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Interview

Jens Spahn
„Die AfD freut sich, wenn es Deutschland schlecht geht“

Lesezeit 6 Minuten
Jens Spahn, stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender

Jens Spahn, stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender

CDU-Fraktionsvize Jens Spahn findet, die „staatspolitische Verantwortung“ gebiete eine Koalition mit Sahra Wagenknechts BSW. In der Asylpolitik fordert er einen Knallhart-Kurs.

Nach seiner Zeit als Corona-Gesundheitsminister ging Jens Spahn kurz in Deckung. Inzwischen gehört der 44-Jährige als Präsidiumsmitglied und Fraktionsvize wieder zu den Taktgebern der CDU. Sollte die Partei wirklich mit Sahra Wagenknecht koalieren? Im Interview mit Tobias Schmidt bezieht der CDU-Mann klare Positionen.

Herr Spahn, nach den AfD- und BSW-Triumphen bei den Wahlen steht nicht nur die Ampel vor dem Scherbenhaufen, auch die CDU bringt das Erstarken der Rechtsextremen und Populisten in Not. Trägt die CDU durch ihre Ampel-Kritik Mitverantwortung am Erstarken der Extremen?

Nein. Es sind das Unvermögen und der ständige Streit der Ampel, die AfD und BSW gedeihen lassen. Nur, weil die CDU so klar ist und weil Friedrich Merz nach dem islamistischen Terroranschlag in Solingen in der Debatte den Takt vorgegeben hat, konnte die AfD daraus keinen Profit vor den Landtagswahlen schlagen. Die CDU war letzten Sonntag doppelt so stark wie die ganze Ampel zusammen.

Die fundamentalen Schuldzuweisungen der Deindustrialisierung und des Kontrollverlustes bei der Zuwanderung haben der AfD und Sahra Wagenknecht nicht in die Hände gespielt?

Beides ist eine Zustandsbeschreibung. VW denkt über Standortschließungen nach! Unternehmen, die im Ausland investieren können, gehen ins Ausland. Die Industrie wandert ab, Jobs gehen verloren – und das maßgeblich wegen der Politik der Ampel. Und dass wir die irreguläre Migration nicht in den Griff bekommen, gilt leider für die letzten zehn Jahre. In den zurückliegenden zwei Ampel-Jahren wurde – Stichworte Bürgergeld, Staatsbürgerschaftsrecht und zusätzliche Klagemöglichkeiten gegen Abschiebungen – das Problem noch vergrößert. Die AfD freut sich klammheimlich, wenn es Deutschland schlecht geht. Wir dagegen bleiben nicht bei der Analyse stehen, sondern machen Vorschläge, um die Probleme lösen.

Hätte die CDU nicht auch in Thüringen gegen die AfD gewonnen, wenn ihr die Menschen abgenommen hätten, dass es mit der CDU wieder aufwärts geht?

Die CDU lag nach der letzten Wahl in Thüringen in Umfragen zeitweise bei 13 Prozent. Mario Voigt hat sie als stärkste demokratische Kraft wieder auf 23,6 Prozent geführt und kann Ministerpräsident werden. Das ist ein Erfolg.

Das Ziel kann er nur mit der Partei von Sahra Wagenknecht erreichen. Macht Sie der Protest nervös, den es in der CDU gegen eine Koalition mit dem BSW gibt?

Ich verstehe das Unbehagen. Ich kenne keinen Christdemokraten, der mit Euphorie auf die Gespräche schaut. Und ja, das liegt natürlich an Sahra Wagenknecht als Salon-Kommunistin. Eine entscheidende Frage ist: Wer bestimmt beim BSW in Sachsen und Thüringen? Die Spitzenkandidatinnen Sabine Zimmermann und Katja Wolf? Geht es um Landesthemen wie Bildung, Sicherheit, Abschiebungen? Dann gibt es programmatische Anknüpfungspunkte, um die Probleme gemeinsam zu lösen. Oder gibt Frau Wagenknecht aus dem Saarland die Weisungen? Das muss das BSW klären. Die staatspolitische Verantwortung gebietet, diese Gespräche offen zu führen. Es braucht stabile Regierungen gegen die AfD.

Was hätte Wolfgang Schäuble wohl zu der Aussicht gesagt, die CDU müsse mit Sahra Wagenknecht regieren?

Ich habe lange eng mit Wolfgang Schäuble zusammengearbeitet und bin sicher: Er hätte das in dieser Lage für richtig befunden, weil es um die politische Handlungsfähigkeit der demokratischen Institutionen geht.

Das BSW könnte bei einer Regierungsbeteiligung in den beiden Ost-Bundesländern über den Bundesrat Einfluss auf die Bundespolitik nehmen. Und genau das will Frau Wagenknecht. Kann die CDU das wirklich verantworten?

Wenn Sahra Wagenknecht eine Beteiligung des BSW an Landesregierungen als Hebel nutzen will, die deutsche Verteidigungs- und Ukraine-Politik zu beeinflussen, dann wird es nicht funktionieren. Es muss darum gehen, die Bundesländer gut zu regieren. Das wird sich erst in den kommenden Wochen zeigen. Michael Kretschmer und Mario Voigt wollen offen in die Gespräche gehen. Und dabei haben sie unsere volle Unterstützung!

Markus Söder hat nach den Wahlen ganz flott seine Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur der Union bekräftigt. Wäre er der bessere Kandidat als Friedrich Merz?

Markus Söder und Friedrich Merz sind beide erfolgreiche Parteivorsitzende, beide wären gute Kandidaten. Das ist eine gute Ausgangslage. Bald werden sie uns einen gemeinsamen Vorschlag machen.

Wer wäre Ihnen lieber?

Mir ist am wichtigsten, dass wir geschlossen in die nächste Wahl gehen. Friedrich Merz ist als CDU-Vorsitzender auch laut Markus Söder in der Favoritenrolle.

Der Plan sah vor, dass Friedrich Merz nach Erfolgen in Sachsen und Thüringen sagt: Ich mach's! Die Ergebnisse schienen dafür nicht gut genug. Wird die Brandenburg-Wahl für ihn zum Endspiel?

Die Brandenburg-Wahl wird zum Endspiel für Olaf Scholz. Verliert die SPD in einer ihrer letzten Herzkammern den Ministerpräsidenten, in dem Bundesland, in dem Olaf Scholz lebt und in dem er bei der Bundestagswahl antritt, dann ist das seine Niederlage.

Punkten will Merz mit einem Knallhart-Kurs in der Asylpolitik. Kann er das durchhalten?

Selbstverständlich! Weitere Gespräche mit Olaf Scholz und der Ampel machen nur Sinn, wenn wir absehbar zu Entscheidungen kommen, die endlich die irreguläre Migration Richtung null bringen. Unser Eindruck: Der Ampel fehlt der politische Wille. Für Placebo-Maßnahmen steht die CDU nicht zur Verfügung. Wir können nicht für etwas die Hand heben, das die Probleme nicht löst. Das wäre verantwortungslos und würde die Radikalen weiter stärken.

Was genau ist die Bedingung für weitere Gespräche mit der Ampel?

Die Ampel muss bereit sein, die deutschen Grenzen für irreguläre Migration zu schließen. Ohne eine solche Zusage machen weitere Gespräche keinen Sinn.

Das gilt auch für in Syrien oder Afghanistan verfolgte Christen oder Jesiden?

Würden die Dublin-Regeln umgesetzt, dürfte kein Asylsuchender über den Landweg an unseren Grenzen ankommen, weil jeder zumindest einen sicheren EU-Staat durchquert, wo er vorher seinen Antrag hätte stellen müssen. Und im Grundgesetz steht: Wer durch einen sicheren Drittstaat kommt, hat keinen Anspruch auf Asyl. Die Dublin-Regeln werden seit Jahren ignoriert. Viele EU-Länder sagen: Das ist euer deutsches Problem, denn die meisten Migranten wollen zu euch. Deswegen müssen wir jetzt das Signal an den Rest Europas senden: Damit ist Schluss, es geht nicht mehr!

Wenn Deutschland keine Asylsuchenden mehr aufnimmt, wird das zu Wut und Protest in anderen EU-Ländern führen, weil die Menschen ja weiter kommen.

Es wird dazu führen, dass alle Nachbarländer an ihren Grenzen genauso reagieren, im Ergebnis werden die EU-Außengrenzen für irreguläre Migration geschlossen werden. Das ist machbar, wenn der nötige Druck und der politische Wille da sind. Die Botschaft, jeder, der Europa erreicht, darf bleiben, muss aus der Welt. Wir müssen denjenigen Schutz gewähren, die ihn wirklich brauchen. Das geht am besten über die Aufnahme via Kontingente, in Zusammenarbeit mit den UN. Dann haben auch Frauen, Kinder und Ältere eine Chance. Das Recht des Stärkeren muss ebenso enden wie das Sterben im Mittelmeer. Dafür müssen wir aber die Kontrolle zurückgewinnen. Sonst halten wir das nicht durch und werden den Menschen nicht gerecht.