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Brief an Hendrik WüstBad Münstereifel bittet Land NRW, Geflüchtete gezielter zuzuweisen

Lesezeit 6 Minuten
Das Symbolbild zeigt Kinder von hinten, die durch eine Geflüchtetenunterkunft gehen.

Viele Kommunen haben Probleme, Geflüchtete in der nach dem Aufnahmegesetz geforderten Menge unterzubringen.

Bei der Unterbringung Geflüchteter in Turnhallen war für Bad Münstereifels Bürgermeisterin eine Grenze erreicht. Jetzt wendete sie sich an Hendrik Wüst.

Für Sabine Preiser-Marian war kurz vor Weihnachten eine Grenze erreicht. In Bad Münstereifel wurde tatsächlich über die Unterbringung Geflüchteter in Turnhallen diskutiert. Ein Notfallszenario, das gar nicht soweit entfernt war, weil die Stadt theoretisch noch mehr als 200 Menschen unterbringen müsste, obwohl die Unterbringungsmöglichkeiten das kurz- und mittelfristig nicht hergeben.

„Die Diskussion ist der Politik nicht leichtgefallen“, sagt die Bürgermeisterin (CDU). Und auch sie finde es „sehr schlimm, wenn wir über Hallenbelegungen nachdenken müssen“, weil Schulen, Karnevalsgesellschaften und Sportvereine die Leidtragenden wären – und die Geflüchteten selbst. Denn Vereine sind oft ein Auffangbecken für Geflüchtete und leisten wertvolle Integrationsarbeit.

Für uns als Verwaltung ist die Unterbringung von Geflüchteten eine Herausforderung, die wir in dieser Dimension personell nicht abgebildet bekommen.
Ingo Pfennings (CDU), Bürgermeister Schleiden

Nicht nur das: „Viele Menschen haben immer noch psychische Probleme durch die Flutkatastrophe. Und gerade für die Psyche der Kinder ist es nicht gut, wenn sie jetzt wieder auf etwas verzichten müssten“, so die Bürgermeisterin. Darüber hinaus seien infolge der Flut immer noch nicht alle Hallen wiederhergestellt. Aus dem gleichen Grund seien auch noch nicht alle Unterkünfte für Geflüchtete und Obdachlose verfügbar. Hinzu kommt, dass es kaum städtische Grundstücke gibt, auf denen beispielsweise Container errichtet werden könnten. Geplant sind eine Containeranlage am Bendenweg in Iversheim sowie eine Unterbringung im Hotel Sonnenhof. Ein Dilemma.

Sabine Preiser-Marian befand sich nach eigener Aussage in einer Situation, wegen der sie sich per Brief an ihren obersten Ansprechpartner wendete: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Ihm teilte sie die Probleme der Stadt mit. Ihn bat sie um eine situationsgerechte Anpassung der Verteilmechanismen. Eine Antwort steht aus, werde aber derzeit erstellt, hat die Stadt aus der Staatskanzlei erfahren.

Bürgermeisterin wendet sich an NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst

Wie sich zeigt, ist es kein reines Problem der Kurstadt, auch andere Kommunen im Kreis ächzen unter der Last. Allerdings zeigt sich auch, dass man in der Not zusammenhält. In Euskirchen beispielsweise hat man derzeit freie Plätze. Der Grund: In der Kreisstadt gibt es eine Landeseinrichtung, in der 500 Menschen untergebracht werden können.

Diese Zahl wird seit dem 1. Dezember voll auf das Soll angerechnet (zuvor nur zu 50 Prozent), wodurch es in Euskirchen nun sogar Platz für weitere Geflüchtete gibt. Die Stadt hat nicht nur der Gemeinde Swisttal im Rhein-Sieg-Kreis, die ebenfalls über die Unterbringung in Turnhallen diskutiert hat, Hilfe angeboten, sondern auch Bad Münstereifel. Rund 40 Plätze könnte die Kurstadt nutzen – allerdings nur zeitlich begrenzt für rund sieben Monate, wie Sabine Preiser-Marian mitteilt.

Rein rechnerisch verfügt Euskirchen aktuell über 164 freie Plätze. Allerdings ist das nur eine theoretische Zahl – wie generell auch die Tatsache, dass es akuten Mangel gibt, eher theoretischer Natur ist, denn so werden beispielsweise in Bad Münstereifel nicht auf einen Schlag rund 200 neue Geflüchtete vor der Rathaustür stehen.

Es ist sehr schlimm, wenn wir über Hallenbelegungen nachdenken müssen.
Sabine Preiser-Marian (CDU), Bürgermeisterin Bad Münstereifel

Das bestätigt auch Elmar Dalhoff von der Gemeinde Blankenheim. „Uns fehlen zwar 93 der 112 Plätze. Aber es ist absolut unrealistisch, dass diese kurz- bis mittelfristig vor unsere Tür geschickt werden. 2023 erreichten uns durchschnittlich vier bis fünf Personen pro Woche.“ Die Zahl von 164 in Euskirchen bedeutet hingegen nicht, dass diese komplett genutzt werden können. Wenn beispielsweise eine dreiköpfige Familie in einer Vier-Personen-Unterkunft lebt, werden direkt vier Plätze gestrichen, wie Tim Nolden, Sprecher der Stadt Euskirchen, mitteilt.

In Dahlem könne die Unterbringung von Geflüchteten und ukrainischen Kriegsflüchtlingen dezentral in Wohnungen und Häusern und ohne Sammelunterkünfte gewährleistet werden, berichtet Bürgermeister Jan Lembach (CDU). Das sei aber nur durch die weitreichende Unterstützung der Dahlemer möglich, die Wohnraum an die Gemeinde oder direkt an die Geflüchteten vermieten. „Diese Situation ist aber nicht beliebig fortführbar, da dem ländlichen Raum ohnehin Mietwohnraum fehlt“, so Lembach.

Es gibt nicht nur zu wenig Wohnraum, sondern auch zu wenige Sprachkurse

Wie seine Parteifreundin aus Bad Münstereifel bemängelt auch er die Integration in den Alltag: „Es gibt zu wenig Sprachkurse, darauf warten die Flüchtlinge zu lange. Dann dauern die Kurse zu lange. Sprachkurse und Arbeit lassen sich zeitlich nicht vereinbaren. Daher dauert es Monate bis Jahre, bis die Geflüchteten für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und praktisch dauerhaft arbeiten.“

Stellen im Handwerk und im Dienstleistungsbereich, etwa in Sägewerken, Bauunternehmen oder in der Pflege, gebe es im Kreis Euskirchen mehr als Arbeitnehmer. Aber: „Mögliche Arbeitnehmer unter den Geflüchteten und die Arbeitgeber, die neue Mitarbeiter suchen, finden weiterhin nur sehr schleppend zusammen“, sagt Lembach.

Das würde, auch vor dem Hintergrund der Notunterkunft in der ehemaligen Eifelhöhen-Klinik, zu einer nicht tragbaren Überbelastung führen.
Norbert Crump (CDU), Nettersheims Bürgermeister

„Für uns als Verwaltung ist die Unterbringung von Geflüchteten eine Herausforderung, die wir in dieser Dimension personell nicht abgebildet bekommen“, sagt Ingo Pfennings (CDU), Bürgermeister der Stadt Schleiden. Besonders das Ordnungsamt hatte durch die Zentrale Unterbringungseinrichtung in Vogelsang mit ihren 300 Plätzen in der Vergangenheit viele Einsätze. „Aus verschiedensten Gründen“, wie Pfennings berichtet. Das habe sich mittlerweile aber eingependelt. „Die Stadt Schleiden ist in der luxuriösen Lage, dass wir keine Container und keine Turnhallen für Geflüchtete benötigen“, so Pfennings.

Die größte Notunterkunft des Landes im Kreis Euskirchen befindet sich in der Eifelhöhen-Klinik in Marmagen. 750 Menschen sind dort untergebracht. Deshalb ist die Gemeinde Nettersheim von der Aufnahmeverpflichtung nach Flüchtlingsaufnahmegesetz befreit. Allerdings besteht ja noch eine Aufnahmeverpflichtung nach Aufenthaltsgesetz. Da könnten Nettersheim 96 weitere Aufnahmen drohen, obwohl nur noch elf freie Plätze zur Verfügung stehen. „Das würde, auch vor dem Hintergrund der Notunterkunft in der ehemaligen Eifelhöhen-Klinik, zu einer nicht tragbaren Überbelastung führen“, sagt Nettersheims Bürgermeister Norbert Crump (CDU).

Auch die Kosten für die Unterbringung belasten Kommunen

Dennoch versucht die Gemeinde, weitere Objekte zu erwerben, um Wohnraum zu schaffen. „Insgesamt gestaltet sich dies jedoch recht schwierig, da es kaum Leerstand in der Eifelgemeinde Nettersheim gibt“, so Crump. Das Haus Nikolaus in Tondorf werde mit der Dorfbevölkerung zum Haus der Integration weiterentwickelt. Dort sollen bis zu 20 Plätze für Familien mit Kindern und alleinstehende Frauen geschaffen werden.

Ein weiterer Faktor, unter dem die Kommunen ächzen, sind die Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten, auch wenn sich die Städte und Gemeinden schwer damit tun, diese aufzuschlüsseln. Die Stadt Zülpich beispielsweise hat für die Unterbringung eine hohe sechsstellige Summe ausgegeben. So wurde im Industriegebiet in Zülpich eine Gemeinschaftsunterkunft für 50 Personen errichtet und in Betrieb genommen, wie Stadtsprecher Torsten Beulen mitteilt.

Da die Kapazität aber nicht ausreicht, werde eine weitere Unterkunft in der Nähe errichtet, die schnellstmöglich zur Verfügung stehen soll. „Dank dieser Vorgehensweise, für die sich Rat und Verwaltung einstimmig entschieden haben, konnte bislang eine Umnutzung von Turnhallen oder Dorfgemeinschaftshäusern vermieden werden“, so Beulen.