Der Kinderfußball soll in leistungsstarke Partnervereine verlagert werden, die sich in Kooperation mit dem 1. FC Köln um den jüngsten Nachwuchs kümmern sollen.
Neuausrichtung im Nachwuchsfußball1. FC Köln schafft U-8- bis U-10-Mannschaften ab
Der 1. FC Köln unterhält eines der erfolgreichsten Nachwuchsleistungszentren des Landes. Die Durchlässigkeit auf dem Weg in den bezahlten Fußball könnte kaum größer sein. 13 Spieler des aktuellen Profikaders sind am Geißbockheim ausgebildet worden. Dennoch stehen im Grüngürtel gravierende Veränderungen bevor. Wirtschaftliche Gründe sollen keine Rolle spielen.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) blickt bereits seit Jahren mit Sorge auf den Nachwuchsfußball. Der Gewinn des Doubles von Europa- und Weltmeisterschaft der U-17-Junioren im vergangenen Jahr könne darüber nicht hinwegtäuschen, Fehlentwicklungen seien unverkennbar. Es herrsche zu wenig Kreativität, zu wenig Spielfreude, aber vor allem zu viel Druck. Ein besorgniserregender Dreiklang. Von Leichtigkeit keine Spur.
Mit Ende der Saison 2027/28 soll der Kinderfußball beim 1. FC Köln Geschichte sein
Andere Nationen seien Deutschland in diesem Segment mindestens einen Schritt voraus, so die Bedenkenträger. Von der im Sommer gestarteten DFB-Nachwuchsliga erhofft man sich Besserung. Frei von Kritik ist aber auch das neue Modell nicht.
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Optimierungsbedarf sieht auch Lukas Berg vom 1. FC Köln. Der 31-Jährige leitet das Nachwuchsleistungszentrum und darf eher den progressiven Geistern im Klub zugerechnet werden. „Ja, es wird Veränderungen geben, die den Kinderfußball betreffen“, sagt Berg im Gespräch mit dieser Zeitung. Völlig überraschend kommt das nicht. Selbst bei den Champions-League-Teilnehmern RB Leipzig und Bayer 04 Leverkusen befindet sich der Kinderfußball in der Überarbeitung.
Die Korrekturen seien aus pädagogischer Sicht zwingend notwendig, findet Berg und „wir gehen sie mit voller Überzeugung an, um den individuellen Bedürfnissen von Spielern und Familien noch besser gerecht werden zu können und vor allem eine altersgerechte persönliche Entwicklung bei bestmöglicher Ausbildungsqualität im gewohnten Umfeld zu ermöglichen. Es wird ein langfristiges und durchaus anstrengendes Projekt. Aber eines, von dem wir glauben, dass es alternativlos ist und langfristig allen Beteiligten weit über den 1. FC Köln hinaus einen Mehrwert bringen wird.“
Zu dieser Erkenntnis seien Berg und seine Mitstreiter nach „vielen, langen und kontrovers geführten Gesprächsrunden“ gelangt. „Kinderfußball und Nachwuchsleistungszentrum in der aktuellen Form sind aus unserer Sicht nicht mehr vereinbar und die nachweislich vorherrschende Entkopplung aus dem gewohnten sozialen Umfeld von Kindern im Grundschulalter nicht vertretbar.“ Nicht selten kommen die enge Taktung der Trainingseinheiten und mitunter ein bis zwei Stunden dauernden Anfahrtswege de facto einem vollständigen Freizeitverlust gleich. Kindsein ist in dieser Kombination kaum möglich.
„In vollständiger Übereinstimmung mit allen Verantwortungsträgern haben wir deshalb die Entscheidung getroffen, beim 1. FC Köln in den drei Jahrgangsstufen von der U 8 bis zur U 10 kurz- bis mittelfristig keine Mannschaften mehr zu stellen.“ Die Mannschaften in diesem Altersbereich würden damit sukzessive auslaufen und nicht mehr am Spielbetrieb teilnehmen.
Bereits zur kommenden Spielzeit im Sommer 2025 wird der Klub somit keine Mannschaft der unter Achtjährigen mehr stellen. Mit Ende der Saison 2027/28 wäre der Kinderfußball beim 1. FC Köln Geschichte und der bisherige Trainings- und Spielbetrieb würde nicht mehr wie bisher stattfinden. Die dann mit den Zehnjährigen beginnende Nachwuchsarbeit ist beim Zweitligisten in Entwicklungs- (U 11 bis U 15) und Leistungsbereich (U 16 bis U 21) unterteilt.
Der Kinderfußball wird stattdessen in leistungsstarke Partnervereine verlagert, die sich in Kooperation mit dem 1. FC Köln und unter enger Begleitung um den jüngsten Nachwuchs kümmern sollen. Namen nannte Berg nicht. Mögliche Kandidaten könnten der SC West Köln und SV Bergisch Gladbach 09 sein, die bereits Partnervereine des 1. FC Köln sind. „Wir werden hierfür erhebliche Ressourcen aufwenden, um den Fußball in der Region, aber auch die Vereine selbst zu stärken“, betont Berg. Darüber hinaus werde die klubeigene Fußballschule ihr Angebot ausweiten. Angestrebt ist überdies eine flächendeckende Zusammenarbeit mit allen Grundschulen im Stadtgebiet. Erste Gespräche mit zuständigen Vertretern der Stadt Köln haben bereits stattgefunden.
Die räumliche Begrenztheit am Geißbockheim oder gar wirtschaftliche Überlegungen hätten nicht zu dem Paradigmenwechsel geführt. Auch bestehe kein Zusammenhang zwischen der Neuausrichtung im Kinderfußball und einem möglichen NLZ-Ausbau am Geißbockheim. Überdies seien auch Arbeitsplätze nicht gefährdet, versichert Berg. „Das Gegenteil ist der Fall. Wir werden im Kinderfußball keineswegs sparen, sondern unseren ohnehin schon enormen Einsatz in diesem Bereich personell wie finanziell weiter verstärken müssen, um unser Vorhaben umzusetzen. Wir werden neue Stellen schaffen müssen und den Fußball in der Region durch zahlreiche Aktivitäten unterstützen und über unsere Arbeit in den Partnervereinen vor Ort in der Breite eine bessere Ausbildungsqualität gewährleisten, wodurch wir uns noch bessere Ergebnisse in der Spitze versprechen.“
Genaue Zahlen zum bisherigen Investment nennt Berg nicht. Dem Vernehmen nach steckt der 1. FC Köln jährlich einen mittleren sechsstelligen Betrag in den Kinderfußball. Der Etat des gesamten Nachwuchsleistungszentrums dürfte im unteren zweistelligen Millionenbereich angesiedelt sein.
Das Beispiel Florian Wirtz zeigt, dass es keine Garantie für eine fortwährende Zusammenarbeit gibt
Dass durch den Wegfall der jüngsten Nachwuchsmannschaften dem Klub Spieler möglicherweise vorenthalten blieben, „ist nicht auszuschließen“, so Berg. Gleichwohl hat auch das Beispiel Florian Wirtz, der als Siebenjähriger zum 1. FC Köln kam und mit 17 Jahren zu Bayer 04 Leverkusen wechselte, gezeigt, dass es keine Garantien für eine fortwährende Zusammenarbeit gibt. Unabhängig von monetären Motiven seien Karrierepläne immer individuell zu betrachten, „so schmerzhaft es in unserem Fall gewesen sein mag“, sagt Berg.
Wirtz hatte den 1. FC Köln im Januar 2020 für eine Ausbildungsentschädigung in Höhe von geschätzten 200 000 Euro verlassen. Heute wird der Marktwert des Nationalspielers auf sagenhafte 130 Millionen Euro taxiert.
Dass es allerdings nur in Ausnahmefällen die eigenen U-8-Spieler bis nach ganz oben schaffen, belegt die aktuelle Statistik. Während Torhüter Jonas Urbig, Kölns Nummer eins, als Achtjähriger dem 1. FC Köln beitrat, wechselten die Stammkräfte Julian Pauli, Max Finkgräfe, Jan Thielmann, Damion Downs oder Tim Lemperle erst im Teenageralter und mitunter erst im Leistungsbereich zum FC.
Auch Bayer 04 Leverkusen setzt auf Kooperation mit regionalen Klubs
Neben dem 1. FC Köln stellen zunehmend auch andere Klubs die Rahmenbedingungen rund um den Kinderfußball auf den Prüfstand.
So auch Bayer 04 Leverkusen. Der Doublesieger wird seine Nachwuchsarbeit in diesem Altersbereich zur kommenden Saison über regionale Standorte abwickeln. Neben Eschweiler und Porz-Zündorf sollen zeitnah wohl noch drei bis vier weitere im Fußball-Verband Mittelrhein hinzukommen, an denen Bayer 04-Trainer von der U 8 bis zur U 10 vor Ort und bestenfalls in Heimatnähe der Spieler mehrmals pro Woche Trainingseinheiten leiten.
Die Reduzierung von Anfahrtszeiten und die persönliche Entwicklung im familiären Umfeld sind auch in dieser konzeptionellen Ausrichtung elementar. Zu regelmäßigen Wettkämpfen – stets für Bayer 04 – finden sich die Mannschaften an den Wochenenden zusammen. Das Konzept sieht überdies vor, eine Zusage vonseiten des Klubs für mindestens drei Jahre bis zur U 10 zu garantieren. Für diejenigen Spieler, die nach der U 10 keine Übernahme erhalten, stehen „viele starke regionale Alternativen zur Verfügung“, wie der Pressemeldung des Werksklubs zu entnehmen ist.
Ein sogenanntes Hybrid-Modell verfolgt indes RB Leipzig. Die Sachsen verbinden in diesem Altersbereich das traditionelle mit einem Geflecht aus Kooperationen. RB Leipzig behält also seine bewährte Struktur bei, intensiviert aber gleichermaßen in die Arbeit an der Basis.