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Wohnen in alten Kölner Bunkern„Bei Bombenentschärfungen werden wir nie evakuiert“

Lesezeit 8 Minuten
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Stefan Heinzel lebt mit seiner Familie seit 2008 im umgebauten Bunker am Sandweg in Bickendorf. 

Köln – „Wenn die Sirene ging, wussten wir, dass sie kommen. Dann mussten wir schnell rüber zum Bunker, da waren wir in fünf Minuten. Da drin war man sicher. Ab und zu hat man das Knallen gehört, aber da waren so dicke Betonwände, da konnte nichts passieren. Wir hatten eine kleine Zelle gemietet, nur ein paar Quadratmeter mit Gestellen drin zum Hinlegen. Mehr Platz war da nicht. In der Tür gab es nur einen schrägen Schlitz, rausgucken konnte man nicht.

Meine Mutter hat sich darin nie wohl gefühlt, es war ihr zu eng. Wenn die Angriffe vorbei waren, haben wir draußen immer zuerst geguckt, ob noch alles steht. Der eine Sonntag war ganz schlimm, da ist halb Nippes abgebrannt an einem einzigen Tag. Da haben sie die blöden Brandbomben geworfen, in manchen Straßen stand nur noch ein Haus. Zwischen den Trümmern waren die Toten. Da habe ich eine Frau ohne Kopf in einer Wanne gesehen.“

Aus dem alten Bunker sind Wohnungen geworden

Von diesen Erinnerungen erzählt der 83-jährige Horst Frings in einem Videointerview auf der Seite hochbunker.koeln. Während des Zweiten Weltkriegs suchte er im Hochbunker an der Werkstattstraße in Nippes mit seinen Eltern und vier Geschwistern Schutz vor den Bomben aus der Luft. Der Bunker steht immer noch. Nach dem Krieg war hier ein Hotel- und Gaststättenbetrieb untergebracht, später diente er als Männerwohnheim, 2003 entstanden Wohnungen.

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Eine schwere rote Eisentür im Treppenhaus des ehemaligen Bunkers an der Schnurgasse.  

Insgesamt gibt es in Köln noch 23 Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg, die heute ganz unterschiedlich genutzt werden. Die meisten Menschen denken bei Bunkern wahrscheinlich an Schutzräume unter der Erde. Doch ab 1942 wurden fast nur noch Bunker in die Höhe gebaut, weil es schneller und billiger war. Außerdem verpufft im Vergleich zu einem Tiefbunker bei einer Explosion der Großteil des Drucks einfach in der Luft und die Außenwand wird weniger belastet. Viele Hochbunker hatten zwei Geschosse und ein spitzes Dach zur Tarnung, damit sie aus der Luft wie normale Häuser aussahen. So hoffte man, von Angriffen verschont zu bleiben.

Dass es Bunker über der Erde gibt, wissen viele gar nicht

Aus einigen Bunkern sind wirklich Wohnhäuser geworden, so wie am Sandweg 74 in Bickendorf, wo Stefan Heinzel mit seiner Frau und den beiden Töchtern lebt. Der Bunker wurde 1942 auf zwei Etagen für den Schutz von 754 Menschen gebaut. Nach dem Krieg diente er zunächst als Notunterkunft, später befanden sich darin eine Lampenschirmfabrik und eine Flüchtlingsunterkunft der Stadt Köln. Der Kölner Architekt Hartmut Gruhl besitzt den Bunker seit den 1990er-Jahren. 2007 baute er das Gebäude zu Wohnungen um.

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Eine Aufnahme von 1945. Viele Hochbunker wurden zur Tarnung wie Mietshäuser gebaut.  

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Der ehemalige Hochbunker am Sandweg in Bickendorf sieht heute wie ein normales Wohnhaus aus. 14 Mietparteien wohnen darin. 

Stefan Heinzel und seine Frau sind die ersten Mieter, die 2008 hier eingezogen sind. Mittlerweile gibt es 14 Parteien. „Das Kopfschütteln bei Freunden und Verwandten war groß, als wir verkündet haben, dass wir aus der Dachgeschosswohnung in Lindenthal in einen Bunker nach Bickendorf ziehen. Man stellt sich automatisch ein dunkles Loch unter der Erde vor. Dass es auch Hochbunker gibt, wissen viele Menschen gar nicht. Wir haben in der Anlage Potenzial gesehen: Nah an der Innenstadt, relativ niedrige Miete und direkt neben dem Rochuspark“, erinnert sich Heinzel. Er hat die Umbauphase von Anfang an begleitet. „Ich fand es spannend, wie aus purem Beton nach und nach vernünftige Wohnungen geworden sind“, erinnert er sich.

Im Sommer ist es kühl, im Winter lange warm

Mittlerweile sieht das Haus nicht anders aus als andere Mehrfamilienhäuser, man muss schon herein kommen und genau hinschauen, um darin die Vergangenheit zu entdecken. Es sind die 1,10 Meter dicken Wände und die 1,40 Meter dicken Decken, die daran erinnern, dass dieses Haus einmal Bombenangriffen standhalten musste.

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Stefan Heinzel hat in die Nische zwischen den dicken Wänden eine gemütliche Kuschelecke gebaut. 

Denkmalprojekt „Mit Abstand zum Krieg“ : Verbliebene Hochbunker in Köln

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Robert Schwienbacher und Henriette Reker

Das Kölner Institut für Festungsarchitektur (CRIFA) hat alle noch verbliebenen Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg per Video dokumentiert und zusammengefasst. Interessierte erfahren hier alles über Standort, Geschichte und heutige Nutzung der Bauten. Auch Zeitzeugen kommen in Videointerviews zu Wort und erzählen ihre Erlebnisse in den Bunkern.

Hinter dem Projekt steht ein Team von Geschichts- und Heimatforschern, die sich ehrenamtlich in das Kölner Institut für Festungsarchitektur einbringen. Das Institut erforscht und dokumentiert die Festungsanlagen des 18., 19. und 20. Jahrhunderts in Köln. Die Dokumentation der Hochbunker im Internet ist zum Tag des offenen Denkmals im September 2020 entstanden, der Corona-bedingt nur virtuell stattfinden konnte.

Robert Schwienbacher ist historischer Berater für die Restaurierung von Schlössern und arbeitet seit 25 Jahren ehrenamtlich für das Institut. In Zusammenarbeit mit den Vereinen Kölner Festungsmuseum (KFM) und der Dokumentationsstätte Kalter Krieg (DOKK) betreibt das Institut das Portal „Welt unter Köln“. Normalerweise bieten die Ehrenamtler kostenlose Führungen durch Bunker und Forts an, die so gut wie immer ausgebucht sind. „Es ist so wichtig, den Menschen die Vergangenheit zu zeigen“, meint Schwienbacher.

Früher habe man Bunker und Festungsanlagen lieber versteckt oder gleich gesprengt. Schwienbacher findet das falsch: „Wir dürfen nicht vor unserer dunklen Vergangenheit davon laufen, sondern müssen sie erzählen. Geschichte ist ein Mahnmal. Es ist sehr wichtig, zu erklären, welch ein Wahnsinn Krieg ist.“ (twe)

Stefan Heinzel selbst denkt so gut wie nie daran, was sein Haus früher war. Dabei geht er jeden Tag durch den alten Bunkereingang in sein Büro. „Gut, es ist hier schwierig mit dem Handy-Empfang und dem W-Lan, aber das ist auch schon alles“, sagt er. Für ihn überwiegen eindeutig die Vorteile des Gebäudes: „Im Sommer ist es immer schön kühl, im Winter bleibt es mit wenig Aufwand lange angenehm warm. Außerdem hört man von den Nachbarn absolut nichts und kann auch selbst laut sein. Die Kinder können herumtrampeln so viel sie wollen. Ich könnte nie mehr in einer Altbauwohnung mit Nachbarn unter mir leben und würde jedem empfehlen, in einen Bunker zu ziehen. Selbst wenn die Erde bebt, wären wir hier sicher. Bei Bombenentschärfungen in Köln werden wir nie evakuiert. Gerade mit Kindern ist das ein gutes Gefühl.“

„Wenn eine Bombe entschärft wird, kommen Freunde immer zu uns“

Das Gefühl der Sicherheit schätzen auch Jennifer und Wolfgang Fuchs, die mit ihren beiden Söhnen in der Schnurgasse 39 in der Kölner Südstadt leben. Auf drei Geschossen wurden hier Anfang der 1940er-Jahre Schutzplätze für 1080 Personen geschaffen. Nach dem Krieg nutzte ein Lebensmittelgroßhandel das Gebäude als Firmensitz und Lager, eine Zeitlang war eine Weinhandlung darin untergebracht und im Jahr 2005 entstanden hier Wohnungen.

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Wolfgang Fuchs lebt seit 2009 hier, zuerst in einer Wohngemeinschaft, dann mit seiner Schwester und jetzt mit seiner Frau und den Kindern. „Man konnte hier immer super Partys feiern und laut sein. Hat ja niemanden gestört“, erinnert er sich. Seine Frau sagt: „Das war schon seltsam, als er mir beim Kennenlernen erzählt hat, dass er in einem Bunker wohnt.“ 2013 ist sie zu ihm gezogen. „Ich habe mich schnell daran gewöhnt“, sagt sie heute.

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So sieht das Haus an der Schnurgasse heute aus. Rechts ist noch die alte Bunkerfassade und der Schornstein zu erkennen. 

Die Familie wechselt bald die Wohnung innerhalb des Hauses: „Einmal Bunker, immer Bunker. Wir können uns gar nicht mehr vorstellen, in einer normalen Wohnung zu leben. Wenn in Köln mal wieder eine Bombe entschärft wird, kommen Freunde immer zu uns“, sagt Wolfgang Fuchs.

Schwere Metalltüren und Betontreppen

Nur selten denken sie noch an die Vergangenheit ihres Hauses. Im Treppenhaus erinnern sie die schweren Metalltüren daran, in der Wohnung sind es die dicken Wände und die tief liegenden Fenster, die sich nur schwer öffnen lassen.

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Im Wohnzimmer sieht man die Vergangenheit des Gebäudes noch an den dicken Wände und den tief liegenden Fenstern. 

„Ich habe mich natürlich öfter mal gefragt, was hier so passiert ist und würde gerne mal Menschen treffen, die hier Schutz gesucht haben. Aber im Alltag vergesse ich sofort wieder, dass das hier mal ein Bunker war“, sagt Wolfgang Fuchs.

Mit dem Diamantseil Öffnungen in den Beton geschnitten

Sowohl den Bunker am Sandweg als auch den am Schnurgasse hat der Kölner Architekt Hartmut Gruhl umgebaut. Es sind nicht die einzigen, mit denen er sich beschäftigt hat. Bereits 1992 machte er einen ehemaligen Bunker in Aachen zu einem Studentenwohnheim und hat insgesamt sieben Bunker neu hergerichtet.

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Die alten Betontreppen im Haus an der Schnurgasse. 

„Als wir mit dem Umbau anfingen, mussten wir selbst herausfinden, was in diesen besonderen Gebäuden zu tun ist. Als erstes muss man Öffnungen und Fenster schaffen. Am Sandweg haben wir die mit einem Diamantseil in die dicken Wände geschnitten. Dann muss sehr viel Beton raus geschafft werden. Das ist einfach eine ungeheure Masse. Meistens müssen auch neue Leitungen für Wasser und Strom gelegt werden, das dauert. Im Grunde braucht man genau so lange, wie für einen Neubau“, fasst er den Umbauprozess zusammen.

Die fertigen Wohnungen vermietet Gruhl größtenteils selbst. Probleme, Mieter für die alten Bunker zu finden, hatte er nie. „Die Leute lieben es, wenn noch Zeichen der alten Zeit im Flur sind. Sie möchten an die Vergangenheit erinnert werden“, glaubt er.

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Der Keller im Sandweg. Die Türen tragen Nummern, wie früher, als hier Menschen Schutz gesucht haben. 

Wenn man länger im Keller des Hauses am Sandweg steht, kann man sich diese Vergangenheit gut vorstellen. Wie in vielen Kellern gibt es hier einen langen Gang, von dem mehrere kleine Räume abgehen. Davor befindet sich wie wohl in jedem Keller jede Menge Kram. Das Besondere hier: Die Türen zu den Räumen am langen Gang tragen eine Zahl. Hinter einer solchen Tür mit Zahl hat auch Horst Frings vor vielen Jahren mit seiner Familie gesessen. Sechs Leute, kein Fenster, nur ein kleiner Schlitz in der Tür. Die Mutter fand es immer zu eng. Aber sie waren sicher.