- Eigentlich sollte Gonca Türkeli-Dehnert schon 2012 Staatssekretärin für Integration in NRW werden. Damals gehörte sie zum Schattenkabinett des gescheiterten CDU-Spitzenkandidaten Norbert Röttgen.
- Im Oktober beerbte sie nun die Kölnerin Serap Güler. Tobias Blasius sprach mit ihr.
Sie sind in Berlin geboren, haben zwei Jura-Staatsexamen – und bleiben durch die Herkunft Ihrer Eltern doch auf die Rolle der Integrationsexpertin festgelegt. Nervt das nicht?
Ich habe mir diesen Arbeitsbereich bewusst ausgesucht, weil er mich interessiert und ich ihn sehr wichtig finde. Als Juristin hätte ich mir genauso vorstellen können, in einer internationalen Organisation an den Themen Migration und Asyl zu arbeiten. Natürlich wünsche ich mir, dass sich die Generation meines Sohnes, der heute zwölf ist, irgendwann nicht mehr mit Integrationsfragen beschäftigen muss.
Migranten werden häufig zu besonderen Verlierern der Corona-Krise erklärt, weil sie seltener geimpft und häufiger infiziert seien. Stimmt das?
Zur Person
Gonca Türkeli-Dehnert (46) war 2006 die erste türkischstämmige Mitarbeiterin im Kanzleramt. Die Volljuristin mit CDU-Parteibuch stammt aus Berlin und leitete zuletzt als Geschäftsführerin die „Deutschlandstiftung Integration“. Ministerpräsident Hendrik Wüst berief sie im Oktober zur Nachfolgerin der in den Bundestag gewählten Serap Güler als Staatssekretärin für Integration. (tb)
Nein. Der Anteil der Menschen mit Einwanderungsgeschichte, die sich nicht impfen lassen wollen, ist unter dem Strich sicherlich nicht höher als in der übrigen Bevölkerung. Ein Beispiel: Anfang Dezember hatten wir im sächsischen Meißen mit einem geringen Ausländeranteil von etwa 3 Prozent eine Corona-Inzidenz von 3000 und in Köln mit über 19 Prozent eine von 500. In Bremen, wo knapp 40 Prozent Menschen mit Einwanderungsgeschichte leben, gibt es eine bundesweit höchste Impfquote.
Es gibt schon Hinweise darauf, dass Migranten häufiger infiziert sind…
Das hat nichts mit der Herkunft zu tun. Aus meiner Sicht ist das ein sozio-ökonomisches Problem. Menschen mit Einwanderungsgeschichte sind statistisch jünger, wohnen beengter und arbeiten häufiger in Berufen, in denen Homeoffice nicht möglich ist. Wer in der Pflege, Reinigung oder Paketzustellung arbeitet, hat unvermeidlich mehr Kontakte und nutzt häufiger den öffentlichen Nahverkehr.
Bei den „Spaziergängen“ von Impfgegnern sieht man selten Migranten. Ist deren Loyalität zur staatlichen Krisenpolitik größer als angenommen?
Unser aktueller Teilhabe- und Integrationsbericht zeigt, dass das Vertrauen in Justiz und Polizei bei Menschen mit Einwanderungsgeschichte ausgeprägter ist als bei der übrigen Bevölkerung. Verschwörungstheorien oder der Glaube, dass staatliche Corona-Maßnahmen andere Ziele verfolgen würden als die Eindämmung der Pandemie, verfangen viel seltener.
Zuletzt haben Grabschändungen auf dem muslimischen Teil eines Friedhofs in Iserlohn Aufsehen erregt. Wie bewerten Sie den Vorfall?
Für mich ist der Vorfall ein trauriges Beispiel für anti-muslimischen Rassismus, auch wenn der Staatsschutz noch ermittelt und man die Ergebnisse abwarten muss. Es ist leider auch davon auszugehen, dass in den Statistiken über politisch motivierte Kriminalität viele islamfeindliche Straftaten nicht erfasst werden. Betroffene bringen Übergriffe oder Sachbeschädigungen oftmals nicht zur Anzeige.
Was können Sie gegen die Dunkelziffer tun?
Wir wollen neben der Meldestelle Antisemitismus, die in diesem Jahr ihre Arbeit aufnimmt, neue Meldestellen für anti-muslimischen Rassismus, für Antiziganismus, anti-schwarzen und anti-asiatischen Rassismus sowie für Queer-Feindlichkeit aufbauen. Diese wollen wir in den Gemeinden und Vereinen einrichten, wo die Menschen besonderes Vertrauen haben. So bekommen wir einen genaueren Einblick und können noch zielgerichteter unterstützen.
Die Bundesregierung will den Doppelpass für Migranten erleichtern. Der richtige Weg?
Gerade für die erste Gastarbeiter-Generation ist die doppelte Staatsangehörigkeit ein emotionales Thema. Unser gesamtes globalisiertes Leben – von der Ehe bis zum Arbeitsleben – ist viel binationaler geworden, deshalb sollten wir uns aus meiner Sicht beim Staatsangehörigkeitsrecht weiterentwickeln.