Düsseldorf – „Vertrauen“ sei gewachsen, ein „Miteinander“ möglich: Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und seine künftige Stellvertreterin Mona Neubaur (Grüne) besiegelten am Montag um 14.15 Uhr mit ihren Unterschriften unter den Koalitionsvertrag das erste schwarz-grüne Bündnis in NRW.
In den Räumen des Düsseldorfer Kunstvereins „Malkasten“, in denen in den vergangenen drei Wochen etwa 150 Verhandler um rund 150 Seiten K-Vertrag gerungen hatten, starteten die ungleichen Partner CDU und Grüne in ihr Regierungsexperiment. Im Kern geht es ihnen darum, NRW in den kommenden fünf Jahren zur „ersten klimaneutralen Industrieregion Europas“ zu machen. Mehr Windkraftanlagen und eine Solarpflicht sind wichtige Schritte auf dem Weg zu diesem Ziel.
Wüst: Eine gute Grundlage für Vertrauen
Etwas Gutes für NRW sei gelungen, sagte Hendrik Wüst über den Vertrag zwischen CDU und Grünen. Dass die Verhandler in all den Wochen praktisch nichts nach außen dringen ließen, sei „eine gute Grundlage für Vertrauen“. Und ein belastbares Bündnis sei in diesen unsicheren Zeiten auch bitter nötig. „Es wird Ereignisse geben, die in diesem Vertrag nicht beschrieben sind“, warnte Wüst. Vor fünf Jahren habe zum Beispiel niemand an Corona oder einen Krieg in Europa gedacht. „Das Leben kommt immer anders“, pflichtete Mona Neubaur ihm bei.
Debatte um möglichen Minister Liminski
Einen der Posten im neuen Kabinett könnte der überzeugte Katholik Nathanael Liminski (CDU) besetzen. Er ist im Gespräch für das Amt des Schulministers. Der Zentralrat der Konfessionsfreien kritisiert die Personalie. Unserer Redaktion sagte der Vorsitzende des Vereins, Philipp Möller: „Jemand wie Nathanael Liminski mit seinen radikal christlichen Vorstellungen sollte nicht die Bildungspolitik eines Landes bestimmen.“ Die Personalie sei ein Beispiel für „demokratische Verantwortungslosigkeit“. Religiöse Beeinflussung von Schülern müsse verhindert werden, forderte Möller und fügte hinzu, bei einem solchen Bildungsminister sei klar, wie es mit sexueller Aufklärung im Schulunterricht weitergehen würde. (swi)
Die Frauen und Männer aus der sogenannten Steuerungsgruppe setzten ihre Unterschriften unter den „Zukunftsvertrag“. Neben Neubaur und Wüst unterzeichneten CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen, der Grünen-Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak, Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU), Grünen-Landesgeschäftsführer Raoul Roßbach, Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski (CDU), die künftige Familienministerin Josefine Paul (Grüne) sowie Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer das Papier mit edlen Schreibgeräten aus Frankreich. Zu den Unterzeichnern zählen auch die frisch gewählten Grünen-Landesvorsitzenden Yazgülü Zeybek und Tim Achtermeyer.
Hat mit Wüst und Neubaur ein politisches Traumpaar zueinander gefunden? Die beiden Mittvierziger präsentierten sich am Montag als solches, wenngleich es Wüst westfälisch-nüchtern beschrieb: „Ich habe das Gefühl, das funktioniert.“ Neubaur sagte: „Wir kannten uns vorher nicht. Wir hatten nur die Handynummern voneinander. Aber wir haben uns kennengelernt als Streiterin und Streiter an der Spitze der Verhandlungsteams.“ Mit fairen Mitteln und „auf Augenhöhe“ gehe man an die Arbeit.
Kutschaty übt scharfe Kritik am Programm
Zu denen, die nicht recht daran glauben, dass es traumhaft läuft zwischen Schwarzen und Grünen, gehört Thomas Kutschaty. Der SPD-Landtagsfraktionschef schaltete gut eine Stunde vor der Besiegelung des neuen Bündnisses in den Oppositionsmodus. „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden von dieser Regierung nicht viel zu erwarten haben. Schwarz-Grün droht zu einer Regierung für Besserverdienende zu werden“, sagte Kutschaty. Der Koalitionsvertrag beschere zehn Millionen Mieterinnen und Mietern in NRW keinen besseren Schutz vor explodierenden Wohnkosten. Pflegerinnen und Pfleger an den Unikliniken warteten bisher vergeblich auf feste Zusagen für einen „Tarifvertrag Entlastung“, Industrie-Beschäftige, zum Beispiel bei Vallourec, bangten um ihre Jobs, und die angekündigte Solarpflicht dürfte viele Eigentümer finanziell schwer belasten, wetterte der alte und neue Oppositionsführer.
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Kutschaty drohte sogar damit, den im Jahr 2014 zwischen SPD, Grünen und CDU geschlossenen „Schulfrieden“ im kommenden Jahr nicht zu verlängern. Der Koalitionsvertrag biete „keine Basis“ mehr dafür. Begründung: Das Papier enthalte kein Abschulungsverbot, lege das gemeinsame Lernen zwischen Kindern mit und ohne Behinderung (Inklusion) allein in die Entscheidungsgewalt der Schulen und lasse offen, wie viel Geld NRW bereitstellt, um Schulen in sozialen Brennpunkten besser auszustatten.
Auf die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags soll am heutigen Dienstag die Wiederwahl und Vereidigung des Ministerpräsidenten folgen. Am Mittwoch will Wüst die neuen CDU-Ministerinnen und -minister vorstellen.