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Die NRW-Grünen und ihr ProfilDie Hypothek der Mona Neubaur

Lesezeit 3 Minuten
Mona Neubaur lächelt leicht.

Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerin für Wirtschaft sowie stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen

Wo sind die grünen Erfolge, wo bleibt das grüne Profil? Ein Jahr nach dem Start der ersten schwarz-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat der kleinere Koalitionspartner Mühe, sichtbar zu bleiben.

Zu Wochenbeginn wurden die Landtagsabgeordneten der NRW-Grünen mal wieder intern mit Werbematerial versorgt, das sie doch bitte über die sozialen Netzwerke weiterverbreiten sollten. Öffentlich zu feiern gab es die befristete Verlängerung des „Kita-Helfer-Programms“ um ein halbes Jahr, durchgesetzt von der grünen Familienministerin Josefine Paul. Das war einigen Parlamentariern dann doch zu klein. „Die Not ist offenbar groß“, stöhnt einer.

Ein Jahr nach dem Start der ersten schwarz-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat der kleinere Koalitionspartner Mühe, sichtbar zu bleiben. Vor dem Landesparteitag am Wochenende ist eine gewisse Ernüchterung zu spüren. Wo sind die grünen Erfolge? Von der Euphorie des historischen 18,2 Prozent-Triumphes bei der Landtagswahl im vergangenen Mai, als man sich mal wieder auf dem Weg zur Volkspartei wähnte, ist jedenfalls wenig geblieben.

Wenn man den beiden Landesvorsitzenden Yazgülü Zeybek und Tim Achtermeyer am Donnerstag in der Düsseldorfer Landespressekonferenz zuhört, klingt das gleichwohl deutlich freundlicher. Bundesweiter Spitzenreiter bei der Genehmigung von Windrädern. Doppelt so viele Solaranlagen wie im Vorjahr. Vorgezogener Kohle-Ausstieg. Konstruktive schwarz-grüne Zusammenarbeit „mit unterschiedlichen Perspektiven und Biografien und politischen Kulturen“. Sogar der schrille Habeck-Heizungsärger aus Berlin sei halb so wild: „Die Menschen wollen die Klimaneutralität und Wärmewende“, versichert Zeybek. Niemand werde allein gelassen.

Das bundesweite Umfragetief und das jüngste Wahldebakel in Bremen haben jedoch viele Grüne auch in NRW wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die Zustimmung bröckelt. Vor allem artikuliert sich in den Vorfeldorganisationen immer deutlicher Unzufriedenheit. Die drei großen NRW-Naturschutzverbände haben gerade eine vernichtende Jahresbilanz gezogen. Der Kohle-Deal der Grünen-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur mit dem Energiekonzern RWE zur Braunkohle: „schwere Klimaschutz-Hypothek“. Die Zusammenlegung von Verkehrs- und Umweltministerium: „ein schwerwiegender Fehler“. Das „Ja“ aus NRW zur Bundesliste der beschleunigten Autobahn-Projekte inklusive A3- und A4-Ausbau: „Da geht die Natur vor die Hunde.“

Bislang verfolgt die Grünen-Spitze in Düsseldorf die Strategie, möglichst „geräuschlos“ an der Seite von CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst zu regieren. Bloß kein Dauerzank wie in der Berliner Ampel. Wüst behandelt den Koalitionspartner auffallend pfleglich. Mit seiner Duz-Freundin Mona Neubaur lässt er sich gern als modernes Power-Paar ablichten. Die Geräuschlosigkeit zahlt aber bislang nur bei der CDU ein und macht den Regierungschef zur schwarz-grünen Avantgarde. Sogar bundespolitische Ambitionen werden ihm inzwischen zugetraut. Mit den Mühen der Ebene hat Wüst wenig zu tun.

Als zu Jahresbeginn das Braunkohle-Protestdorf Lützerath geräumt wurde, standen die Grünen ziemlich allein im Sturm der Empörung. Und zu Wochenbeginn bei einer Schauveranstaltung zur feierlichen Unterzeichnung eines „Revier-Vertrages“ für die Zukunft der rheinischen Braunkohleregion, musste sich vor allem Wirtschaftsministerin Neubaur erklären. Wie das denn überhaupt gehen soll, in sechseinhalb Jahren ohne fossile Energieträger in Deutschlands Industrieland Nummer eins? Die IHK Köln verweigerte brüsk die Unterschrift: „Warum sollten wir einen Vertrag unterschreiben, wenn wir jetzt schon wissen, dass das nicht zu schaffen ist?“

Nur selten regt sich so etwas wie grüner Behauptungswillen. Als CDU-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann neulich Landesmaßnahmen gegen die Cannabis-Liberalisierung der Bundesregierung ankündigte, erntete er Widerspruch vom Koalitionspartner. Auch die Entlassung der türkisch-stämmigen Lehrbeauftragen Bahar Aslan an der Polizei-Hochschule, nachdem sie „braunen Dreck“ in den Sicherheitsbehörden beklagt hatte, fand grüne Gegenrede. Doch wie es um das Koch- und Kellner-Verhältnis in der selbsternannten „Zukunftskoalition“ wirklich bestellt ist, wird man vermutlich im neuen Haushaltsjahr feststellen. Die Steuerschätzung verheißt nichts Gutes, die Verteilungskämpfe zwischen den Ministerien werden zunehmen. Wie man sich da in einer Koalition in Szene setzt, kann womöglich eine streitlustige Gastrednerin beim Landesparteitag am Wochenende erklären: Die frühere NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn, einst Ikone der Umweltbewegung, tritt in Münster ans Mikrofon.