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Im Rundschau-InterviewWie ein Mentalcoach die Kölner Haie aus der Krise bringen soll

Lesezeit 4 Minuten
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Ulf Wallisch (50) ist seit Beginn der laufenden DEL-Saison als Mentalcoach bei den Kölner Haien tätig. 

KölnDie Kölner Haie durchleben in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) eine der schwersten Krisen in ihrer Vereinsgeschichte und drohen erstmals seit 2015 wieder die Playoffs zu verpassen. Im Gespräch mit Tobias Carspecken befasst sich KEC-Mentalcoach Ulf Wallisch mit der psychologischen Seite des sportlichen Absturzes.

Herr Wallisch, die Kölner Haie haben durch 13 Niederlagen in Folge einen Vereins-Negativrekord aufgestellt. Haben Sie eine derart tiefe Krise schon einmal begleitet?

13 Niederlagen in Serie hatte ich noch nicht. Das ist eine Situation, die viele Fragen aufwirft und in der man beginnt, alles zu hinterfragen. Mir geht das auch persönlich nahe, weil es mir natürlich wichtig ist, mit dem KEC Erfolg zu haben.

Was ist an diesem Negativlauf so merkwürdig?

Wenn eine Mannschaft 13 Mal hintereinander verliert, dann sieht man in den Spielen häufig sehr genau, woran es fehlt. Es ist dann ein gravierender Leistungsunterschied feststellbar. Doch genau das ist bei uns nicht der Fall.

Wie können Sie helfen?

Ich sehe mich als Dienstleister. Die Spieler stecken derzeit in einem dunklen Tunnel. Meine Aufgabe ist es, ihnen das Licht am Ende des Tunnels sichtbar zu machen.

Zur Person

Ulf Wallisch (50) ist seit Beginn der laufenden DEL-Saison als Mentalcoach bei den Kölner Haien tätig. Der Österreicher lebt in Villach und ist gelernter Industriekaufmann. Später absolvierte er eine Ausbildung zum Zivilrechts-Mediator sowie eine Diplom-Ausbildung zum Mentaltrainer, Sportmentalcoach und Sport-Kinesiologen. Wallisch arbeitete mit KEC-Coach Mike Stewart bereits bei dessen vorherigen Stationen bei den Augsburger Panthern sowie den Fischtown Pinguins Bremerhaven zusammen. (cto)

Wie kann das gelingen?

Wenn ein Spieler meinen Raum verlässt, dann muss er sich besser fühlen. Ich versuche auf den verschiedensten Ebenen, Stress herauszunehmen und die eigene Verantwortung stärker und transparenter klarzumachen.

Wie offen sind die Spieler für Ihre Hilfe?

Meine Arbeit wurde von Beginn an gut angenommen. Ich sehe die Spieler nicht nur in ihrer Eigenschaft als Spieler, sondern auch als Mensch. Denn es geht den Spielern natürlich auch menschlich sehr nahe, wenn sie persönlich oder in der Gruppe nicht funktionieren. Da ist dieser Austausch sehr wichtig.

Sie beobachten auch das Training und die Spiele. Welchen Eindruck haben Sie?

Es ist positiv, dass die Spieler weiterhin hart arbeiten und versuchen, dranzubleiben und nicht aufzugeben. Denn an 13 Niederlagen in Folge kann eine Mannschaft schon mal zerbrechen.

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Ulf Wallisch

Worauf kommt es dann besonders an?

Das Wichtigste ist, dass die Kommunikation in der Kabine aufrechterhalten wird und dass es keine Grüppchenbildungen und Beschuldigungen gibt.

Und wie stellt die Situation bei den Haien dar?

Wir haben keine Konflikte, bei denen ich als Mediator einschreiten müsste. Jeder ist sehr selbstkritisch, genau das ist die richtige Einstellung.

Agiert das Team denn inzwischen einfach zu verkrampft?

Je schlechter es läuft, desto stärker nimmt man diese Negativerlebnisse als Rucksack mit nach Hause. Man arbeitet hart, man arbeitet präzise, aber es fehlt diese Lockerheit.

Welche Rolle spielt dabei das Abschalten?

Man sollte lernen, auch abseits des Eises so viel wie möglich im Hier und Jetzt zu sein und Sachen nicht zu zerdenken. Wenn ich meine Freizeit dazu nutze, schlecht zu analysieren, schlecht zu werten und schlecht zu denken, dann konditioniere ich mein Denken. Wenn ich mit diesem Denken wieder in die Halle komme und mich auf das Eis stelle, dann kann ich nicht erwarten, dass mein Gehirn mich genau jetzt in Ruhe arbeiten lässt. Mentale Arbeit beginnt also bereits weit abseits der eigentlichen Aufgabe.

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Ist dieses Abschalten erlernbar?

Ja, und zwar mit Disziplin. Das ist so, als wenn Sie als Nichtläufer zum Läufer werden wollen. Sie müssen über Wochen lernen, ihren Rhythmus zu finden. Sich in seinem Denken zu verändern, funktioniert genauso.

Wochenlang Zeit haben die Haie für die sportliche Wende allerdings nicht mehr.

Das macht die Sache noch ein bisschen anspruchsvoller.