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Ruppichterother Geschichten1986 entzweite die Kuhfladen-Krise Hatterscheid

Lesezeit 3 Minuten
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120 Kühe sorgten 1986 für Streit in Hatterscheid.

Ruppichteroth – 280 Menschen leben heute in Hatterscheid, aber kein einziges Rind lässt sich hier blicken. Das war vor 35 Jahren noch ganz anders. Damals wurden rund 120 Kühe durch das Dorf getrieben, und zwar mehrfach am Tag. Klar, dass die Straße mit dem Dreck der lieben Rindviecher gesprenkelt war und auch die parkenden Autos einige Spritzer abbekamen.

Das ärgerte eine Neubürgerin, die eine andere Vorstellung vom Landleben hatte. Als Lokalpolitikerin mobilisierte sie ihre Parteifreunde, eine separate Viehtrift zu beantragen. Das brachte die Bauern in Rage; ein „Kuhfladen-Krieg“ entbrannte, über den die Presse berichtete.

Was die Dörfler damals gar nicht witzig fanden, bringt heute die Leser des 24. Winterscheider Heimatjahrbuchs zum Schmunzeln. Autor Dieter Schmitz hat ins Gemeindearchiv geschaut und schildert anschaulich den Streit von einst, der die Politiker ein halbes Jahr lang beschäftigte. Die Dorfstraße werde nach jedem Durchmarsch der Herde „mit Besen, Schaufel oder Sägemehl“ gereinigt, verteidigten sich die Landwirte.

Unbefestigte Hauptstraße war Testpiste für Ford-Modelle

Schließlich wurde der SPD-Antrag zurückgezogen. Und auch die Neubürgerin zog irgendwann weg, die wohl erkennen musste, dass auf dem Land „die Hähne krähen und das Vieh getrieben wird“. „Schwelgen Sie mit uns in Erinnerungen“: Der Aufforderung kommt das Winterscheider Publikum sicher gern nach.

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Hat doch das Redaktionsteam um Peter Knecht und Joachim Schneppel auch für die 24. Ausgabe wieder eine bunte Mischung aus ernsten und heiteren Themen zusammengestellt.Über Streuobstwiesen, den Winterscheider Weiher oder Rollstuhl-Tischtennis wird berichtet, aber auch über die Rettungsaktion „Butter für ein Medikament“ kurz nach Kriegsende.

Staunen und Verblüffung sind dabei einkalkuliert: Wer weiß schon, dass die Hauptstraße – die demnächst aufwendig saniert wird – in den 1950er Jahren als Versuchsstrecke für die Autos von Ford genutzt wurde? Die Taunusmodelle wurden dort einer echten Belastung ausgesetzt, denn die Straße hatte noch keine Teerdecke. Und überhaupt, die Fahrer „rasten wie die Bekloppten“, auch über Schotter-, Feld- und Waldwege.

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Die Winterscheider Dorfstraße, damals noch ohne  Teerdecke, wurde in den 1950er Jahren als Teststrecke für Autos von Ford genutzt.

Dass arme Leute ihre Kinder nicht zur Schule schicken können, weil sie bei der Feldarbeit gebraucht werden, ist kein Phänomen in Entwicklungsländern. Das war im 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert auch im Bergischen Land so. Ein Artikel gibt Einblick in die Not der Fuhrleute, Tagelöhner und Kleinbauern, die meist in „elenden Hütten“ hausten, wie es in einem zeitgenössischen Bericht hieß.

An den „wohllöblichen Schulvorstand“ richteten zahlreiche Eltern die Bitte, Sohn oder Tochter aus der Schulpflicht zu entlassen. Sie mussten mithelfen, den Verdienst der Familie aufzubessern. Die kleinen Ackerflächen konnten meist die Familien nicht ernähren, so musste der Vater noch in der Fabrik arbeiten.

In der NS-Zeit war das Hakenkreuz der Maifeier aus Blumen gesteckt

Feste wie die Maifeiern setzten solch einem harten Leben Glanzpunkte auf. Wie sich dieses Fest zur NS-Zeit gestaltete, darüber gibt ein Bericht des verstorbenen Rektors Karl Schmitz Aufschluss. Das Hakenkreuz war aus Blumen zusammengesetzt, und die Maikönigin hielt eine Ansprache in Versen, die Treue gelobten: zum „Führer und seinem Reich“, zum „Blute, das in uns fließt“ und der „Scholle, die für uns sprießt“.

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Die Winterscheider Maigesellschaft feierte 1937 unter dem Hakenkreuz.

Nebenbei erfährt man, dass an den „Häusern von unartigen, minder beleumdeten, sich unbeliebt gemachten Mädchen Häcksel gestreut“ oder ein Lumpenmann ans Fenster gestellt wurde. Immerhin, Anfang der 1950er Jahre durften die jungen Winterscheiderinnen schon etwas mutiger aus der Reihe tanzen und „Kurahsch“ (Courage) zeigen, wie aus dem Mundart-Beitrag von Hedwig Happ und Luzie Guth herauszulesen ist, die von einem ungewöhnlichen „Pengsteiersöngen“ berichten.

Das Jahrbuch Nr. 24 des Heimatvereins Winterscheid ist für sieben Euro erhältlich beim Feierabendmarkt am Weiher am 1. und 15. Juli ab 15 Uhr, bei Kreissparkasse und VR-Bank.