Köln – Er ist der Erste. Nichts Ungewöhnliches für einen Ford Mustang. Keine Marke für den Windschatten. Doch der Ford Mustang Mach-E hat noch aus einem weiteren Grund die Nase vorn. Er ist das erste vollelektrische Auto des Konzerns, das es in Deutschland zu kaufen gibt. Und damit ist er der Vorbote einer Zeitenwende. Ford will komplett auf die Elektroantriebe umsteigen – und Köln soll in Europa der Dreh- und Angelpunkt der Elektrifizierungskampagne werden (siehe Seite 2). Grund genug für die Rundschau, den E-Boliden unter die Lupe zu nehmen. Wie schlägt er sich im Alltag, wie läuft es mit dem Aufladen, schlägt in ihm noch das Herz eines Wildpferdes?
Erst einmal die Sporen geben
So ist es nun einmal, wenn ein galoppierendes Pferd im Kühler prangt: Beim Fahrer zuckt der rechte Fuß. Und ja, der Mach-E geht ab. Für die getestete Modellvariante (Standard Range, 68 kWh Batteriekapazität, 269 PS) gibt Ford eine Beschleunigung von 0 auf 100 in 6,9 Sekunden an. Gefühlt sind es zwei. Das Drehmoment von 430 Newtonmeter gibt der E-Motor großzügig von der ersten Sekunde an frei. Bei Überholmanövern auf der Landstraße gibt es für den Fahrer nur eine Herausforderung: Den Blinker schnell genug wieder nach rechts zu setzen.
Wer noch mehr Adrenalinausschüttung wünscht, kann auf die versprochene GT-Variante mit 487 PS warten. Jedoch: Beim Standard Range ist bei 180 km/h Schluss. Damit die Batterie sich nicht leert wie ein Kölschglas an einem lauen Sommerabend. Den Verkehr hält man mit dem Mach dennoch nicht auf. Aber verdient der Leisetreter wirklich den Namen Mustang? Matthias Tonn ist Leitender Chefingenieur für die US-Baureihen, die Ford auch in Europa anbietet. Sein Urteil über den Mach-E: „Wegen seiner sportlichen Auslegung verdient er den Namen Mustang.“
Der Mach-E ist ein Trumm. Ford bezeichnet den 5-Türer als Crossover-SUV. Unter einem Standard-Carport nimmt er sich aus wie weiland Cindy von Marzahn im Trainingsanzug. Fünf Erwachsene gehen ohne Platzangst rein. Zwei streitsüchtige Geschwister können sich auf der Rückbank spielend aus dem Weg gehen. 402 Liter Ladevolumen plus 100 unter der „Motorhaube“. Letztere sogar auswaschbar mit Ablauf, bereits bekannt aus dem Puma.
Für dreckige Reitstiefel und so. Und fast noch schöner, als dem Mach-E die Sporen zu geben, ist es, mit ihm familiär zu cruisen. Als würde er durch den Straßenraum schweben. Die Innenausstattung: Ein Hauch von Tesla. In der Mitte thront ein Tablet-Bildschirm. Ein paar Knöpfe gibt es aber auch noch. Leider auch einen silbernen Lautstärkeregler, der aussieht, wie ein Ring aus dem Kaugummiautomaten. Ansonsten: ordentliche Materialien, ordentlich verarbeitet. Die Palette der Sicherheitsassistenten entspricht dem Standard in der gehobenen Mittelklasse. Alles dabei, was das Fahren sicherer macht – aber irgendwie auch fremdbestimmter.
Wenn das Pferd an die Leine muss
440 Kilometer Reichweite gibt Ford für die kleinste Batterievariante an. Ja, ja: bergab, bei Rückenwind und Sonnenschein. Jedoch: Der Praxistest straft das Vorurteil lügen: Auf einer 170 Kilometer langen Fahrt nach Münster verlor der Mach-E rund 40 Prozent seiner Ladung. Mit Zwischensprints und Stop-and-go. Abgerundet kommt die Reichweiteangabe also hin. Weil der Wagen vor Abfahrt nicht vollgeladen war, musste er in Münster ans Kabel. Und die Ladeinfrastruktur ist immer noch kein Ponyhof. Zu wenige Säulen, ein Wirrwarr an Tarifen und Preisen.
An vielen Ladesäulen wird nach vier Stunden eine Blockiergebühr von sechs Euro (!) die Stunde fällig. Der Mach-E schaffte an einer Typ-2-Säule (22 kW) in vier Stunden rund 60 Prozent. An Autobahnraststätten sind Schnellladesäulen weit verbreitet – zu Apothekenpreisen. Immerhin: Temporäre Laderabatte sind beim Mach-E im Kaufpreis enthalten. Aber ohne Lademöglichkeit am Eigenheim ist ein solches Auto nicht alltagstauglich. Ferienfahrten bleiben eine Herausforderung. Stichproben bei den Hotline-Nummern – auf jeder Säule angegeben – glichen einem Ritt durch die Service-Wüste ins Tal der Ahnungslosen. Endloswarteschleife bei der Rheinenergie. Bei den Stadtwerken Brühl hatte der vermeintliche Helfer noch nie von der gesetzlichen Vorgabe gehört, nach der jede Säule auch ohne Ladekarte des Anbieters nutzbar sein muss. Geschweige denn davon, wie das funktionieren könnte.
Der Vorreiter einer neuen Epoche
2023 will Ford in Köln mit der Produktion eines „vollelektrischen Volumenmodells“ starten. Ist der Mach-E nur ein launiges Vorspiel, oder gibt er ein Vorahnung des Kommenden? Er wurde weitestgehend in den Staaten entwickelt und wird in Mexiko gebaut. „Köln spielte bei der Entwicklung und Abstimmung des Fahrwerks eine führende Rolle“, versichert Chefingenieur Tonn.
Auch das ein Grund, warum Köln ein Nabel der Elektrifizierung Fords in Europa werden soll. Tonn ist sich sicher, dass der ab 2023 in Köln gebaute neue E-Ford an den Mustang Mach-E anknüpfen und die europäischen Kunden überzeugen wird. „Der Mustang Mach-E kostet zwischen 47 000 und 64 000 Euro, ist voll förderfähig und bietet ein exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis.“ Sicher, der Preis liegt in dem Bereich, der auch für vergleichbare Modelle der Konkurrenz anfällt. Doch Ford ist ein Volumenhersteller. Sollen die entsprechenden Kunden gehalten werden, muss das neue Modell sicherlich in einer anderen Preisklasse liegen.
Vorbereitung auf das Jahr der Wende
Die magische Grenze liegt im Jahr 2035. Die EU-Kommission will, dass von da an keine Neuwagen mit Verbrennermotor mehr verkauft werden.
Im Hinblick darauf haben im Kölner Ford-Werk die ersten Arbeiten für die anstehende Produktion eines reinen Elektroautos begonnen. Zunächst gibt es Abrissarbeiten, damit ab 2023 neben dem Fiesta, der noch weiter gefertigt wird, Platz ist für das E-Auto, das auf einer VW-Plattform entsteht. Produktionsbeginn für das Fahrzeug sei in der zweiten Jahreshälfte 2023, sagt Stefan Wieber, Direktor Pkw für Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Köln wird federführend für die Entwicklung und Produktion von Ford-E-Autos in Europa. Eine Milliarde Dollar werden in den Umbau des Kölner Werks investiert. 30 Milliarden Dollar sollen bis 2025 in die Entwicklung von Elektroautos und Batterien fließen.
Bis 2026 soll es für jedes Pkw-Modell in Europa eine Variante mit E-Antrieb geben. 2030 soll die komplette Pkw-Flotte von Ford einen batterie-elektrischen Antrieb haben. (ngo/raz)