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Fragen und AntwortenWas man jetzt zum „Boostern“ in NRW wissen sollte

Lesezeit 4 Minuten
Corona Impfung

Symbolbild 

  1. Patienten müssen für ihre dritte Corona-Impfung mitunter lange auf Termine warten.
  2. Personal und Ärzte werden indessen nicht nur von Impfgegnern angegangen.
  3. Ein Überblick über die aktuelle Lage.

Düsseldorf – „Boostern für alle“ ab 18 ist jetzt nicht mehr nur eine Empfehlung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), sondern seit Donnerstag auch der Ständigen Impfkommission (Stiko). Die niedergelassenen Ärzte in NRW haben aber viel Mühe, die steigende Nachfrage nach Booster-, Erst- und Zweitimpfungen bedienen zu können. Ein Überblick über die Lage.

Wie groß ist das Interesse am Boostern?

Es nimmt deutlich zu. Die Woche zwischen dem 8. Und de 14. November war allein im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) mit insgesamt 171000 Impfungen „die beste Impfwoche seit Schließung der Impfzentren Ende September“, erklärte KVNO-Vorstand Dr. Frank Bergmann am Donnerstag. Darunter waren 114000 Booster-Impfungen. Die Landesregierung hat mit den beiden KV-en im Rheinland und in Westfalen-Lippe vereinbart, dass sich in den Praxen und in den kommunalen Impfstellen künftig wöchentlich etwa 800000 Menschen in NRW impfen lassen können. In Deutschland wurden allein am Mittwoch 504000 Impfdosen verabreicht, darunter 382000 Dosen für Booster-Impfungen. Insgesamt haben jetzt 4,8 Millionen Deutsche eine Auffrischungsimpfung bekommen.

NRW liegt derzeit laut KVNO sowohl bei den Erstimpfungen (74,4 Prozent der Bevölkerung) als auch bei den Zweitimpfungen (71,1 Prozent) auf Rang fünf im Vergleich der Bundesländer. Bei den Booster-Impfungen (5,6 Prozent) erreicht NRW Rang sechs.

Wann bekommen alle, die es wollen, einen „Booster“-Termin?

Das dürfte nach derzeitigem Stand noch viele Monate dauern. Die Arztpraxen können nicht so schnell impfen, wie es von den Patienten gewünscht wird, die neuen kommunalen Impfstellen gehen erst nach und nach an den Start und die Betriebsärzte warten noch auf ihren Einstieg in die Auffrischungs-Impfung. Der Chef des NRW-Hausärzteverbandes, Oliver Funken, sagte der „Rheinischen Post“, teilweise seien in Praxen schon bis Februar keine Impftermine mehr zu bekommen.

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„Wir können realistisch davon ausgehen, dass wir wieder sehr hohe Impfquoten in den Praxen erreichen werden“, sagte Frank Bergmann von der KVNO. Viele Praxen würden inzwischen auch schon samstags Termine anbieten. „Wir werden aber nicht alle, die sofort wollen, auf einmal bedienen können“, gibt Bergmann zu bedenken. Den Ärzten stünden impfintensive Wochen bevor, die Immunisierung der Bevölkerung werde sich noch bis ins Frühjahr hinziehen, prognostiziert er. Auch eine andere Hoffnung wird von der KVNO gedämpft: „Nur mit Boostern werden wir diese vierte Welle nicht brechen.“ Dafür müsse auch die Zahl der Ungeimpften in Deutschland immer noch deutlich verringert werden.

Eine Priorisierung von Impfwilligen nach dem Motto „Die Älteren zuerst“ lehnte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ab. Stattdessen sollte der Zeitabstand von sechs Monaten nach der letzten Impfung möglichst eingehalten werden. Wenn aber jetzt auch viele Jüngere nach Auffrischungsimpfungen fragen, gerät das „System“ an seine Grenzen, wie Frank Bergmann erklärte. „Die Vertragsärzte können nicht ab November/Dezember alle über 18 Jahren möglichst schnell boostern.“

Haben die Ärzte die Lage falsch eingeschätzt?

Inzwischen ist in der Landespolitik der Vorwurf an Medizinerverbände laut geworden, sie hätten sich mit ihrer Ansage „Wir schaffen die Impfkampagne mit den niedergelassenen Ärzten“ zu weit aus dem Fenster gelehnt. Immerhin wurden auch infolge dieser Einschätzung Ende September die Impfzentren geschlossen, die nun für die Booster-Impfungen in verkleinerter Form in den Städten erst wieder eingerichtet werden müssen, bevor auch sie wieder in die Impfungen einsteigen können. Die KVNO fühlt sich nicht für die Impf-Engpässe verantwortlich. Sie habe nie gefordert, die Impfzentren zu schließen, dass sei eine politische Entscheidung gewesen. Es habe zudem im Spätsommer noch das Bewusstsein dafür gefehlt, wie wichtig die Auffrischungsimpfung nach sechs Monaten sei. Eine Einbeziehung der Apotheken in die Impfkampagne lehnt die KVNO übrigens ab. Das Boostern gehöre „in die Hand des Arztes“, denn es könne vereinzelt zu Nebenwirkungen kommen. Apotheken hätten andere Aufgaben.

Wie ist die Stimmung in den Arztpraxen?

Kurz gesagt: Schlecht. Medizinische Fachangestellte und Ärzte sind nach vielen Monaten Impfkampagne an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen und gingen „in die Knie“. Zum Teil spielten sich in den Praxen „gruselige Szenen“ ab, sagte der KVNO-Vize-Vorsitzende und Hausarzt Dr. Carsten König. Viele Impfwillige reagierten aggressiv, wenn sie erfahren, dass sie nicht gleich einen Termin für ihre Immunisierung bekommen. Wutausbrüche und übelste Beleidigungen trieben vielerorts das Praxispersonal in die Verzweiflung. Unerträglich sind für viele Impf-Ärzte auch die Anfeindungen von Impfgegnern. Sie gingen bis hin zu Morddrohungen. Manchmal würden auch Nazi-Symbole an die Praxistüren geschmiert. „Das ist ekelhaft“, sagte Carsten König.