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StilfrageWie man sich richtig entschuldigt und wann es unnötig ist

Lesezeit 4 Minuten
Symbolbild

Richtig um Entschuldigung zu bitten ist nicht immer einfach.

Köln – Silvester, Neujahr – Zeit der guten Vorsätze. Bekanntlich sollen die Vorhaben ja möglichst konkret und umsetzbar sein, damit es nicht beim bloßen Bekunden bleibt. Vielleicht lohnt es, sich einem Begriff zu widmen, der einerseits Konjunktur hat, andererseits aber zunehmend zur Floskel oder Hohlformel degeneriert ist: die „Entschuldigung“.

In der Bahn ärgere ich mich regelmäßig, wenn der Zugchef sich an jedem Bahnhof zweimal für die Verspätung entschuldigt. Was soll das? Er kann es eh nicht ändern. Entschuldigungen, die für das Gegenüber – in diesem Fall für mich als Bahnfahrerin – folgenlos bleiben, sind nicht nur lächerlich. Sie stellen sogar den Sinn des Ganzen auf den Kopf.

Zur Person

Ingeborg Arians 2

Ingeborg Arians

Foto: Michael Bause

Ingeborg Arians, geboren 1954, hat Sprachen und Volkswirtschaftslehre studiert und ist Dipl.-Übersetzerin für Französisch, Spanisch und Englisch. Von 1986 bis 2019 war sie Leiterin der Abteilung Repräsentation und Protokoll im Amt der Oberbürgermeisterin der Stadt Köln. In dieser Zeit arbeitete sie für insgesamt vier Oberbürgermeister und die amtierende OB Henriette Reker.

Ich kann mich erstens nicht selbst entschuldigen, sondern nur um Entschuldigung bitten. Ich muss zweitens deutlich machen, dass es mir wirklich leidtut. Und das wird drittens daran deutlich, dass ich Schritte der Besserung gehe oder einen entstandenen Schaden wiedergutmache.

Wie aus einem formalen Akt eine freundliche Geste wird

Dem inflationären Umgang mit Entschuldigungen steht in anderen Lebensbereichen die Tendenz gegenüber, auf jegliche Äußerung des Bedauerns zu verzichten. In meiner Zeit als Protokollchefin habe ich bei Einladungen zu offiziellen Anlässen feststellen müssen, dass eine immer größere Zahl der Eingeladenen eine Reaktion für unnötig hält und dann ohne Angaben von Gründen nicht erscheint. Von dieser Unsitte, neudeutsch „No-Show“ genannt, wissen auch Restaurants, Arztpraxen oder Friseure zu berichten: Gebuchte Termine werden einfach nicht wahrgenommen. Das bringt nicht nur Unannehmlichkeiten mit sich, sondern ist – gerade bei Einladungen – auch verletzend. Die vorherige „Entschuldigung“ ist hier im Grunde nicht mehr als eine Absage. Mit einer nachvollziehbaren Begründung versehen, wird aus einem formalen Akt gleich noch eine freundliche Geste.

Die Bereitschaft und die Fähigkeit, eigene Fehler einzugestehen, scheinen im Schwinden begriffen zu sein. Umgekehrt proportional wächst die Bereitschaft, die Fehler anderer zu brandmarken. Jeder Shitstorm in den sozialen Medien funktioniert nach diesem Muster. Mit der viel propagierten Fehlerkultur ist es im Alltag nicht mehr so weit her. Sie ist aber die Voraussetzung dafür, dass wir erkennen, wann eine Entschuldigung fällig und angebracht ist.

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In beruflichen Hierarchien ist es ein Zeichen von Stärke, wenn Vorgesetzte zu ihren Fehlern stehen und dies auch gegenüber ihren Mitarbeitenden kommunizieren. Sich für Fehler nicht zu entschuldigen, ist Ausdruck von Überheblichkeit, fehlendem Selbstbewusstsein und Führungsschwäche.

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich leicht, wie eine „gute“ Entschuldigung aussieht: Sie sollte zeitnah erfolgen. Sie sollte Ausdruck ehrlichen Bedauerns sein. Sie sollte möglichst einen Grund für das eigene Fehlverhalten angeben, die Bereitschaft zur Besserung erkennen lassen – und es dem Gegenüber überlassen, die Entschuldigung anzunehmen. So kann aus einer Verletzung oder einem Bruch eine neue Verbindung entstehen.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an:Stilkolumne@dumont.de

Übrigens: In bestimmten Situationen sollten Sie sämtliche Bedenken gegenüber Entschuldigungsfloskeln beiseiteschieben. Wenn Sie zum Beispiel im Kino, im Theater oder im Konzertsaal als letzte zu ihren Plätzen mitten in der Reihe streben und alle anderen Besucher für Sie aufstehen müssen, ist ein freundliches „Entschuldigung“ oder ein „Sorry“ so angebracht wie angemessen. Niemand wird von Ihnen in diesem Augenblick eine „Bereitschaft zur Besserung“ erwarten. Es reicht, dass Sie Ihr Bedauern über die kleine Unannehmlichkeit ausdrücken. Das ist das Schöne an der Höflichkeit: Sie tut allen gut.