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Was taugen Sie wirklich?Wie Selbsttests für jedermann Hoffnung machen

Lesezeit 4 Minuten

Der Schlüssel zur Normalität? Mit einfachen Selbsttests könnte die Corona-Pandemie eingedämmt werden.

  1. Ausweg aus dem Lockdown? Einfach und schnell selbst eine Corona-Infektion ausschließen und so wieder Normalität in den Alltag bringen?
  2. Was verlockend klingt, könnte durch die Zulassung von Selbsttests in Kürze tatsächlich möglich sein.

Berlin – Endlich sind die ersten drei Corona-Selbsttests in Deutschland zugelassen. Das grüne Licht für die kinderleichten „Nasenbohrer-Tests“, die jeder daheim durchführen kann, geben Hoffnung auf ein schnelleres Lockdown-Ende. Zu Recht? Eine Analyse.

Was sind Selbsttests, was sind Schnelltests?

Antigen-Schnelltests sind hierzulande schon seit vergangenem Herbst im Einsatz, insbesondere in Altenheimen und Krankenhäusern. Aber auch Privatpersonen können sich in Testzentren längst auf Corona testen lassen. Der Haken sind nicht nur die Kosten von bis zu 50 Euro pro Test: Die unangenehmen Abstriche im hinteren Nasenbereich und tief im Rachen müssen von Fachpersonal durchgeführt werden.

An diesem Mittwoch wurden endlich die ersten Tests zugelassen, die ein Jeder allein durchführen kann. Die „Wohnzimmer-Tests“ gelten als Quantensprung, weil eben kein Fachpersonal mehr gebraucht wird. Wie bei den bereits zugelassenen Schnelltests liegt das Ergebnis binnen 15 Minuten vor.

Was ist denn jetzt genau zugelassen?

Für die ersten vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) freigegebenen Laientests müssen nur noch im vorderen Nasenbereich Abstriche gemacht werden, der Tupfer muss also nicht länger rund sieben Zentimeter tief durch den unteren Nasengang geschoben werden. Auch die lästigen Abstriche im Rachen sind nicht mehr nötig.

Schon in der kommenden Woche wird auch die Freigabe von Spuck- und Gurgeltests zur Eigenanwendung erwartet. Bei allen Varianten werden die per Tupfer aus der Nase oder aus Speichel gewonnenen Genproben in Flüssigkeit gelöst und diese auf einen Teststreifen getropft wie beim Schwangerschaftstest. Ein Streifen signalisiert nach kurzer Zeit, ob Coronaviren gefunden wurden (positives Ergebnis) oder nicht (negatives Ergebnis).

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Nach langem Expertenstreit ist die Zuverlässigkeit der Selbsttests nun bestätigt. Zwar können Fälle, in denen Infizierte nur eine sehr geringe Virenlast aufweisen, unentdeckt bleiben. Dass die Tests bei hoher Virenlast sicher anschlagen, ist aber nachgewiesen.

Kann dank Selbsttests der Lockdown rasch beendet werden?

In der Theorie ja: Wenn sich alle knapp 83 Millionen Bundesbürger jeden Morgen selbst testen und bei positivem Ergebnis und PCR-Bestätigung daheim bleiben würden, hätte Corona wohl kaum noch einen Chance. In der Realität wäre weder auf die Eigenverantwortung jedes Einzelnen Verlass, noch sind genug der Tests verfügbar. Doch die Möglichkeiten sind enorm. In Österreich müssen sich schon Schüler mit den „Nasenbohrer-Tests“ und unter Begleitung von Lehrern vor Unterrichtsbeginn selbst testen. In den kommenden Wochen, so das Bildungsministerium in Wien, sollen die Schulen mit 20 Millionen Test-Einheiten ausgestattet werden.

In Deutschland ist Potsdam bereits vorgeprescht und hat das Kita-Personal seit dem 1. Februar verpflichtet, sich zwei Mal wöchentlich daheim zu testen. Nur mit negativem Spucktest-Ergebnis dürfen die Erzieherinnen und Erzieher zur Arbeit. „Das hat uns die Rückkehr zum Regelbetrieb ermöglicht“, sagte Oberbürgermeister Mike Schubert unserer Redaktion.

Wie will die Politik die neuen Möglichkeiten nutzen?

Das Potenzial der Tests hat auch Kanzlerin Angela Merkel erkannt: Sie kündigte am Dienstag in der Unionsfraktion an, die geplanten Öffnungsschritte sollten „mit den erweiterten Testmöglichkeiten kombiniert werden“. Gerade mehr Schnell- und Selbsttests könnten etwas mehr Freiraum und Puffer geben.

FDP-Generalsekretär Volker Wissing sagte unserer Redaktion: „Wer getestet ist und nachweisen kann, dass er nicht infiziert ist, könnte auch wieder ins Restaurant oder ins Fitness-Studio gehen.“ Die Einschränkungen seien nur solange gerechtfertigt, wie man eine Gefahr für andere darstellt, weil man infiziert sein könnte.

Die Veranstaltungsbranche hat sich längst vorbereitet und steht in den Startlöchern. Über das konkrete Konzept wollen Bund und Länder kommenden Mittwoch auf ihrem nächsten Corona-Gipfel beraten. Geklärt werden muss dabei auch, ob der Staat die Tests bezuschusst. „Kostenlos ist nix“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn dazu im Bundestag. Ob der Bund Kosten übernehme, hänge letztlich davon ab, zu welchem Preis die Tests auf den Markt kämen. Die erwartete Spanne reicht von zwei bis zehn Euro. 9 Euro kostete der schon in Potsdam eingesetzte Spucktest pro Stück.

Können die Hersteller denn liefern?

Genaue Auskünfte darüber gibt es nicht. Die Branche hat zwar in Erwartung der Zulassung massenhaft vorproduziert. Insgesamt liegen rund 30 Anträge vor. Aber in Potsdam etwa konnte der erste Vertragspartner schon nach der ersten Woche nicht mehr genug Selbsttests liefern, dort wurde indes schnell ein Zweitlieferant gefunden. Spahn sagte, er sei sich sicher, dass „die kleinen Dinger“ binnen kurzer Zeit im Überfluss verfügbar seien.

Beim Städte- und Gemeindebund ist man skeptisch. Die Beschaffung und Versorgung der ganzen Bevölkerung sei binnen Wochen kaum zu schaffen, fürchtet Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg im Gespräch mit unserer Redaktion. Eventuell müsse man auch bei den Selbsttests „eine Priorisierung etwa für Kitas und Schulen vorsehen.“ Auch das müssen Bund und Länder rasch klären. (mit rl)