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NRW-CheckDrei Gründe, warum es mit der NRW-SPD bergab geht

Lesezeit 4 Minuten
In den Fokus stellt die Landes-SPD häufig ihren Fraktionschef im Landtag, Jochen Ott. Doch trotz Volksnähe und markiger Worte ist der Kölner bei den Wählern so gut wie unbekannt.

In den Fokus stellt die Landes-SPD häufig ihren Fraktionschef im Landtag, Jochen Ott. Doch trotz Volksnähe und markiger Worte ist der Kölner bei den Wählern so gut wie unbekannt.

Der „NRW-Check“ der Rundschau und anderer Tageszeitungen im Land hat es vor Ostern belegt: Die einstmalige Herzkammer der deutschen Sozialdemokratie ist fest in der Hand von Schwarz-Grün.

Jochen Ott, SPD-Oppositionsführer im Landtag, ist ein fröhlicher, extrovertierter Mensch. Der Kölner schunkelt sich durch den Karneval, hüllt sich gern in seine grelle Lieblingsmotto-Farbe („Die Zukunft ist pink“) und verspottet den Ministerpräsidenten: „Von Berlin aus mag Hendrik Wüst groß aussehen, aber er ist nur ein Scheinriese.“ Im Vergleich zu seinem leisen Vorgänger Thomas Kutschaty ist Ott ein Temperamentsbündel. Nur profitiert er bisher nicht davon. 96 Prozent der im „NRW-Check“ der Tageszeitungen befragten Bürger kennen ihn gar nicht.

„Ott macht im Landtag eine ordentliche Oppositionsarbeit. Er ist pointiert, spitzt zu, greift an. Aber der Landtag ist eine relativ kleine Bühne, auf die die breite Öffentlichkeit nicht schaut“, erklärt Prof. Stefan Marschall, Politikwissenschaftler an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Es ist befremdlich, wie wenig die Sicht der NRW-SPD auf sich selbst zum Liebesentzug der Wähler passt. „Mehr Einigkeit war noch nie. Wir sind eine Team-Partei“, behauptet Landesparteichefin Sarah Philipp. Ihr Co-Vorsitzender, der Bundestagsabgeordnete Achim Post, wähnt die NRW-SPD wieder „auf dem Platz“. Und Generalsekretär Frederic Cordes sagt, es geben jetzt nur noch „eine“ SPD im Land. Das soll heißen, dass sich Sozialdemokraten in Bund, Land und Städten nicht mehr stritten. Das mag so sein. Attraktiv macht sie das noch lange nicht.

Neben den Langzeit-Problemen der SPD – wie dem Wegbrechen der klassischen Klientel aus der Industrie-Arbeitnehmerschaft und einer gewissen Entfremdung in Sprache, Themenauswahl und Auftritt von den Alltagssorgen normaler Bürger – drücken vor allem drei Umstände die einst stolze Partei nach unten.

Erster Faktor: Der Bundestrend

Erstens leidet die SPD an Rhein und Ruhr unter dem für die Ampel so schmerzhaften Bundestrend. „Oft spiegelt sich in Landesumfragen die Stimmung im Bund, und dort läuft es für die SPD nicht gut“, sagt Marschall. Der SPD in NRW falle es zum Beispiel schwer, der Landesregierung Versagen in der Wohnungsbaupolitik vorzuwerfen, ohne gleichzeitig der eigenen Bundesbauministerin Versagen vorzuwerfen.

Überhaupt scheint es im Gegensatz zur Landtagswahl 2017 heute fast unmöglich, in NRW mit Landespolitik durchzudringen. Als Armin Laschet (CDU) damals die Wahl gewann, bewegten Verkehr, innere Sicherheit und Schulpolitik die Menschen in NRW. Heute dagegen geht es um Krieg, Frieden, Inflation, globale Krisen. Da rücken Staulängen, Schulstreit, Wohnungsbau ins Abseits. 2017 hatten viele Bürger das Vertrauen in die damalige Landesregierung von Hannelore Kraft (SPD) verloren. Die Ministerpräsidentin wurde damals abgewählt. Von einer Abwahlstimmung gegen Hendrik Wüst kann die SPD im Moment aber nur träumen.

Zweiter Faktor: Das Personal

Zweitens hat die NRW-SPD, die einst mit Persönlichkeiten wie Johannes Rau, Wolfgang Clement, Peer Steinbrück und Hannelore Kraft aufwarten konnte, keine bekannten Köpfe mehr auf der Landesebene. Der frühere Landespartei- und Landtagsfraktionschef Kutschaty fuhr 2022 als Spitzenkandidat eine historische Niederlage ein. Nun probiert es die SPD nicht mehr mit einer, sondern mit einer Art Dreierspitze. Das Problem: Kaum einer kennt Fraktionschef Ott und die Vorsitzenden Philipp und Post.

Die Verteilung auf diese drei mache es umso schwerer, eine Person in den Mittelpunkt zu stellen, die als Hauptgegner von Ministerpräsident Wüst und künftiger Spitzenkandidat oder Spitzenkandidatin wahrgenommen werde, sagt Stefan Marschall. „Wüst dürfte seinen den Amtsbonus weiter ausbauen“, vermutet der Poliologe. Die SPD sollte daher im eigenen Interesse mit der Auswahl eines möglichst prominenten Gegenkandidaten nicht zu lange warten. „Die Zeit läuft“, warnt Marschall.

Die SPD könnte auch einen Promi aus der Bundespolitik zum Wüst-Gegenspieler machen. Auf den Landtagsfluren fällt bereits ab und zu der Name Bärbel Bas. Sollte die Duisburgerin nach der Bundestagswahl nicht mehr Parlamentspräsidentin sein können, weil die SPD-Fraktion nicht mehr die größte wäre, käme Bas als Gesicht der NRW-SPD in Frage.

Alternativ könnte sich die SPD in NRW bei ihren Rathausspitzen bedienen. Allerdinges lassen Sören Link (Duisburg), Thomas Eiskirch (Bochum) und diverse andere Lokalpolitiker diese Ambitionen überhaupt nicht erkennen. Chancenlos wären sie wohl nicht. „Bürgermeisterinnen und Bürgermeister verfügen oft über Charisma und haben bewiesen, dass sie Menschen in einer Personenwahl für sich gewinnen können“, so Politologe Marschall.

Dritter Faktor: Die politischen Gegner

Drittens bieten Wüst und seine schwarz-grüne Regierung der SPD seit Amtsantritt kaum einer Angriffsfläche. Die Geräuschlosigkeit, mit der Schwarz-Grün in NRW regiert, ist Gift für die Opposition. Von Frust über Wüsts Regierung ist jedenfalls nichts zu spüren, dabei kann die SPD in NRW nur gewinnen, wenn viele Menschen unzufrieden sind mit CDU und Grünen.

Fazit: Es gibt derzeit kaum einen Hoffnungsschimmer für die NRW-SPD. Sie steckt im Abstiegsstrudel der Ampel, muss auf grobe Fehler von Schwarz-Grün warten oder eine andere Bundesregierung, und ihr Spitzenpersonal ist unbekannt. Ein Promi aus dem Bund könnte das Ruder vielleicht herumreißen. Aber der Retter oder die Retterin ist nicht in Sicht.