Düsseldorf – Angesichts drastischer Energiepreissteigerungen und Inflation werden in Nordrhein-Westfalen Rufe aus der schwarz-grünen Landesregierung und der SPD-Opposition nach einer Aussetzung der Schuldenbremse laut. Vize-Regierungschefin Mona Neubaur (Grüne) sagte im WDR-Magazin „Westpol”, um Investitionen zu ermöglichen, brauche man wie in der Corona-Pandemie auch eine Lockerung der Schuldenbremse.
Auch der Chef der oppositionellen SPD-Landtagsfraktion, Thomas Kutschaty, sprach sich für eine Aussetzung der Schuldenbremse aus. Darüber müsse „in den nächsten Wochen” entschieden werden, da jetzt Bund und Länder ihre Haushaltsentwürfe für 2023 aufstellten, sagte Kutschaty, der auch stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender ist, am Dienstag in Düsseldorf. Bei den Beratungen von Bund und Ländern am 28. September gehöre die Schuldenbremse als Thema auf die Tagesordnung.
Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) äußerte sich zurückhaltend zur Frage der Lockerung der Schuldenbremse. Bund und Länder seien verpflichtet, „alles dafür zu tun, dass eine solche Situation nicht eintritt und wir ohne dieses Thema auskommen”. Es gebe „enge verfassungsrechtliche Voraussetzungen” für einen solchen Schritt.
Neubaur betonte am Dienstag vor Journalisten, dass die Entscheidung von Bundesfinanzminister Cristian Lindner (FDP) getroffen werden müsse. Nur der Bund könne eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts feststellen und damit eine Ausnahmeregelung für die Schuldenbremse finden. Richtig sei es aber, diese Diskussion jetzt zu führen. Lindner ist gegen die Lockerung der Schuldenbremse.
Die Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Bei Naturkatastrophen oder anderen Notsituationen kann die Schuldenbremse ausgesetzt werden - das passierte nun drei Jahre in Folge wegen der Corona-Pandemie.
Kutschaty warf Wüst vor, die vom Bund geplanten weiteren Entlastungen für Privathaushalte und Unternehmen zu blockieren und „in das Säurebad parteitaktischer Auseinandersetzungen” legen zu wollen. Wüst hatte das Paket am Freitag eine „vergiftete Einladung” genannt.
Von der seit Ende Juni amtierenden schwarz-grünen Landesregierung sei noch keine eigene Initiative gekommen, um Familien oder Unternehmen zu unterstützen, sagte Kutschaty. Andere Bundesländer, wie das schwarz-grün regierte Schleswig-Holstein, Berlin oder Niedersachsen legten dagegen eigene Entlastungspakete oder Notfallfonds auf. Auch die NRW-Landessregierung solle nach dem Corona-Rettungsschirm jetzt zur Bekämpfung der Energiepreiskrise einen weiteren Schutzschirm aufspannen.
Wüst sagte vor Journalisten, dass die NRW-Landesregierung „selbstverständlich” auch eigene Entlastungen plane. Erste Priorität bei den Gesprächen mit dem Bund habe aber, dass das Entlastungspaket der Bundesregierung „sitzt”. Natürlich stehe auch die Frage einer „fairen Lastenverteilung” zwischen Bund und Ländern auf der Agenda. Dafür brauchten die Länder aber auch Spielräume, „dass wir noch die Luft haben, das Notwendige zu tun, was in unserer Verantwortung ist”.
Für NRW fordert die Landtags-SPD ein Rettungspaket in Höhe von insgesamt zwei Milliarden Euro, die Kitas, Studierenden, Sozial- und Gesundheitseinrichtungen und der Kultur zugutekommen sollten. Die SPD-Opposition verlangt auch einen Rettungsschirm für Stadtwerke sowie ein Nachfolgemodell für das Neun-Euro-Ticket.
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