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Drohender StellenabbauBetriebsrat will Druck auf Ford-Management erhöhen

Lesezeit 4 Minuten
Ein Ford-Logo ist auf der Beschilderung von Country Ford in Graham, N.C., zu sehen.

Von derzeit 3800 Ford-Mitarbeitenden in Merkenich würden im schlimmsten Szenario 2500 ihren Job verlieren.

Am Samstag sind 500 IG Metall-Vertrauensleute bei Ford zusammengekommen, um über mögliche massive Stellenstreichungen zu diskutieren.

Ford Betriebsrat und IG Metall zeigen sich am Samstag kämpferisch angesichts eines drohenden massiven Stellenabbaus bei Ford in Köln. Am Vormittag waren 500 Vertrauensleute im Werk zusammengekommen. Sie hätten über die Lage diskutiert und erste Aktionsideen vorbereitet, berichtete Kerstin Klein, 1. Bevollmächtigte der IG Metall Köln-Leverkusen. „Es gibt eine große Solidarität in der Belegschaft“, schilderten Benjamin Gruschka, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Ford Werke, und Katharina von Hebel, stellvertretende Gesamtbetriebsratsvorsitzende und Vorsitzende des europäischen Betriebsrates.

Es geht zunächst um Nadelstiche, um dem Management in Deutschland, in Europa und in den USA zu zeigen, was wir können.
Benjamin Gruschka, Ford-Betriebsratsvorsitzender

Jetzt solle jeden Tag mehr Druck aufgebaut werden, so Gruschka. „Es geht zunächst um Nadelstiche, um dem Management in Deutschland, in Europa und in den USA zu zeigen, was wir können“, sagte Gruschka. Es gebe einen Eskalationsplan, in dem auch Betriebsversammlungen und Abteilungsversammlungen vorgesehen seien. Mehr verraten will er nicht, um das Management zu überraschen. Es gehe aber auch darum, weltweite Abhängigkeiten im Konzern zu zeigen.

Gleichzeitig sei der Betriebsrat verhandlungsbereit. Ein konkretes Angebot der Geschäftsleitung gebe es noch nicht, so von Hebel. Sie haben aber signalisiert, dass sie auf den Betriebsrat zugehen und in Gespräche eintreten wolle.

Bis zu 3200 Stellen sollen in Köln wegfallen

In drei außerordentlichen Betriebsversammlungen hatte der Betriebsrat insgesamt 12.000 Mitarbeitende über Streichungspläne informiert. Gewünscht hatte er sich diese Rolle nicht. „Der Betriebsrat musste die Rolle von Hiob übernehmen, weil die Geschäftsleitung sich nicht getraut hat“, sagte Christiane Benner, 2. Vorsitzende der IG Metall.

Die Zahlen, die der Betriebsrat dabei genannt hat, hat er laut Gruschka aus Angaben im Wirtschaftsausschuss des Unternehmens für Europa abgeleitet. Demnach sollen von 6250 Mitarbeitenden in der Produktentwicklung in Europa an den Standorten Dunton in England, Lommel in Belgien und in Köln-Merkenich zwischen 2200 und 3700 Mitarbeitende ihren Job behalten können. Nach einem gängigen Schlüssel für die einzelnen Standorte kommt er so zu dem Ergebnis, dass von derzeit 3800 Mitarbeitenden in Merkenich im schlimmsten Szenario 2500 ihren Job verlieren. Außerdem sollen mit der Rasenmähermethode in der Verwaltung 20 Prozent der Stellen gestrichen werden. Bei 3400 in Köln fallen also weitere bis zu 700 Stellen weg. Insgesamt wären das 3200 in Köln.

Ford gehört zu Köln, und Entwicklung und Produktion gehören zusammen.
Christiane Benner, 2. Vorsitzende der IG Metall.

„Ford gehört zu Köln, und Entwicklung und Produktion gehören zusammen“, sagte Benner. Der Konzern biege falsch ab. Die Branche befinde sich in einer kritischen Phase der Transformation. Es gehe nicht nur um E-Mobilität, sondern auch um neue Mobilitätskonzepte und -dienstleistungen, Digitalisierung oder autonomes Fahren. Das alles sei seit mindestens zehn Jahren bekannt. Damals habe die IG Metall etwa schon den Bau einer Batteriefabrik und den Aufbau einer Ladeinfrastruktur in Deutschland gefordert.

Während sich aber alle anderen Autobauer auf diesen Wandel eingestellt hätten und ihren Mitarbeitenden, deren Jobs durch den Umbau wegfielen, Perspektiven gäben, gehe Ford einen anderen Weg. Dabei würden die Ingenieure und andere Fachkräfte gerade jetzt gebraucht. Es gehe weiter um die Kreislaufwirtschaft und das Recycling der einmal verwendeten Materialien.

Idee eines Weltautos war nicht erfolgreich

Erfolge die Fahrzeugentwicklung bei Ford vor allem in Nordamerika, befürchtet Gruschka, dass Fahrzeuge entstehen, die nicht den Geschmack der europäischen Käufer treffen und so weitere Stellen gefährdet sind. Die früher verfolgte Idee eines Weltautos, das in möglichst vielen Märkten verkauft werde, sei nicht erfolgreich gewesen.

Ford stehe für bezahlbare Autos und rauche Fahrzeuge im Bereich der Klein- und Kompaktwagen. Und die müssten in Merkenich entwickelt werden neben andere Aufgaben wie die Entwicklung von Software oder eine Teilhabe an der Entwicklung der leichten Nutzfahrzeuge. Daran arbeite man Merkenich auch jetzt schon, weil die Ford-Entwicklungszentren kooperieren.

"Köln braucht einen Anteil an der globalen Entwicklung“, so Gruschka. Und statt Verlagerung an Billigstandorte solle es eine leistungsstarke und zukunftsfeste Verwaltung vor Ort geben. Er setzt darauf, dass das Ford-Management entsprechend umdenkt. Sollte es aber an seinen massiven Streichungsplänen festhalten, würden Betriebsrat und IG Metall mit Macht das Beste für die Belegschaft herausholen.

Heftige Kritik an Kölns OB Reker

Wie ein Stellenabbau sozialverträglich etwa über Abfindungen und Vorruhestand gestaltet werden könne, damit beschäftige sich der Betriebsrat nicht. „Das wäre schon halb aufgegeben“, so Gruschka. Er kritisierte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker scharf, die bereits am Montag in einer Stellungnahme gesagt hatte, dass ein Stellenabbau, sollte es dazu kommen, sozialverträglich erfolgen müsse. „Ein derartiges Vorpreschen geht nicht“, so Gruschka, der erneut kritisierte, dass die Kölner Stadtspitze keine Autos von Ford fährt.