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BevölkerungDer Kreis Euskirchen trotzt den Prognosen und knackt die  200.000er-Marke

Lesezeit 6 Minuten
Viele Menschen laufen durch die Euskirchener Fußgängerzone.

Aus vielen Ichs wird ein Wir: Noch nie lebten so viele Menschen im Kreis Euskirchen – nämlich mehr als 200.000.

Der Kreis Euskirchen wächst entgegen der bisherigen Prognosen. Landrat Markus Ramers sieht mehrere Gründe und benennt Herausforderungen.

Nein, ein Baby kann Landrat Markus Ramers nicht präsentieren, das symbolisch für einen Meilenstein in der Geschichte des Kreises Euskirchen steht. Es gibt nämlich nicht den einen Moment. Es war ein eher schleichender Prozess. Einer, den Bevölkerungsentwicklungsexperten vor einigen Jahren noch ganz anders prognostiziert hatten. Sie hatten einen Rückgang der Bevölkerung im Kreis Euskirchen vorhergesagt. Doch Pustekuchen.

Irgendwann im Januar, so ganz still und heimlich, hat der Kreis Euskirchen die 200.000-Einwohner-Grenze überschritten. So hat es das Landesinstitut IT.NRW zumindest in seiner Fortschreibung der Bevölkerungsentwicklung ermittelt. Demnach lebten im Februar 200.227 Menschen im Kreis Euskirchen – 99.414 Männer und 100.813 Frauen.

Kreis Euskirchen überschreitet „magische Grenze“

„Es gab immer zwei Prognosen. Wir werden älter und wir werden weniger“, sagt Landrat Ramers. Die erste Prognose sei vollumfänglich eingetreten, die zweite nicht. „Seit ich politisch aktiv bin, drehen sich viele Fragen um die demografische Entwicklung“, so der Landrat: „Nun zeigen die Prognosen, dass wir im Kreis Euskirchen älter und in den kommenden Jahren eher mehr werden.“

Es sei nämlich nicht nur IT.NRW, das dem Kreis Euskirchen statistisch ein Wachstum bescheinigt, sondern auch die Bertelsmannstiftung. Die wiederum setzt in ihrer Prognose noch einen drauf. Ramers: „Sie geht davon aus, dass wir nach der Stadt Köln in NRW das Gebiet sind, das bis 2040 den größten Bevölkerungszuwachs haben wird.“

Das zeige, dass der Kreis Euskirchen zum Leben und zum Arbeiten „hoch attraktiv“ sei. Damit, dass im Kreis Euskirchen nun mehr als 200.000 Menschen leben, sei eine „magische Grenze“, wie der Landrat es formuliert, geknackt worden.

Migration und attraktivere Bedingungen für Familien

Natürlich spiele auch die Migration in der Bevölkerungsentwicklung eine Rolle. Aber die gebe es in anderen Teilen Deutschlands auch. „Im Kreis Euskirchen ist modernes Landleben möglich. Wir haben hier alle Vorteile was Naherholung, Dorfleben, Vereinsleben und Natur angeht. Aber wir haben eben auch sehr viel Modernität entwickelt“, so Ramers. Als Beispiel für diese Entwicklung bringt er das Thema Glasfaser und Breitbandausbau an. So mache den Kreis Euskirchen auch die Tatsache attraktiv, dass man gar nicht so nah an der Arbeitsstelle leben müsse, weil eben auch viel aus dem Homeoffice zu erledigen sei.

Und hier werden eben andere Miet- und Baupreise aufgerufen als beispielsweise in Köln. Zudem verfüge der Kreis über eine gute Infrastruktur bei Schulen, Kitas und Bildungseinrichtungen. „Das macht den Kreis auch für Familien attraktiv“, erklärt der Landrat.

Gesundheitsversorgung und Mobilität sind große Herausforderungen

Mit dem Zuwachs gehen auch zahlreiche Hausaufgaben einher, die die Städten, Gemeinden und der Kreis angehen müssten, so Ramers: „Wir müssen weiter an Mobilitätsangeboten arbeiten. Wir müssen weiter in Infrastruktur investieren. Wobei das beispielsweise bei der Kinderbetreuung in Zeiten des Fachkräftemangels mehr als schwierig ist. Da sehe ich große Herausforderungen auf uns zukommen.“

Eine weitere große Herausforderung sei die Gesundheitsversorgung – egal, ob im Bereich der Kinderärzte, bei den Hausärzten, in der Pflege oder der Situation bei den Krankenhäusern sowie der Notfallversorgung im Kreis Euskirchen. Ein Instrument, das den Menschen hierzulande zugute komme, sei die bereits eingesetzte Telemedizin.

Teledoc-Stationen sollen Notruf im Kreis Euskirchen entlasten

In einem Flächenkreis seien Hausbesuche für Ärztinnen und Ärzte im Alltag kaum noch möglich. In der Praxis bedeutet dies etwa, dass Pflegeheime zur Abklärung einer medizinischen Situation oft den Notruf wählen und die Bewohner ins Krankenhaus gebracht werden müssen.

In einigen Einrichtungen sind bereits sogenannte Teledoc-Stationen im Einsatz: Via Internet werden Verbindungen zu einem Arzt hergestellt – und manch ein Krankenhausaufenthalt kann laut Ramers vermieden werden. Zudem werden die Bewohner durch ihnen vertraute Personen beraten und untersucht und können in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Die Rückmeldungen aus Ärzteschaft und Einrichtungen seien sehr positiv.

Der Landrat sagt aber, dass nicht nur in Technik, sondern auch in Menschen investiert werden müsse. Da könne die „magische Grenze“ durchaus eine Rolle spielen. „Wir werden noch attraktiver für Menschen, die in Fachberufen unterwegs sind. Die müssen wir für uns gewinnen – beispielsweise durch noch mehr Standortmarketing und persönliches Kümmern“, sagt er: „Das sind mitunter langfristige Dinge – wie der potenzielle Arzt, der aus der Region kommt und nach dem Studium in den Kreis zurück will.“

Markus Ramers: Die jetzigen Zahlen müssen in Regionalplan einfließen

Die Voraussetzungen, um solche Menschen im Kreis zu halten oder sie zurückzugewinnen, seien gut. Aber sie sollen, geht es nach dem Landrat, noch besser werden. Dafür will er mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern bei der Bezirksregierung werben. Die erstellt nämlich gerade einen neuen Regionalplan, in dem beispielsweise die Anzahl von Baugebieten oder Gewerbeflächen festgelegt wird. „Erstellt wird der Regionalplan aber basierend auf älteren Zahlen. Da hatten wir im Kreis einige 1000 Menschen weniger. Die jetzigen Zahlen und Vorhersagen müssen in den Regionalplan einfließen, um der Zukunft gerecht zu werden“, so Ramers.

Kurzfristig könnte sich laut Ramers an den offiziellen Zahlen etwas ändern. Die Zahlen vom Zensus 2022 sollen bis Herbst in die Prognosen des Landes eingerechnet werden. Derzeit rechnet IT.NRW auf Basis des Zensus aus dem Jahr 2011. Die bereits vorliegenden Werte vom Zensus 2022 liegen jedoch schon über den Prognosen von 2011. Und seitdem sind noch einmal zwei Jahre vergangen.

Zensus-Zahlen könnten sich auf Kommunen auswirken

Ist's dann wieder vorbei mit den 200.000? Nein, sagt Ramers: „Wir werden auch mit neuen Zensus-Zahlen nicht unter die 200.000-Einwohner-Marke fallen. Eher steigen wir noch ein bisschen und haben die Grenze vielleicht sogar schon im Dezember 2023 geknackt.“ Offiziell betrug die Einwohnerzahl am 31. Dezember 2023 nämlich 199.828.

Es könnt aber sein, so Ramers, dass die Zensus-Daten sich auf die einzelnen Kommunen auswirken. So könnte die Stadt Euskirchen wieder unter die 60.000-Einwohner-Grenze rutschen. Mit Blick auf die (geplanten) Baugebiete der Kreisstadt, etwa das Quartier für 3500 Menschen in der City-Süd, sei das aber nur eine Momentaufnahme. Ansonsten sei im Kreis überall Wachstum zu verzeichnen.

Wachsen wird auch das Gehalt des Chefs der Kreisverwaltung, sollte der Kreis Euskirchen dauerhaft mehr als 200.000 Einwohner haben. Dann wird der Landrat nämlich nach B7 der Besoldungstabelle des Landes NRW bezahlt. Laut Land sind das 10.803,17 Euro brutto pro Monat – und gut 520 Euro mehr als bisher in der Stufe B6.


Keine Auswirkungen auf Wahl 2025

Mittelfristig könnte die neue Einwohnerzahl von 200.000 auch Auswirkungen auf die Größe des Kreistags haben. Für die Kommunalwahl 2025 wird das laut Landrat Markus Ramers aber nicht der Fall sein, weil dafür der Stichtag 31. Dezember 2023 relevant ist.

Und da hatte der Kreis IT.NRW zufolge noch 199.828 Einwohner. Sollte der Kreis aber vor der danach kommenden Kommunalwahl mehr als 200.000 Einwohner haben – wovon die Prognosen ausgehen – muss sich die Kreispolitik mit diesem Thema beschäftigen.