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„Das passt“So verteidigt die NRW-Regierung die Räumung Lützeraths

Lesezeit 4 Minuten
24.01.2023, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Hendrik Wüst (CDU, r), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen, l), Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie sowie stellvertretende Ministerpräsidentin, informieren in der Landespressekonferenz im Landtag über aktuelle politische Themen der Landesregierung.

Zogen zum ersten Mal gemeinsam Bilanz ihrer Regierungspolitik: Mona Neubaur (Grüne) und Hendrik Wüst (CDU). Foto: dpa

Das Jahr beginnt turbulent für die NRW-Regierung. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und seine Stellvertreterin Mona Neubaur stellten sich den drängendsten Fragen der Presse.

Kampf um Lützerath, Silvesterkrawalle, Brücken-Desaster an der A45, Städte in der Schuldenfalle – Der Jahresbeginn ist turbulent, und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und seine Stellvertreterin Mona Neubaur (Grüne) mussten sich am Dienstag im Landtag der Presse stellen.

Lützerath und Silvester-Krawalle

„Dank und Respekt“ sprachen Wüst und Neubaur den Sicherheitskräften aus, die in der Silvesternacht und in Lützerath „ihren Kopf hingehalten haben“. „In Lützerath haben Polizistinnen und Polizisten unter schwierigen Bedingungen das Recht geschützt. Trotz der aufgeheizten Stimmung bei einem Teil der Aktivisten waren sie vor allem umsichtig und vorsichtig“, so Wüst. „Besonnenheit“ attestierte auch die grüne Wirtschaftsministerin Neubaur den Einsatzkräften.

Wüst und Neubaur nennen Gewalt „inakzeptabel“, sowohl beim Feiern in der Silvesternacht als auch beim Demonstrieren. Sie lobten all jene, die friedlich in Lützerath demonstrierten. Diese Menschen machten erfolgreich auf eine der größten Aufgaben unserer Zeit aufmerksam. Wer friedlich gegen politische Beschlüsse demonstriere, lebe sogar die Demokratie vor.

„Die Kritik der Klimaschutzbewegung an unseren Beschlüssen ist in Ordnung. Die Bewegung würde unglaubwürdig wirken, wenn sie sagen würde, es wäre super. Mehr geht immer“, so Neubaur. Sie stehe aber als grüne Wirtschaftsministerin in Verantwortung für 18 Millionen Menschen. „Ich mache das, was möglich ist und arbeite daran, dass mehr möglich wird.“ Neubaur, die von Klima-Aktivisten und von Teilen der grünen Partei angefeindet wird, versicherte: „Ich kann nach wie vor in den Spiegel schauen.“

Früherer Braunkohle-Ausstieg

Neubaur stellte sogar einen noch früheren Ausstieg aus der Braunkohle als mit RWE vereinbart in Aussicht, also noch vor 2030. „Wir müssen die Erneuerbaren Energien preislich so in den Markt bringen, dass der Markt auf sie zurückgreifen kann und damit gegebenenfalls die Braunkohle noch früher aus der Verstromung rausgehen kann. Wir wollen dafür den deutlich schnelleren Ausbau der Erneuerbaren vorantreiben“, sagte sie. Je konkurrenzfähiger die Erneuerbaren seien, desto schneller werde es unattraktiv, fossile Quellen zur Energieerzeugung zu nutzen.

Die Stimmung in der Koalition

Die schwarz-grüne Koalition arbeite „menschlich und inhaltlich gut zusammen“, beteuert Wüst. CDU und Grüne in NRW, „das passe“. Die Partner lösten Probleme mit Pragmatismus statt mit Ideologie. „Die Grünen werden sich nicht in die CDU integrieren oder andersherum. Wir bleiben eigenständige Parteien“, versprach Neubaur. Eine Koalition lebe davon, dass sie immer wieder zueinander finde. „Das gelingt uns. Menschlich stimmt es, inhaltlich arbeiten wir ruhig und bringen Konflikte, die in der Gesellschaft existieren, gemeinsam zu einer Lösung.“

NRW schimpft nicht über „kleine Paschas“

Wüst distanziert sich zwar nicht ausdrücklich von der umstrittenen Wortwahl des CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz. Der hatte im Zusammenhang von Kindern, die Lehrerinnen und Lehrer nicht respektieren, von „kleinen Paschas“ gesprochen. Der NRW-Ministerpräsident stellte aber klar, dass er keineswegs Personengruppen an den Pranger stellen wolle.

Respektlosigkeit von Kindern gegenüber Lehrerinnen und Lehrern gebe es. Dieses Phänomen beziehe sich aber nicht nur auf jene Gruppen, die von Merz „wahrscheinlich gemeint“ seien. Viele Kinder in der Grundschule seien nicht in der Lage, die Sprache zu verstehen. Das habe auch etwas damit zu tun, dass diese Kinder zu Hause nicht schon vor der Grundschule ausreichend gefördert worden seien. „Es bringt nichts zu sagen, das Kind hat diesen oder jenen Hintergrund. Das sind unsere Kinder. Diese Kinder sind unsere Zukunft, eine andere haben wir nicht“, so Wüst. Seine Regierung unternehme alles, um Kindern in Kita und Grundschule einen guten Start zu bieten.

Auch das zweite große Thema im Zusammenhang mit Respektlosigkeit, die Silvesternacht, dürfe nicht auf Migranten reduziert werden. Beim Fußball gebe es Gewalt von Hooligans, auf Demonstrationen von den unterschiedlichsten Menschen. „Die Lösung für die Silvesternacht ist nicht Böllerverbot. Wenn da einer einen Feuerlöscher schmeißt, hilft kein Böllerverbot“, findet Wüst. Es sei nicht richtig, eine Ausländerdebatte zu führen, sondern man müsse überlegen, wie man dem Rechtsstaat Respekt verschaffe. Eine wichtige Frage sei: „Wie können wir die Polizei so ausstatten, dass sie in der Lage ist, Gewalttäter, die aus einer größeren Gruppe heraus agieren, dingfest zu machen?“ Die Justiz müsse etwa über Videoaufnahmen verfügen, die es erlaubten, Täter zu verurteilen. Das sei am Ende auch eine technische Frage.

Debatte um Altschuldenlösung

Im NRW-Koalitionsvertrag steht: CDU und Grüne bekennen sich dazu, selbst eine Lösung herzustellen und einen Altschuldenfonds einzurichten, wenn die Ampel im Bund ihrer Verantwortung für die kommunalen Altschulden nicht nachkomme. Wüst und Neubauer sehen sich hier zwar in der Pflicht, zeigen aber vor allem nach Berlin.

„Uns eint das Ziel, die Kommunen von ihren Altschulden zu entlasten. Die Bundesregierung muss die Zusage einlösen, dass man das mit uns gemeinsam regelt. Finanzminister Marcus Optendrenk und Kommunalministerin Ina Scharrenbach(beide CDU) sind mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dazu im konstruktiven Austausch“, sagte Wüst. Die Aussage im Koalitionsvertrag stehe. „Schöner wäre es natürlich, wenn der Bund sein Wort auch hält.“