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Rheinland-Pfalz und NRW: Trauer am Jahrestag der Flut

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Bad Neuenahr-Ahrweiler/Euskirchen – In Trauer vereint haben die Menschen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen am ersten Jahrestag des katastrophalen Hochwassers der insgesamt mehr als 180 Flutopfer gedacht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte am Donnerstag zunächst das im Juli 2021 schwer getroffene Ahrtal und nahm anschließend an einem ökumenischen Gedenkgottesdienst in Euskirchen bei Bonn teil.

An beiden Orten forderte er, rasch grundsätzliche Konsequenzen aus der Katastrophe zu ziehen. „Wir müssen jede, aber auch wirklich jede Anstrengung unternehmen, um die Folgen des Klimawandels zu bekämpfen, und wir müssen viel umfassender Vorsorge treffen, um unseren Kindern und Enkeln einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen”, sagte Steinmeier in Euskirchen. In vielen Regionen drohe nach den Jahren 2018 bis 2020 „ein vierter Dürresommer”, warnte das Staatsoberhaupt in beiden Bundesländern.

Im teilzerstörten Winzerdorf Altenahr sprach Steinmeier in Begleitung der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) mit Betroffenen, Helfern und Kommunalpolitikern. Auch in NRW tauschte er sich gemeinsam mit Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) - ohne Medienbegleitung - mit Opfer-Angehörigen und Rettern aus.

Bei dem Hochwasser nach extremem Starkregen am 14. und 15. Juli 2021 waren mindestens 135 Menschen im nördlichen Rheinland-Pfalz getötet worden - 134 im Ahrtal und ein Mann in der Eifel. Zwei Menschen werden noch vermisst. In NRW starben bei der Flut 49 Menschen.

In der selbst von der Flut betroffenen Kirche Herz Jesu schlugen Angehörige und Retter 54 mal die Glocke - für die 49 Todesopfer und fünf weitere aus NRW, die aber außerhalb des Bundeslandes ums Leben gekommen seien, erläuterte Präses Thorsten Latzel.

Bei einer Veranstaltung mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der aber nicht als Redner teilnahm, äußerte Dreyer in Bad Neuenahr-Ahrweiler Verständnis für Ungeduld - trotz der Fortschritte beim Wiederaufbau im flutgeschädigten Ahrtal. „Ich kann verstehen, wenn Ihnen alles trotzdem manchmal nicht schnell genug geht, wenn Sie einfach nur wollen, dass es vorangeht”, sagte sie. „Ich versichere Ihnen, wir arbeiten jeden Tag hart daran, dass für alle der Wiederaufbau gut gelingt.” Laut Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion - einer Behörde in Rheinland-Pfalz - wird der Wiederaufbau nach der Flut in dem Bundesland noch Jahre dauern.

Wüst: Flut ist mahnendes Zeugnis des Klimawandels

Wüst nannte die Hochwasserkatastrophe ein trauriges, mahnendes Zeugnis des menschengemachten Klimawandels. In dem selbst von der Flut betroffenen Gotteshaus sagte der Regierungschef der neuen schwarz-grünen Koalition: „Wir müssen das ehrlich aussprechen: Das sind die Folgen unseres Umgangs mit der Erde.” Angesichts steigender Meeresspiegel und trockener Sommer müssten Dämme, Deiche und Reservoirs gebaut werden.

In seiner Ansprache an die tief ergriffene Trauergemeinde äußerte Wüst sich betroffen über „Schmerz, der nicht gehen will”. In der Kirche schilderten Augenzeugen eindrücklich ihre Erfahrungen an dem Tag, als die Flut kam. Wüst dankte den vielen Rettern, die über ihre Belastungsgrenze gegangen seien: „Sie haben Heldenmut bewiesen.” Die Landesregierung werde einen Gedenkwald mit 49 Bäumen schaffen. „Jeder Baum erinnert an einen Menschen.”

Nach Auffassung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) muss es einen „Neustart im Bevölkerungsschutz” geben. „Wir haben uns in Deutschland viel zu lange in Sicherheit gewogen”, sagte sie in Euskirchen. Dennoch sei eine Wiederholung einer solchen Flutkatastrophe leider nicht ausgeschlossen: „Extremwetterlagen werden zunehmen.”

BBK: Deutschland muss krisenfester werden

Auch der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler, mahnte an, Deutschland müsse krisenfester werden - mit einer besseren Organisation und Warnung sowie sensibilisierten Bürgerinnen und Bürgern. „Wir müssen uns besser vorbereiten”, sagte er im ZDF-„Morgenmagazin”.

Auch Deutschlands westlicher Nachbar Belgien erinnerte an die Flut. König Philippe und Königin Mathilde trafen in der wallonischen Stadt Limburg geschädigte Geschäftsleute, Vertreter der Rettungsdienste und der Behörden, wie die Nachrichtenagentur Belga berichtete. In der Stadt war demzufolge vor einem Jahr jedes dritte Haus überschwemmt worden. Insgesamt starben bei den Unwettern im Juli 2021 in Belgien 39 Menschen.

© dpa-infocom, dpa:220714-99-15109/10 (dpa)