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Leverkusener Brücken-Gegner nach Urteil„Wir sind alle verarscht worden“

Lesezeit 4 Minuten
  1. Das Bundesverwaltungsgericht hat am Mittwoch grünes Licht für den Neubau der Leverkusener A1-Brücke gegeben.
  2. Dem Bauherrn wurden keinerlei Auflagen erteilt.

Leverkusen – Irgendwie geht alles schief an diesem Tag. Der Beamer funktioniert nicht, die Internet-Verbindung ist wackelig, der O-Ton aus dem Gerichtssaal in Leipzig, den Manfred Schröder organisiert hat, kommt nicht zustande. „Ich erfahre gerade, dass die Urteilsverkündung nicht auf Band mitgeschnitten werden darf“, sagt der Sprecher des Netzwerks gegen Lärm, Feinstaub und andere schädliche Immissionen (NGL), das gegen den Neubau der Rheinbrücke geklagt hatte. Gespannt warten Schröder und seine Mitstreiter am Mittwochmorgen im „Haus am Park“ in Leverkusen auf die Entscheidung des 9. Senats des Bundesverwaltungsgerichts.

Es ist kurz nach zehn, als per Twitter die Nachricht in die Runde platzt. Klage abgewiesen, in allen Punkten. Entsetzen, Unverständnis. „Wir sind alle verarscht worden“, entfährt es Schröder, der aus dem Stand eine „eindeutige Schuldzuweisung an unsere Stadtführung“ anfügt: „Die saßen von Anfang an mit im Boot. Unser Oberbürgermeister Uwe Richrath (SPD) eingeschlossen. Und wir müssen jetzt die Auswirkungen tragen.“

Kern des Vorwurfs ist ein Schreiben des Ministerialrats Michael Heinze an den damaligen Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) aus dem November 2015, das der „Kölner Stadt-Anzeiger“ schon im Januar öffentlich gemacht hatte und in dem die Tunnellösung ausgeschlossen wurde. „Unser damals frisch gewählter Oberbürgermeister Uwe Richrath war bei dem Verkauf der Leverkusener Interessen mit am Tisch.“

Gericht zog keine externen Sachverständigen hinzu

Wolfram Sedlak, der das Netzwerk als Rechtsanwalt vor dem Bundesverwaltungsgericht vertreten hatte, kann die Enttäuschung nachvollziehen. Vom Grundsatz her habe er das Urteil erwartet. Dass das Gericht dem Bauherrn aber keinerlei Auflagen erteilt habe, sei schon überraschend. „Wir haben ja Erfahrungen mit Großbauprojekten in Deutschland, mit Kostenexplosionen und enormen Zeitverzögerungen. Großflughafen in Berlin, Elbphilharmonie in Hamburg, U-Bahn-Tunnel und Opernbau in Köln. Allen ist gemeinsam, dass sie unter großem Zeitdruck nicht sorgfältig genug geplant worden sind.“ Das Gericht habe keinen externen Sachverständigen angehört und sich so kein neutrales Bild machen können. „Diesen Zeitverzug hätte man in Kauf nehmen müssen.“

Sedlak wagt eine düstere Prognose. „In den nächsten sechs bis zehn Jahren wird hier ein absolutes Verkehrschaos entstehen.“ Die Bürgerinitiativen hätten das Bauvorhaben nicht blockiert, sondern Alternativplanungen von Experten erarbeiten lassen. „Innerhalb von drei Jahren hätte man die alte Rheinbrücke Instandsetzen und parallel den Tunnel planen und bauen können.“

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Alles Schnee von gestern: Im Düsseldorfer Landtag skizziert Elke Sauerwein-Braksiek, Chefin von Straßen NRW, am Mittag den Zeitplan für den Neubau: Im November werden auf Kölner Seite die Rodungen beginnen. Im Kreuz Leverkusen-West wird ein Regenrückhaltebecken gebaut. Im Frühjahr 2018 beginnt der Umbau des Kreuzes, der Ausfahrt Niehl und des ersten Brückenteils. Ende 2020 soll der fertig sein, 2021 wird das alte Bauwerk abgebrochen und in zwei Jahren der zweite Neubauteil entstehen. Auf dem Papier ist das alles durchgetaktet.

Brücken-Gegner wollen weitermachen

Die Brücken-Gegner wollen – obwohl sie sich untereinander nicht grün sind – weitermachen. Knapp drei Kilometer entfernt, in der „Wacht am Rhein“, macht Karl Lauterbach seinem Ärger über das Urteil Luft. „Hier in Leverkusen kann sich kein Politiker hinter der Entscheidung von Leipzig verstecken. Die gesamte Feinstaub-Problematik hat beim 9. Senat doch keine Rolle gespielt“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete, der sich mit Erhard Schoofs, dem streitbaren Fraktionschef der Bürgerliste, getroffen hat. Eine umweltverträgliche Lösung sei immer noch möglich.

„Das Gericht hat ja nicht entschieden, dass die Brücke gebaut werden muss, sondern nur, dass so gebaut werden darf.“ Die ersten Bauarbeiten seien frühestens im Februar 2018 zu erwarten. „Bis dahin muss der Bund entscheiden, ob der geforderte Tunnel zwischen Köln-Niehl und dem Autobahnkreuz Leverkusen nicht doch geprüft wird.“ Er habe Landesverkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) schon um einen Termin gebeten.

Den kann er wohl absagen. Am Mittag tritt ein sichtlich gut gelaunter Wüst im Landtag vor die Medien und spricht von „einem guten Tag für Nordrhein-Westfalen“. In Leverkusen sieht man das völlig anders. Die verschiedenen Bürgerinitiativen müssen erstmal die Wunden lecken. Und ihre Streitereien beenden, wenn sie überhaupt noch etwas reißen wollen.