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Interview

FC-Geschäftsführer Türoff
„Es war eine sehr intensive Zeit, mit allen Aufs und Abs“

Lesezeit 11 Minuten

Philipp Türoff

Der 1. FC Köln hat sich unter Philipp Türoff finanziell stabilisiert und strebt den Aufstieg an. Im Interview spricht er über die Herausforderungen und Entwicklungen im Verein seit seinem Amtsantritt vor über drei Jahren.

Herr Türoff, Sie sind jetzt länger als drei Jahre Geschäftsführer beim 1. FC Köln. Wie fühlt sich diese Zeit für Sie an?

Immer besonders. So wie im Moment. Für mich ist es das erste Mal 2. Liga und die damit verbundenen Hoffnungen und Ambitionen. Wenn Sie mich nach den ganzen drei Jahren fragen, ist schon einiges passiert. Es war eine sehr intensive Zeit, mit allen Aufs und Abs. Das zu erleben, anstatt es sich vorher in Theorie nur vorzustellen, ist eine völlig andere Geschichte. Es gehört einiges dazu, immer die Ruhe zu bewahren, Kurs zu halten und zu reagieren, um den Dingen gerecht zu werden. Da braucht es Fingerspitzengefühl, Erfahrung, gute Teams und Menschen, die genau das immer wieder einbringen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Inwiefern hat diese Zeit Sie in ihrer Wahrnehmung vom 1. FC Köln verändert?

Ich bin der Aufgabe beim FC offen gegenübergetreten. Als Finanzer bin ich eher ein analytischer Typ und mache mir schon vorher meine Gedanken, um mich bestmöglich auf Situationen vorzubereiten. Im Rückblick würde ich sagen, dass es mir in vielerlei Hinsicht gelungen ist, die Ruhe zu bewahren und vernünftige Entscheidungen zu treffen.

Und in anderer Hinsicht?

Es gab Momente, in denen ich dazugelernt habe. Ich bin ihnen offen begegnet und war darum bemüht, die Sache nach vorne zu bringen. Darum geht es, egal ob der FC hoch gewinnt, knapp verliert, hoch verliert oder knapp gewinnt. Hier ist es immer hoch aufgeregt. Aus jeder sportlichen Situation hier kann man ein Drama stricken. Mir macht es nach dreieinhalb Jahren immer noch sehr viel Spaß. Es ist hochmotivierend beim FC zu sein. Ich empfinde es als großes Privileg, an einer Sache zu arbeiten, die mir extrem viel Freude bereitet und mich bewegt.

Sie werden also noch lange beim FC bleiben?

Ich bin diesen Job auch aus Interesse am Sport angetreten und die Faszination hat sich nicht gelegt. Ich bin nicht nur hier, weil ich Fußball mag, sondern weil ich etwas bewegen und zum Positiven verändern möchte. Solange das möglich ist, bin ich voll dabei.

Da passt die Frage, was aus dem Sanierungsfall 1. FC Köln geworden ist?

Es ist ein Zeitpunkt erreicht, wo wir wirklich etwas verändert haben. Der 1. FC Köln steht heute finanziell nachhaltig besser da, als das vor drei Jahren noch der Fall war. Wir können noch kein Schlaraffenland ausrufen und es gibt noch wahnsinnig viel zu tun, aber wir sind aus gewissen Zwängen herausgewachsen und haben uns als Organisation weiterentwickelt. Darauf bin ich sehr stolz und wir sind gut beraten, mit dieser Situation verantwortungsvoll umzugehen.

Das bedeutet was?

Jeden finanziellen Handlungsspielraum, den wir jetzt haben, so einzusetzen, dass es den FC stärkt und ihn nicht einfach nur so erhält, wie er heute ist. Deswegen sind wir gut beraten, dass wir weiter sparsam mit unseren Mitteln umgehen, sie zielgerichtet einsetzen und an keiner Stelle wieder in irgendwelche Verhaltensweisen kippen, die andere Zustände herbeigeführt haben. Wir haben ein tiefes Verständnis von unserem Geschäftsmodell entwickelt und hier sind Menschen am Werk, die ihr Handwerk verstehen, die eine gemeinsame Richtung kennen, miteinander sprechen und daran weiterarbeiten. Wir können das, was auf Sicht auf uns zukommt, gut bewältigen und auf Veränderungen reagieren. Der 1. FC Köln ist gut aufgestellt.

Finanzielle Handlungsspielräume sollen in einem Fußballclub für eine positive sportliche Entwicklung sorgen. Wofür nehmen Sie Geld in die Hand?

Der FC ist aktuell ein Zweitligist, der oben mitspielt. Das ist in Anbetracht der Ausgangslage nach Transfersperre und Abstieg gut, aber nicht dauerhaft unser Anspruch. Wir wollen einen FC, der zur Bundesliga gehört und dort voll etabliert funktioniert. Darum müssen wir uns mit hoher Priorität kümmern. Es gibt ferner das Thema Infrastruktur mit einigen unbeantworteten Fragen, die die Zukunft des FC betreffen. Die Infrastruktur muss funktionieren und zu unseren Ambitionen passen. Das gilt auch für unsere digitale Infrastruktur.

War der Abstieg auf diesem Weg ein Rückschritt?

Die Antwort darauf muss Ja lauten. Bei der finanziellen Ausstattung der DFL-Clubs, die über die Medienerlöse als wesentlichem Treiber geregelt ist, wäre es in der Ersten Liga besser und leichter gewesen. Der Abstieg hat uns nicht aus der Ruhe gebracht, er hat aber Druck gemacht auf das Mannschaftsgefüge und den Aufwand, den wir unter der Transfersperre betreiben mussten, um die Mannschaft zusammen zu halten und wieder aufzurichten. Der finanzielle Aufwand war überschaubar, die motivatorische Aufgabe groß, das hat der Geschäftsbereich Sport unter Christian Keller gut hinbekommen.

Wie wirkt sich die 2. Liga auf das Geschäftsjahr 2024/25, nachdem der FC in den beiden vergangenen Jahren Gewinn gemacht hat?

Wir werden wieder einen Gewinn machen. Er wird höher ausfallen, als gedacht, weil wir zum einen im Pokal erfolgreicher gespielt haben, als kalkuliert, und den Transfer von Jonas Urbig zum FC Bayern verbuchen konnten. Dieser Wechsel stand im Gegensatz zu im Sommer bekannten und deshalb geplanten Erlösen, die sich durch den Transfer von Jeff Chabot zum VfB Stuttgart ergeben haben, nicht in unserer Planung. Das finanzielle Ergebnis dieses Zweitliga-Jahres wird relativ zu unseren Herausforderungen gesehen, sehr positiv ausfallen.

Was passiert mit den Urbig-Millionen?

Wir sitzen nicht mit losem Colt und schießen beliebig auf irgendwas, sondern wir werden das Geld überlegt einsetzen. Das ist einer von den Spielräumen, um zu sagen, wir gehen auch mal an gewisse Extras ran, die uns besonders weiterhelfen.

Sie müssen aber zweigleisig planen, weil der Wiederaufstieg noch in der Schwebe ist.

Wir haben von Anfang an sehr vernünftig in beiden Szenarien geplant. In unserer finanziellen Lage liegt der Fokus auf der Weiterentwicklung des Teams, um die Perspektive zu stärken, sich in der Bundesliga behaupten zu können. Sollte der Aufstieg nicht gelingen, stehen wir vor der Aufgabe auf Basis des Kaders, den wir haben, eine ambitionierte Truppe für das Thema Aufstieg im Folgejahr hinzustellen. In beiden Szenarien hat die sportliche Entwicklung allerhöchste Priorität.

Wie weit würden die beiden Etats auseinanderliegen?

Einen zweistelligen Millionenbetrag, der aber auch in dem aktuellen Vertragsstand abgebildet ist. Unsere Spieler haben Verträge mit Erstliga- und Zweitliga-Konditionen. Wir können im Aufstiegsfall einen konkurrenzfähigen Etat bereitstellen, könnten aber auch im Fall eines weiteren Zweitliga-Jahres wieder oben angreifen.

Der FC beschäftigt nach dem Abschied von Markus Rejek aktuell zwei Geschäftsführer. Braucht es einen Dritten im Bunde?

Ja. In der Größenordnung und Komplexität, in der wir unterwegs sind, ist es gut, wenn diese Personalentscheidung schnell gefällt wird. Wir stehen mit dem Aufbau unserer Eigenvermarktung ab 2026 vor einer fundamentalen Aufgabe. Für den Übergang bekommen wir das aber auch in der aktuellen Konstellation sehr gut gestemmt. Wir arbeiten mit Hochdruck und erfolgreich an den Geschäftsfeldern Marketing und Vertrieb, bis ein Nachfolger für Markus Rejek gefunden ist.

An welcher Stelle sind Sport-Geschäftsführer Christian Keller und Sie in den Auswahlprozess eingebunden?

Auswahl und Einsetzung sind Aufgaben des Vorstands. Aber wir sprechen natürlich miteinander und ich bin aufgefordert, meine Meinung einzubringen. Insofern gehe ich davon aus, dass das auch berücksichtigt wir, und dass die Geschäftsführer zusammengebracht werden, bevor abschließend entschieden wird. Ich nehme bislang einen gut strukturierten und professionellen Prozess mit sehr qualifizierten Kandidaten wahr.

Sie haben die Eigenvermarktung angesprochen. Was verspricht sich der 1. FC Köln von diesem einschneidenden Schritt?

Die Eigenvermarktung ist für die Partner vor allen Dingen ein direkter Draht zum FC. Je direkter der Austausch ist, desto direkter gehen auch die Impulse über. Wir sind als Organisation gewachsen und in der Lage, eigene Kapazitäten aufzubauen und erfolgreich Akquise zu betreiben. Die Eigenvermarktung birgt eine große Chance für den FC.

Die sich auch rechnet?

Wir müssen erst einmal in Personal investieren. Das ist aber ein Case, der sich schnell und gut rechnet. Wenn alles funktioniert, kann die Eigenvermarktung uns wirtschaftlich deutlich stärken.

Ein Stadionausbau könnte den Gewinn auch steigern…

Das haben wir immer im Hinterkopf, denn das Stadion ist bei der Vermarktung eine zentrale Säule. Und 20.000 bis 30.000 Zuschauer mehr pro Spiel wären neben einer nochmals imposanteren Kulisse auch ein großer finanzieller Mehrwert für den FC. Wir sind in der 2. Liga immer ausverkauft und könnten ein größeres Stadion vollmachen. Der Pachtvertrag, den wir gerade um zehn Jahre verlängert haben, enthält klar formulierte Absichtserklärungen für konstruktiven Austausch zum Thema Stadionerweiterungen. Das Thema hat aktuell aber nicht die höchste Priorität, vorher stehen dringlichere Infrastrukturprojekte am Geißbockheim auf der Agenda.

In diesem Zusammenhang, wie sehr beschäftigt den FC Thema „Südtribüne“, wo es regelmäßig zu Problemen aufgrund von Überfüllung kommt? Und welchen Anteil hat die Verlegung der KSS-Loge mit baulichen Erweiterungen an diesen Schwierigkeiten?

Das Thema ist bekannt und eines, das wir sehr ernst nehmen. Einzelne Wahrnehmungen von möglicher Überfüllung kommen in regelmäßigen Abständen vor und betreffen fast immer diese Kernbereiche auf der Südtribüne. Wir überprüfen das durch konkrete Messungen. Es gibt keinen Sachverhalt der ständigen Blocküberfüllung, aber eben diese Momentaufnahmen in einzelnen Bereichen. Das ist eine Frage der Organisation, dass die die eine entsprechende Karte besitzen, auch ihren Platz bekommen. Die Erweiterung um die Sitzplätze an der KSS-Loge ist dabei ganz eindeutig nicht das Problem, es ist eher eine Frage der Verteilung im Block. Aber natürlich können wir den Unmut von Menschen verstehen, die nun nicht mehr exakt an ihrem gefühlten Stammplatz stehen können.

Es soll dort aber zu massiven verbalen Auseinandersetzungen gekommen sein.

Dann wird hingegen eine Grenze überschritten. Da haben wir eine klare Verpflichtung, dem entgegenzuwirken. Man kann immer lernen, besser zu kommunizieren und im Rahmen dessen, was getan werden muss, noch bessere Lösungen zu finden.

Wo wir gerade auf der Süd sind, ist das Thema Pyrotechnik nicht weit. Das beschäftigt die Bücher des FC erheblich. Wie stehen Sie dazu? Die nächste große Rechnung des DFB aus dem Pokalspiel gegen Hertha BSC wird demnächst ins Haus flattern.

Ich durfte lernen, dass der ganze Fußball sich an diesem Fankulturthema mühevoll abarbeitet. Ich grenze es auch klar vom Thema Gewalt ab, aber von Pyrotechnik geht auch eine Gefahr aus. Wie stark sie im Einzelfall wirkt und wie man das Thema in den Griff kriegt, ist eine komplexe und große Frage. Hier beim 1. FC Köln haben wir an einigen Stellen gewaltig über die Stränge geschlagen. Die hohen Geldstrafen treffen uns hart und das müssen wir auch benennen. Das sind relevante Größenordnungen, die richtig weh tun. Ich habe hier bei dem Versuch die Finanzen des FC zu ordnen, auch große Schmerzen an anderer Stelle für deutlich kleinere Beträge ausgelöst. Da läuft nicht immer alles so, wie ich es gerne hätte. Wir arbeiten da immer wieder dran und ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir da alle gemeinsam, noch verantwortungsvoller werden.

Müssen Sie die Strafzahlungen eigentlich in Ihren Etatplanungen berücksichtigen?

Nicht konkret. Wir betreiben aber eine allgemeine Risikovorsorge für unvorhergesehene Dinge. Ich kann den Mitarbeitern ja nicht sagen: „Ich kann eure Gehälter nicht mehr bezahlen. Die haben wir jetzt in Feuerwerk investiert."

Eine Risikovorsorge hätte der FC auch beim Thema Transfersperre gut gebrauchen können. Ist das inzwischen verarbeitet?

Wir dürfen seit der Winter-Transferperiode wieder Spieler registrieren. Insofern liegt das Thema hinter uns. Was die interne Verarbeitung betrifft, hat wahnsinnig viel stattgefunden. Das ist auch verarbeitet, so dass es nicht wieder vorkommen kann. Im Hinblick darauf haben wir das Risikomanagement komplett überarbeitet und weiter formalisiert. Die Sperre hat einen Prozess in Gang gesetzt, der unsere Sensibilität und Wachsamkeit erhöht hat. Das macht uns stärker. Wir dürfen jedoch nicht so weit gehen, dass die ganze Unternehmung keinen Risikoappetit mehr hat, weil so kann man einen Stillstand auch herbeiführen.

Das FIFA-Urteil und die Sperre wurden nach einem Urteil des Europäischen Gerichthofs vorzeitig aufgehoben. Wie sieht es mit Schadenersatz aus? Immerhin ist der FC abgestiegen.

Wir haben noch nichts eingeklagt und es ist auch noch nicht abschließend entschieden, ob wir es machen. Was nicht an einer grundsätzlichen Bereitschaft liegt, die Dinge auch aufzuklären. Das Thema Schadensersatz ist aber sehr schwierig und komplex. Wir müssen uns zeitnah entscheiden. Auch mit der Fragestellung, was genau realistisch zu gewinnen ist und was von uns dafür an Energie und Kosten aufgebracht werden muss.

Zum Abschluss noch eine sportliche Frage für den Finanzer Philipp Türoff. Wie zuversichtlich sind Sie, dass der 1. FC Köln nächstes Jahr wieder in der Bundesliga spielt?

Wir sind voll im Spiel und biegen auf die Zielgeraden ein. Das heißt für mich als Sportler, dass es im Endspurt keinen Raum mehr für Zweifel gibt.

Wir stehen auf einem Tabellenplatz, auf dem wir nicht von anderen abhängig sind und wir haben eine junge, hochmotivierte Truppe, die dieses eine Ziel jetzt konkret vor Augen hat. Wenn mir nach dem Abstieg mit all seinen Herausforderungen jemand gesagt hätte, dass ich am heutigen Tag mit dem FC in einem solchen Szenario fiebern darf, dann hätte ich es gerne genommen.