- In der immer kritischeren Corona-Lage wächst der Druck, schnell zusätzliche Schutzmaßnahmen festzuzurren.
- Nur welche – das ist weiter umstritten. Klar ist nur: Viel Zeit bleibt nicht.
Düsseldorf/Berlin – Will NRW die 2G-Regel? Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat dafür Sympathie, möchte aber erst mit anderen Länderchefs reden. Die Opposition und der Koalitionspartner FDP erhöhen derweil den Druck. „Worauf wartet Wüst eigentlich noch?“, fragte NRW-SPD-Chef Thomas Kutschaty gestern. Am Ende werde 2G ohnehin kommen. Auch die oppositionellen Grünen befürworten die 2G-Regel.
Der Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP im Landtag, Henning Höne, kritisierte hingegen per Twitter: „Wer eine Impfpflicht will, soll es auch so sagen. Die Umwege über kostenpflichtige Tests und/oder über 2G für alles, was gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, sind unehrlich.“ Höne sprach sich stattdessen für eine flächendeckende 3G-Regelung in Innenräumen und am Arbeitsplatz aus – inklusive Kontrollen.
Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) verteidigte das Zögern des Ministerpräsidenten. „Wir werden das Schritt für Schritt klären“, sagte er. NRW habe „Gott sei Dank“ keine so schwierige Corona-Lage wie etwa Sachsen. Wüst selbst drang erneut auf ein schnelles Bund-Länder-Treffen und Gespräche über eine bundesweite 2G-Regelung. „Ich glaube, wir sollten darüber zu einer Verständigung kommen deutschlandweit, dass wir nicht am Ende wieder einen Flickenteppich haben“, sagte er im Deutschlandfunk. Notfalls sei NRW aber auch allein handlungsfähig.
Streit über Ampel-Pläne
Angesichts der steigenden Corona-Zahlen forderte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) einen Notfallplan von SPD, Grünen und FDP – und eine Impfpflicht für bestimmte Berufe. „Es droht ein schlimmer Corona-Winter. Das, was in einigen Bundesländern stattfindet, ist nur der Vorläufer für das ganze Land“, warnte der CSU-Chef. „Deshalb der dringende Appell an die künftige Bundesregierung, ihr bisheriges Corona-Paket massiv nachzuschärfen.“
Die Ampel-Parteien hatten zuvor angekündigt, sich um möglichst breite Rückendeckung für ihren Gesetzentwurf im Bundestag zu bemühen. Sie warben auch um Unterstützung der Union. Der Entwurf soll am heutigen Donnerstag erstmals im Plenum beraten und kommende Woche verabschiedet werden. Die Unionsfraktion lehnt die Pläne in ihrer aktuellen Form jedoch ab. Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) kritisierte vor allem das Vorhaben, die „epidemische Notlage von nationaler Tragweite“ nicht über den 25. November hinaus zu verlängern. „Das ist ein Mechanismus, der funktioniert“, sagte Brinkhaus.
Wissenschaftler warnen
Der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina hält eine Impfpflicht für bestimmte Gruppen für denkbar. In einer Stellungnahme zu antiviralen Medikamenten schreibt Gerald Haug, „Impfpflichten für Multiplikatorengruppen“ seien eine Möglichkeit, „unsere Instrumente für die Eindämmung der Pandemie zu verbessern“. Dazu könne man Pflegepersonal, Lehrer und andere Berufsgruppen mit viel Kontakt zu anderen Menschen zählen, teilte die Leopoldina auf Anfrage mit.
Der Virologe Christian Drosten erwartet in der Pandemie „einen sehr anstrengenden Winter“ und hält auch neue Kontaktbeschränkungen für denkbar. „Wir haben jetzt im Moment eine echte Notfallsituation“, sagte der Leiter der Virologie in der Berliner Charité angesichts der Lage auf den Intensivstationen. „Wir müssen jetzt sofort etwas machen.“ Dabei müsse man auch Maßnahmen diskutieren, „die wir eigentlich hofften, hinter uns zu haben“, sagte Drosten.
Impffortschritt
Am Dienstag wurden mit 312000 Dosen bundesweit so viele Impfungen verabreicht wie seit August nicht mehr. Das teilte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit. Mehr als drei Millionen Menschen haben bisher eine Auffrischungsimpfung erhalten. „Die Richtung stimmt, reicht aber noch nicht, um die Dynamik zu brechen“, so Spahn.
Keine Klinik-Engpässe
Trotz der gestiegenen Zahl von Corona-Neuinfektionen ist die Lage in den NRW-Krankenhäusern nicht besorgniserregend. Es gebe zurzeit genügend freie Betten in den Kliniken – auch auf den Intensivstationen, sagte Hilmar Riemenschneider, Sprecher der Krankenhausgesellschaft NRW: „Es gibt keine Engpässe, die mit der Zahl der Covid-19-Patientinnen und -Patienten zu tun hätten.“ Dass die Intensivstationen punktuell ausgelastet seien, sei auf die zuletzt rasch gestiegene Zahl anderer saisonal bedingter Infektionen zurückzuführen.
Der Anteil der Covid-Patienten auf den Intensivstationen lag am Mittwoch laut Landeszentrum Gesundheit landesweit bei 8,37 Prozent. Es mussten mit 432 Fällen sogar weniger Corona-Patienten dort versorgt werden als tags zuvor (437). Knapp 450 freie Intensivbetten mit Beatmung standen in NRW zur Verfügung. (dpa)
Um die Impfungen anzukurbeln, sollen praktische Lösungen her. Ab 16. November können Praxen wieder wöchentlich Impfstoff bestellen, nachdem seit Sommer ein Zwei-Wochen-Rhythmus galt, teilte die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände mit.
Stiko-Empfehlung
Kinder ab zwölf sowie Jugendliche und Erwachsene unter 30 Jahren sollen laut der Ständigen Impfkommission (Stiko) nur noch mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer und nicht mit dem von Moderna geimpft werden. Analysen zeigten, dass Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen in dieser Altersgruppe nach der Moderna-Impfung häufiger seien als nach der Biontech-Impfung. „Diese Empfehlung gilt sowohl für die Grundimmunisierung als auch für mögliche Auffrischimpfungen“, so die Stiko. Auch Schwangere sollten unabhängig vom Alter Biontech bekommen.
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Neue Test-Regelung
Als getestet gilt man in NRW ab sofort nur noch, wenn der Corona-Schnelltest oder PCR-Test höchstens 24 Stunden alt ist. Zuvor lag die Grenze bei 48 Stunden. Das geht aus der neuen Coronaschutz-Verordnung hervor, die seit Mittwoch gilt. Den Test müssen Nicht-Geimpfte oder Nicht-Genesene dort vorweisen, wo die 3G-Regel gilt – etwa in Restaurants oder beim Friseur. Für manche Bereiche, etwa Diskotheken oder Karnevalsveranstaltungen, gilt sogar die 3Gplus-Regel: Hier darf ein Schnelltest höchstens sechs Stunden alt sein. (tb/dpa/afp)