerzeug verkleidet. Acht der 23 Tänzerinnen sind zum ersten Mal dabei, berichtet Trainerin Pia Schneider. „Ich habe ihnen eingeschärft, dass die Füße immer auf dem Boden bleiben, damit keiner über Bord geht.“

Die nächstältere Abteilung, die Crazy Girls & Boys, tragen Sterne-Outfits und schmeißen ebenfalls reichlich. Den Stimmungshöhepunkt liefern dann zuverlässig die Tanzmäuse, diesmal unter dem Motto „so blau wie der Ozean“, gemeint ist natürlich die Bemalung des Wagens.

Am Busbahnhof werden alle von den Zugkommentatoren Michael Becher und Tobias Rohde übers Mikro gebührend begrüßt und verabschiedet. Aber nur kurz, denn auch diesmal gilt in Bielstein nach dem ersten Durchgang: „Bleibt alle stehen, der Zug kommt wieder.“