Für Ford geht ein sehr ereignisreiches Jahr zu Ende. Gute und auch einige schlechte Nachrichten mussten verdaut werden. Darüber sprach Ralf Arenz mit dem Betriebsratsvorsitzenden Benjamin Gruschka.
Ford-Betriebsratschef"Es gibt nichts Schlimmeres als nichts zu tun"
Herr Gruschka, wie lautet Ihr Fazit für 2023?
Das Jahr war für die Kolleginnen und Kollegen bei Ford in Köln sicherlich eines der anstrengendsten Jahre. Zeitweise haben wir darüber diskutieren müssen, ob die Produktentwicklung überhaupt nötig ist, letztlich wird sie verkleinert. Es gab und gibt schwierige Verhandlungen, bei denen es auch um Strukturkosten geht, die um 266 Millionen Euro bis Ende 2025 gesenkt werden sollen. Es ging und geht um Stellenabbau. Der erfolgt sozialverträglich und letztlich sind betriebsbedingte Kündigungen bis 2032 ausgeschlossen. Das ist in der heutigen Zeit Gold wert. Denn das gibt Sicherheit.
Feierliche Einweihung des Zentrums für E-Autos in Köln, dann Produktionsverschiebung des ersten E-Autos. Für die Mitarbeitenden war es ein Jahr auf der Gefühlsachterbahn. Wie ist die Stimmung?
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Gefühlsachterbahn trifft es. Auf Euphorie folgte der nächste Hammer. Das ist schwierig für die Beschäftigten.
Wie wird bei Ford gerade gearbeitet? Die Massenfertigung ist ja Anfang Juli mit der Montage des letzten Fiestas ausgelaufen.
In der Produktion bauen wir Prototypen, und zwar nicht nur den bereits vorgestellten Explorer, sondern auch schon das zweite Fahrzeug. Damit ist eine Schicht ausgelastet. Gefertigt wird in der Frühschicht. Da kommen aber Mitarbeitende aus der Spätschicht dazu. Wir optimieren die Anlagen, die Mitarbeitenden trainieren, zum Teil gibt es auch Nicht-Beschäftigung. Das ist eigentlich das Schwierigste. Es gibt nichts Schlimmeres als nichts zu tun. Sie verhandeln mit dem Management über Stellenabbau in Köln. Wie ist der Stand? In der Verwaltung, wo 600 Stellen wegfallen, sind wir nicht mehr weit vom Ziel entfernt. Bei der Produktentwicklung, wo 1700 Stellen wegfallen, ist das schwieriger allein wegen des größeren Umfangs des Abbaus. Hier gibt es im kommenden Jahr noch einiges zu tun.
Es gibt neue Gerüchte um das Entwicklungszentrum in Köln-Merkenich rund um die Gründung einer neuen Gesellschaft für diesen Werksteil.
Das stimmt. Das erfolgt aufgrund einer spezifischen US-Gesetzgebung. Eine inhaltliche Auswirkung für die Mitarbeitenden hat das aber nicht. Alle bestehenden Regelungen werden übernommen.
Schwieriger ist die Lage in Saarlouis, wo die Schließung ansteht, wenn der Focus 2025 ausläuft. Bislang konnte Ford keinen Investor für das Werk finden. Ist da jemand in Sicht?
Bis Anfang Oktober haben wir auf einen Investor für das Werk gehofft. Jetzt liegt der Schwerpunkt auf der Sicherung von 1000 Stellen, wie wir das vereinbart haben. Gespräche mit Investoren laufen aber weiter.
Wenn der Focus statt bis Mitte 2025 bis Ende 2025 weiter gebaut würde, hätten alle mehr Zeit für die Suche nach Lösungen. Ist das denkbar?
Das ist derzeit eine aktive Diskussion. Klar, jeder Tag hilft. Es gibt durch eine Verlängerung der Fertigung aber nicht mehr Produktion. Die wird nur anders verteilt. Das Problem wird so nicht gelöst. Ich hoffe aber noch auf eine Lösung für die Mitarbeitenden in Saarlouis und werde mich sehr für die freuen, wenn es die gibt.
Wie wird denn das kommende Jahr?
Ford hat in Europa große Herausforderungen. Die Frage nach einer Pkw-Strategie haben wir im November an allen Standorten aufgeworfen. Diese Frage spitzt sich zu. In Europa müssen weitere Fahrzeuge gebaut werden. Und dann hoffe ich für Köln, dass wir mit dem Explorer den erfolgreichsten Produktionsstart in den letzten 25 Jahren schaffen. Ohne eine staatliche Förderung für E-Autos dürfte es der Explorer schwer haben mit angedachten Preisen ab 45 000 Euro. Braucht Ford nicht auch günstige E-Modelle, wie sie gerade die Konkurrenz nicht nur aus China ankündigt? Ja, natürlich. Es geht um den Preis und um Innovationen. Beides ist nötig, um langfristig auf dem Markt erfolgreich zu sein, um mit den Teslas und BYDs konkurrieren zu können. Das betrifft aber sämtliche europäischen Autobauer. Natürlich brauchen wird bezahlbare Autos.
Benjamin Gruschka ist seit 2022 Betriebsratsvorsitzender bei Ford. Im Unternehmen ist er seit 1997. Er ist gelernter Elektroniker, studierte dann BWL und Marketing. Er war in der Jugendvertretung, seit 2006 ist er im Betriebsrat, Seit 2013 ist Gruschka zudem im Vorstand der IG Metall auf Bundesebene. In Köln hat Ford rund 14 000 Mitarbeitende, in Saarlouis rund 4000. Große Werke, in denen Pkw montiertet werden hat Ford in Europa außerdem im spanischen Valencia. Das Werk im rumänischen Craiova wird von dem Gemeinschaftsunternehmen Otosan betrieben.