- Die Corona-Pandemie wirbelte die Wahlkampf-Pläne des OB-Kandidaten Andreas Kossiski (61, SPD) gehörig durcheinander.
- Was für Schwierigkeiten der SPD Köln aufgrund der Corona-Pandemie hat.
- Über Online Wahlkampf, die Kölner Stadtverwaltung und eine Verschiebung der Kommunalwahl.
Die Corona-Pandemie wirbelte die Wahlkampf-Pläne des OB-Kandidaten Andreas Kossiski (61, SPD) gehörig durcheinander. Mit dem Landtagsabgeordneten sprach Michael Fuchs.
Sie sind Mitte Februar als OB-Kandidat der SPD gestartet, wenige Wochen später kam die Corona-Krise. Wie haben Sie das persönlich erlebt?
Man ist erst mal geschockt und sorgt sich um seine Familie. Ich habe einen 82-jährigen Schwiegervater in Italien, der seine Wohnung acht Wochen lang nicht verlassen durfte. Mein Vater ist 90 und lebt in einem Altenheim in Büsum, den durfte ich nicht besuchen. Mein im September geborenes Enkelkind erlebe ich derzeit nur über Videotelefon. Man telefoniert sehr viel, ist mehr zu Hause als sonst, muss sich anders organisieren. Aber das geht ja vielen Menschen so.
Ihr Wahlkampf-Motto ist „auf Streife gehen“ und auf der Straße mit Menschen ins Gespräch kommen. Doch daraus wurde erst mal nichts …
Eine Streife konnte ich noch machen, bevor der Lockdown kam. Am 13. März war ich zwei Stunden in Poll unterwegs. Das war zufällig der Tag, an dem in der Rundschau ein Interview mit mir erschienen war.
Viele Bürger haben mich auf der Straße angesprochen und mit mir über die Probleme vor Ort diskutiert. Man hat mir gesagt: Bei uns ist noch nie einer aus dem Rathaus gewesen. Die Menschen fühlen sich von der Stadt oft nicht ernst genommen. Das hat mich in meinem Politik-Ansatz bestärkt: Rausgehen, mit den Menschen reden und erfahren, wo der Schuh drückt.
Genau das ist derzeit wegen Corona kaum zu machen. Wie gehen Sie damit um?
Es stimmt, viele Pläne für meinen Wahlkampf waren durch die Entwicklung erst mal hinfällig. Wir müssen improvisieren und viel Neues auf die Beine stellen. Ich fühle mich wie ein Löwe im Käfig. Ich habe gute Ideen, die ich den Menschen vorstellen möchte, darf aber nicht raus zu ihnen. Aber jede Krise birgt ja auch viele Chancen.
Wie wollen Sie die nutzen?
Man muss kreativ arbeiten, neue Wege gehen. Wir verstärken den Ausbau der digitalen Angebote, erhöhen die Präsenz in den sozialen Medien, probieren neue Formate aus. Die alte Tante SPD marschiert gerade mit Volldampf in die digitale Zukunft. Auch mein Konzept der Streife habe ich digitalisiert. Das Desaster um die Leverkusener Brücke habe ich vor Ort mit dem Vorsitzenden des Bürgervereins diskutiert und das Video im Internet veröffentlicht. Weitere digitale Formate werden folgen.
Was planen Sie?
In Kürze werde ich einen eigenen Podcast starten, bei dem ich regelmäßig mit Gästen über politische Themen sprechen werde. Das wird spannend. Am heutigen Montagabend freue ich mich auf einen Kneipen-Talk im „Bunten Hund“ in Nippes ab 20.30 Uhr. Dort werde ich mit Jochen Ott und anderen diskutieren. Im Saal werden Corona-bedingt nur wenige Menschen sein, die Debatte wird per Youtube-Kanal live im Netz übertragen.
Was meinen Sie: Könnten Sie Ihren Wahlkampf notfalls auch rein virtuell bestreiten?
Nein, dazu braucht es den persönlichen Kontakt. Mir fehlt momentan die direkte Begegnung mit den Menschen. Darum bin ich froh, dass die Regeln ab dieser Woche gelockert werden. Am Dienstag werde ich am Eigelstein und Ebertplatz auf Streife gehen, wo die Situation für Fußgänger und Radfahrer viel zu wünschen übrig lässt, auch die Bahnhofsmission besuchen. Bei meinen Streifengängen geht es ja nicht nur um Sicherheitsfragen, sondern um alle Themen, die den Menschen am Herzen liegen. Solche Termine möchte ich jetzt bis zur Wahl mehrmals die Woche machen. Ich hoffe, dass die Entwicklung das zulässt.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker ist als Amtsinhaberin auch in der Krise in der Öffentlichkeit sehr präsent, während Ihr Wahlkampf durch die Corona-Auflagen stark eingeschränkt ist. Wie wollen Sie diesen strategischen Nachteil überwinden?
Indem ich den Menschen vermittle, dass ich für ein anderes Politik-Modell stehe: Klarheit, Verantwortung und Verlässlichkeit.
Wahlkampf im Netz
Facebook, Twitter, Instagram und Co. sind für die Parteien und OB-Kandidaten im Kommunalwahlkampf 2020 wichtiger denn je geworden. Wegen der Kontakt- und Versammlungsverbote versuchen sie, Wähler verstärkt über soziale Medien, Newsletter, Videoclips und Live-Formate im Internet anzusprechen. OB Henriette Reker (r.) startet am 18. Mai ein neues Diskussionsformat unter dem Motto #rekertrifft, das man ab 18.30 Uhr live auf Facebook und Twitter verfolgen kann.
812 Follower (Unterstützer) hat Andreas Kossiski auf Twitter. Reker, die zum zweiten Mal antritt und ihren Wahlkampf bereits im September 2019 eröffnet hat, kann im Netz auf deutlich mehr Follower zählen. Bei Twitter zum Beispiel folgen ihr 10434 Personen. Dieser Vorsprung dürfte schwer einzuholen sein.
Der klassische Wahlkampf mit Massenkundgebungen und Infoständen in belebten Fußgängerzonen und Einkaufsstraßen ist in den nächsten Monaten kaum vorstellbar. Doch nur mit Plakaten, Postwurfsendungen und virtuellen Botschaften per Internet werde man viele Wähler nicht erreichen, sorgt man sich in den Parteien. Es sei zu hoffen, dass im August und September wieder halbwegs Normalität herrsche und – bei strikter Einhaltung aller Hygiene-Regeln – wieder mehr persönlicher Kontakt möglich sei, so Grünen-Chef Frank Jablonski. Offen ist weiterhin, ob bei der Wahl die Chancengleichheit für kleine Bewerber, die Unterstützer-Unterschriften sammeln müssen, gewahrt werden kann. (fu)
Wäre es besser, die Kommunalwahl wegen Corona zu verschieben? Größere Versammlungen sind weiterhin kaum möglich, und Straßenwahlkampf mit Maske und Abstandsgebot auf überfüllten Einkaufsstraßen an Samstagen scheint momentan keine gute Idee zu sein …
Die weitere Entwicklung ist schwer vorherzusagen. Für mich sieht es derzeit so aus, dass man es regeln kann, die Wahl am 13. September abzuhalten. Eine Verlängerung der ohnehin schon längeren Wahlperiode wäre problematisch. Wenn wir uns vernünftig verhalten und es nicht zu einer zweiten Infektionswelle kommt, sollten auch Straßenwahlkampf und Veranstaltungen in einem gewissen Maß wieder möglich sein. Entscheidend ist, dass die Wahl rechtsverbindlich durchgeführt werden kann und die Chancengleichheit aller Bewerber gewahrt wird.
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Sollte die SPD ihr beschlossenes Wahlprogramm wegen Corona noch mal ändern?
Ich denke, nein. Das ist ein Grundsatzprogramm, das in einem breiten demokratischen Prozess entwickelt wurde und die Positionen vertritt, die unabhängig von akuten Krisen für uns wichtig sind.
Die Infektionszahlen sinken. Hat die Stadtverwaltung in der Corona-Krise einen guten Job gemacht?
Es ist noch viel zu früh, um das zu beurteilen. Aus der Polizeiarbeit weiß ich: In der Nachbetrachtung muss genau analysiert werden, wie die Abläufe waren und was man künftig besser machen kann.
In der Krise weichen nicht nur Betriebe und Parteien auf Digitalangebote aus, auch der Schulunterricht wird derzeit im Hauruck-Verfahren digitalisiert. Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklung?
Mich treibt die Sorge um, dass Corona die Spaltung der Gesellschaft beim Thema Bildung verschärft. Kinder, deren Eltern nicht über die nötigen Geräte und das Know-how verfügen, drohen abgehängt zu werden. An den Schulen fehlen Tablets, obwohl Bund und Land dafür viel Geld zur Verfügung gestellt haben. Und es fehlt an geeigneten, Datenschutz-konformen Programmen für den Unterricht. Das muss dringend geregelt werden.