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Koalitionsvertrag trägt für fünf Jahre Schwarz-Grün

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Düsseldorf – Mit ihrem Koalitionsvertrag sehen Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Grünen-Landeschefin Mona Neubaur ein solides Fundament für fünf Jahre Regierungsarbeit gelegt. „Dieses Werk trägt inhaltlich, aber vor allem auch persönlich”, sagte Wüst am Donnerstag. Es sei gelungen, „vermeintliche Gegensätze zu versöhnen.” Grünen-Parteichefin Mona Neubaur betonte fünfeinhalb Wochen nach der Landtagswahl, in den nächsten fünf Jahren solle NRW sozial gerechter, ökologischer, digitaler, wirtschaftlich stärker werden.

Die CDU soll in der geplanten ersten schwarz-grünen Regierung in der Geschichte des bevölkerungsreichsten Bundeslandes acht Ministerposten besetzen, die Grünen bekommen vier. Neubaur sagte, ihre Partei werde ein Ressort für Energie und Wirtschaft erhalten, ein Ministerium für Verkehr, Umwelt und Naturschutz sowie die Zuständigkeit für Familien und Flüchtlinge, außerdem das Justizressort. Aus dem Koalitionsvertrag geht hervor, dass an die CDU das Innenministerium, das Finanzministerium und das Schulministerium gehen. Namen wurden noch nicht genannt. Neubaur wird als sogenannte Superministerin für Wirtschaft und Klimaschutz gehandelt. Innenminister Herbert Reul (CDU) wird sein Ressort wohl behalten.

CDU und Grüne hatten sich nach nur gut dreiwöchigen Verhandlungen auf den Vertrag geeinigt. Es wird erwartet, dass am Samstag die Parteitage von CDU und Grünen in Bonn und Bielefeld der Vereinbarung zustimmen werden. Die Wiederwahl von Wüst zum Ministerpräsidenten - er führt bisher seit Oktober 2021 als Nachfolger von Armin Laschet (CDU) eine schwarz-gelbe Koalition an - ist für kommenden Dienstag im Landtag geplant. Da CDU und Grüne über eine komfortable Mehrheit von 115 der 195 Mandate verfügen, wird nicht mit Überraschungen gerechnet. Am Mittwoch soll das neue Kabinett vereidigt werden.

In ersten Reaktionen kritisierten SPD und FDP den Koalitionsvertrag. Als zu vage, butterweich und als leere Worthülsen bezeichneten die Fraktionschefs von SPD und FDP, Thomas Kutschaty und Henning Höne, die Einigung. Der Städte- und Gemeindebund sprach dagegen von „vielversprechenden Ansätzen”. Besonders die zusätzlichen Mittel für die Kommunen für den Klimaschutz und Klimafolgeanpassungen begrüßte Geschäftsführer Christof Sommer laut Mitteilung.

Kernpunkte des 146 Seiten umfassenden „Zukunftsvertrags für Nordrhein-Westfalen”:

Klimaschutz: Beide Partner wollen NRW „zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas machen.” Der Kohleausstieg soll bis 2030 kommen. Bis zum Ausstieg werde die Braunkohle zur Versorgungssicherheit angesichts des Ukrainekrieges ihren Beitrag leisten. Mit einer „zeitnahen” neuen Leitentscheidung sollen die Menschen im Braunkohlerevier Klarheit bekommen. „Alle Dörfer des dritten Umsiedlungsabschnitts sollen bleiben.” Zu diesen fünf Dörfern zählt nicht Lützerath am Tagebau Garzweiler, wo ein Ausbagger-Stopp laut Klimaschutzorganisationen von zentraler Bedeutung wäre.

In den kommenden fünf Jahren sollen zudem mindestens 1000 zusätzliche Windkraftanlagen errichtet werden. Industrie- und Gewerbegebiete würden für den Bau der Anlagen geöffnet, sagt Neubaur. Pauschale Abstandsregelungen sollen stufenweise abgeschafft werden. Schrittweise ist eine umfassende Solarpflicht geplant: Sie beginnt im Januar 2023 bereits für alle neuen öffentlichen Liegenschaften. Ein Klima-Check für neue und bestehende Förderprogramme wird eingeführt.

Verkehr: Der öffentliche Nahverkehr soll stark ausgebaut werden, ein landesweites Schnellbusnetz soll kommen. Dabei haben die Parteien vor allem Kommunen mit mehr als 20 000 Einwohnerinnen und Einwohnern im Blick, die keine Schienenanbindung haben, sowie Kommunen, die über die Schiene schwierig zu erschließen sind. Bis 2027 sollen 1000 Kilometer neue Radwege gebaut werden. Im Straßenbau gelte: Sanierung vor Neubau.

Schulen: In den nächsten Jahren sollen 10.000 zusätzliche Lehrkräfte eingestellt werden. Die Verbesserung der Unterrichtsversorgung wird als eine der größten Herausforderungen genannt. Studienplatzkapazitäten für Lehramtsstudiengänge werden erhöht. Mit einem verbindlichen Stufenplan soll zudem die Eingangsbesoldung für alle Lehrkräfte einheitlich auf A13 angehoben werden. Die digitale Fortbildungsoffensive für Lehrkräfte wird fortgesetzt und weiterentwickelt.

Schulen sollen krisenfester werden. Auch im Falle einer neuen Corona-Welle sollen Schulschließungen möglichst unterbleiben. Da die Bewegungs- und Schwimmfähigkeit sinke, werde Schulsport deutlich weiterentwickelt. „Wir garantieren bekenntnisorientierten Religionsunterricht.” Beim islamischen Religionsunterricht soll „insbesondere progressiven Verbänden” eine Beteiligung möglich sein.

Innere Sicherheit: Jährlich sollen 3000 Polizeikräfte eingestellt werden - statt wie bisher 2500. Die Bekämpfung von Sexualdelikten gegen Kinder und Jugendliche bleibt ein Schwerpunkt. Ebenso wie die „Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, insbesondere der Clan-Kriminalität sowie der Rocker- und Mafia-Kriminalität.” Der Einsatz von Elektroschockpistolen - den umstrittenen Tasern - wird bis 2024 weiter getestet.

Gesundheit und Pflege: In den kommenden fünf Jahren wollen die Partner „erhebliche finanzielle Anstrengungen unternehmen, damit in allen Krankenhäusern die notwendigen Investitionen für Personal und Ausstattung erfolgen können.” Barrierefreiheit soll zum Standard und bei jeder Sanierung umgesetzt werden. Verbesserungen bei Arbeitsbedingungen und Bezahlung für alle in der Pflege Tätigen müssten „jetzt” kommen.

Kinder: Mit vielen Partnern soll ein „Pakt gegen Kinderarmut” geschmiedet werden. Es werde eine Familienkarte zunächst für landeseigene Angebote geben.

Migration: CDU und Grüne wollen verstärkt ausländische Fachkräfte gewinnen. Dazu gehöre eine unbürokratische und schnelle Anerkennung von ausländischen Berufs- und Bildungsabschlüssen.

Kommunen: CDU und Grüne wollen gemeinsam mit dem Bund eine schnelle Lösung für den Abbau der kommunalen Altschulden vereinbaren. „Sollte der Bund seiner Verantwortung in diesem Bereich nicht nachkommen, bekennen wir uns dazu, im kommenden Jahr selbst eine Lösung herbeizuführen.”

© dpa-infocom, dpa:220623-99-770137/7 (dpa/lnw)