Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist „sehr besorgt“, der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, „sehr beunruhigt“ und in den Kliniken steigt die Gefahr von Engpässen. Der sprunghafte Anstieg der Corona-Fallzahlen in Deutschland hat Politik und Medizin alarmiert. Gleichzeitig sprechen aber auch alle Experten davon, keine Panik verbreiten zu wollen. Spahn sagt zum Beispiel, er sehe Deutschland für den Winter gut gerüstet gegen die Pandemie. „Das Gesundheitssystem kann sehr gut damit umgehen.“ Das gilt auch für das südliche Rheinland. Dazu nun Fragen und Antworten.
Wie ist die Situation in den Kliniken vor Ort?
„Wir haben derzeit keinen Patienten, der wegen Covid-19 stationär aufgenommen worden ist und beatmet werden müsste“, sagt Katharina Müller-Stromberg, Sprecherin des Bonner Gemeinschaftskrankenhauses. Auch am Bonner Uniklinikum (UKB) ist die Lage noch entspannt. Auf den Intensivstationen würden derzeit sechs mit Covid-19 infizierte Patienten behandelt, teilte der Ärztliche Direktor, Professor Wolfgang Holzgreve, mit.
Und wenn sich die Lage verschärfen sollte
Im UKB gebe es 130 Intensivbetten, auf bis zu 200 könne aufgestockt werden. „Auch wenn das UKB zurzeit im Normalbetrieb funktioniert, sind wir auf einen möglichen Anstieg der Infektionszahlen und Covid-19-Patienten sehr gut vorbereitet“, sagt Holzgreve. Eine Task Force, die schon im Frühjahr eingerichtet wurde, trete weiterhin zusammen und könne schnelle Entscheidungen treffen. Auch im Frühjahr sei das UKB zu keinem Zeitpunkt an eine Kapazitätsgrenze gekommen, so Holzgreve.
Wie ist die Situation in Köln?
Auch nicht dramatisch. In der ganzen Stadt stehen 479 Intensivbetten zur Verfügung, 399 sind belegt. 27 Covid-19-Fälle befinden sich in intensivmedizinischer Behandlung, 14 davon werden invasiv beatmet. Die Intensivbetten in der Kölner Uniklinik sind nahezu komplett ausgelastet. „Wir sind aufgrund vorliegender Notfallkonzepte aber gut vorbereitet, unsere Behandlungskapazitäten unter Extrembedingungen kurzfristig um mehr als 50 Prozent steigern zu können“, sagt ein Sprecher der Uniklinik. Die Zahl der Patienten mit Covid-19 in stationärer Behandlung sei seit Wochen stabil und etwas höher als im Sommer.
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„Wenn sich Engpässe andeuten sollten, werden wir überlegen müssen, ob wir den Normalbetrieb zugunsten der Covid-19-Patienten wieder etwas einschränken müssen.“ An den drei Standorten der Kliniken der Stadt Köln sei die Belegung der Intensivbetten laut einer Sprecherin aktuell kein Problem. Die Kliniken seien gut auf die Situation eingestellt, auch weil das Wissen über die Infektion größer sei als noch im Frühjahr.
Wie sieht es in Nordrhein-Westfalen insgesamt aus?
Nach Angaben der NRW-Landesregierung wurden am Donnerstag 535 Covid-19-Patienten in Kliniken behandelt – vor einem Monat waren es nur 190. 136 Patienten lagen auf der Intensivstation, 75 von ihnen mussten beatmet werden. Die Kliniken seien gerüstet, um im Notfall noch deutlich mehr Patienten zu behandeln. Aktuell gebe es 5721 Intensivbetten, in denen die Patienten auch beatmet werden könnten, 1395 davon seien im Moment nicht belegt. Beim bisherigen Höhepunkt der Pandemie Mitte April waren in den NRW-Krankenhäusern zeitweise mehr als 2000 Corona-Patienten gleichzeitig behandelt worden, knapp 600 mussten in der Spitze beatmet werden.
Ist Deutschland für eine zweite Welle gut vorbereitet?
Die Krankenhausbetreiber sagen Ja. „Die Kliniken verfügen über die höchsten Intensivbettenkapazitäten in Europa. So sind wir in der Lage, innerhalb kurzer Frist mindestens 12.000 weitere Intensivbetten zu aktivieren“, sagt der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß. Grund dafür sei, dass man in der ersten Welle wertvolle Erfahrungen im Umgang mit Covid-19 gesammelt habe und jetzt viel zielgenauer und schneller reagieren könne.
Was gibt es in den Herbstferien zu beachten?
Die Herbstferien stehen vor der Tür. Viele Familien aus dem Rheinland haben schon eine Reise gebucht, zum Beispiel in die niederländische Provinz Zeeland, in der die Infektionszahlen aber auch in die Höhe schnellen. Was ist, wenn Zeeland in der Zeit Risikogebiet wird, in der die Familien dort sind?
„Sie müssen ihren Aufenthalt in einem Risikogebiet unverzüglich dem heimatlichen Gesundheitsamt melden und sich unverzüglich nach der Einreise in NRW auf direktem Weg in die eigene Häuslichkeit oder eine andere geeignete Unterkunft begeben und sich für einen Zeitraum von 14 Tagen nach ihrer Einreise ständig dort absondern“, sagt ein Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums. Sie dürften keinen Besuch empfangen, der nicht ihrem Hausstand angehört. „Es sei denn: Sie sind symptomfrei und legen einen negativen Covid-19-Test vor, der bei Einreise nicht älter als 48 Stunden ist. Maßgeblich für den Beginn der 48-Stunden-Frist ist der Zeitpunkt der Feststellung des Testergebnisses.“
Und wenn eine Familie in eine Region reisen möchte, die schon Risikogebiet ist?
Es bestehe kein Reiseverbot, heißt es aus dem Ministerium weiter. „Allerdings sollten Reisen in Risikogebiete gründlich überdacht werden.“ Ansonsten gelten bei der Einreise die bereits erwähnten Bedingungen. Die Frage der Erstattungen von Reisekosten sei stets eine reisevertragliche und daher mit dem jeweiligen Reiseveranstalter zu klären, fügt der Ministeriumssprecher hinzu.
Nun gibt es ja auch Risikogebiete im Inland und demzufolge Beherbergungsverbote für Einwohner aus diesen Regionen.
Was, wenn der Urlaub längst gebucht und bezahlt ist?
Fallen dann Stornierungskosten an? Oder kann man gar zu einem Corona-Test gezwungen werden, weil bei einem negativen Testergebnis das Beherbergungsverbot nicht gilt?
Beate Wagner, Reiseexpertin der NRW-Verbraucherzentrale, ist diesbezüglich skeptisch. „Ich denke nicht, dass daraus ein Zwang zum Testen entstehen kann“, sagte sie. „Wer sollte einen auch zwingen, etwa der Vermieter?“ Zugleich hätten Reisende aber nicht automatisch das Recht, eine Ferienwohnung oder ein Hotel kostenfrei zu stornieren. „Wenn es ein klares Beherbergungsverbot gäbe, könnten sich Reisende darauf berufen, dass der Aufenthalt am Zielort ja gar nicht möglich ist. Entsprechend müssten sie wohl auch keine Kosten tragen.“ Weil aber die Möglichkeit des Negativtests bestehe, stelle sich die Frage, ob man unter den Umständen überhaupt noch reisen will und falls ja, ob daraus eine Pflicht entsteht.
Und was ist mit den Kosten für den Test?
Wer die Reise antreten möchte und dafür ohne Symptome einen Corona-Test benötigt, muss den Test aus der eigenen Tasche bezahlen. Gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten in der Regel nicht. Pro Person sind das rund 120 Euro für die Laboranalyse und rund 20 Euro für den Abstrich beim Arzt. Hinzu kommt, dass der Termin so gelegt werden muss, dass das Ergebnis zwar rechtzeitig vor Abreise aber bei Ankunft nicht älter als 48 Stunden ist, nachdem das Labor das Ergebnis ermittelt hat. Wem das zu teuer oder riskant ist, sollte mit seinem Vermieter im Vorfeld der Reise sprechen. „Günstig wäre es für beide Seiten, wenn sie schriftlich eine Kulanzregelung vereinbaren, wonach ein kurzfristiges Stornieren der Reise oder ein Verschieben auf andere Termine möglich wird“, sagt Wagner. Denn es handele sich um juristisches Neuland, das erst Gerichtsurteile brauche, um Klarheit zu schaffen.