- In der Gastronomie oder auf Konzerten, sollen ab kommender Woche NRW-weit nur noch Geimpfte oder Genesene Zugang haben.
- Kritik an der 2G-Regel kommt aus der Wissenschaft, doch es gibt auch Befürworter
Köln – Ab der kommenden Woche sollen in ganz Nordrhein-Westfalen im gesamten Freizeitbereich nur noch Geimpfte oder Genesene Zutritt erhalten. Was bedeutet das für die betroffenen Bereiche und vor allem: Reicht diese 2G-Regel, um die vierte Welle der Corona-Pandemie zu brechen?
Wie steht die Wissenschaft zur 2G-Regel?
Vertreter der Wissenschaft sehen die 2G-Regel weitestgehend kritisch. Der Virologe Christian Drosten warnte in seinem Podcast davor, dass sich Kontakte durch die 2G-Regel ins Private verlagerten. Die Folge: Geimpfte und Genesene seien auch durch 2G kaum geschützt – zum Beispiel wenn Kinder das Virus aus der Schule mit nach Hause tragen.
Den gleichen Standpunkt vertrat auch die Physikerin und Modelliererin Viola Priesemann in einer Bundesanhörung zu den Ampelplänen. Nur Impfungen und Auffrischimpfungen seien der „nachhaltige Weg aus dieser Welle“. Kritisch sieht auch der Bonner Virologe Hendrick Streeck die 2G-Veranstaltungen. Geimpfte hätten damit das Gefühl, nicht mehr Teil der Pandemie zu sein.
Kritik an Wüst: „Realitätsverweigerung“ und „Schadensbegrenzung“
Neben der NRW-weiten 2G-Regel im Freizeitbereich (Gastronomie, Kino, Sport, Kultur) muss bei besonders risikoreichen Veranstaltungen wie Karnevalsfeten oder Diskotheken-Besuchen muss zusätzlich ein aktueller Test vorgelegt werden (2G plus). Die genauen Vorgaben der neuen Corona-Schutzverordnung sollen Kommunen und Privatfirmen erst nach der für Donnerstag geplanten Ministerpräsidenten-Konferenz gemacht werden.
SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty (Foto links) kritisierte, dass Wüst angesichts rasant steigender Corona-Zahlen viel zu spät gegensteuere: „Die Kontrolle über das Infektionsgeschehen ist uns längst entglitten.“ Bei vier Millionen Ungeimpften allein in NRW sei es nur eine Frage der Zeit, bis die dramatische Lage aus Bayern und Sachsen in den Westen Deutschlands übergreife. Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer warf Wüst „Realitätsverweigerung“ vor: Er habe sich wochenlang hinter dem Ruf nach einer Ministerpräsidenten-Konferenz versteckt: „Wir reden nicht mehr über Vorsichtsmaßnahmen, sondern über Schadensbegrenzung.“
Die Kommunen lobten den Kurs, den NRW einschlägt. „Die Städte unterstützen ausdrücklich, dass die 2G-Regel flächendeckend im Freizeitbereich gelten soll. Damit greift das Land eine wichtige Forderung des Städtetages NRW auf“, sagte Helmut Dedy (Foto rechts), Geschäftsführer des Kommunalverbandes, dieser Redaktion. Genauso richtig sei es, für Karnevalssitzungen und Diskotheken 2G plus einzuführen. „Die Infektionszahlen steigen rasant. Schnelles Handeln tut Not“, erklärte Dedy.
Für „gefährlich“ hält der Virologe Alexander Kekulé die 2G-Regel. In seiner „Focus“-Kolumne schrieb er, der Verzicht auf Nachverfolgung und die nicht mehr begrenzte Teilnehmerzahlen bei 2G-Veranstaltungen seien Hauptgrund für die steigende Inzidenz. Kekulé spricht sich für zeitlich begrenzte, regionale Kontaktbeschränkungen aus.
Wirkliche Sicherheit gebe es nur mit einer 1G-Regel, sagte der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit im Deutschlandfunk – also Zugang nur für Getestete, egal ob geimpft, ungeimpft oder genesen.
Was bedeutet 2G für die Gastronomie?
Von „bitteren Wochen“, die dem Gastgewerbe bevorstehen, spricht der Deutsche Hotel und Gaststättenverband (Dehoga) Nordrhein-Westfalen. Die Branche befürchte zum Jahresende hohe Umsatzeinbußen wegen der 2G-Regel und abgesagter Feiern und Veranstaltungen.
Matthias Johnen, stellvertretender Geschäftsführer des Dehoga-Bezirksverbands Nordrhein sagte, die Situation unterscheide sich in der Region sehr stark. Die Kontrollsituation sei eine andere, je nachdem ob es um ein Restaurant in der Stadt oder auf dem Land gehe. „Restaurants mit eher höherer Stammkundenzahl kämen mit der Regelung besser klar“, sagte Johnen. Sind die Gäste bekannt, steige auch die Akzeptanz für Kontrollen. Nach wie vor ein Problem sei ein großer Anteil von gefälschten Impfpässen, die im Umlauf seien.
„Für die Gastronomie ändert sich durch die 2G-Regel quasi nichts“, sagt dagegen Till Riekenbrauk von der Kölner Interessensgemeinschaft Gastro. 98 Prozent der Gäste in den Restaurants seien ohnehin geimpft. Dennoch sei es ein wichtiges Zeichen der Politik, 2G als sichere Variante für den Restaurantbesuch darzustellen. Das sich nichts ändert, heißt aber nicht, dass es keine Probleme gibt. Unabhängig von 3G, 2G oder 2G-Plus herrsche bei den Gästen wie auch in anderen Bereichen der Gesellschaft „die große Verunsicherung“. Denn mit den Infektionszahlen wachsen auch die Zweifel, ob zum Beispiel bereits geplante Weihnachtsfeiern noch in die aktuelle Zeit passen.
Die IG Gastro hat auch abgefragt, wie ihre Mitglieder zu eine 2G-plus-Variante stehen. Das Ergebnis: 2G plus mache eher für Clubs und Diskotheken Sinn. Ein zusätzlicher Test für das Feierabendbier in der Eckkneipe – das mache niemand mit.
Wie reagiert die Veranstaltungsbranche?
Stefan Löcher, Chef der Kölner Lanxess-Arena hält die 2G-Regel für umsetzbar, bei Karnevalsveranstaltungen hält er 2G plus für denkbar. Löcher fürchtet keine verunsicherten Kunden, die aus Angst nicht in die Arena kommen. Davon hatte er am Sonntag noch berichtet. „Wenn es mal eine klare Regelung über mehrere Monate gibt, dann verunsichert das die Leute auch nicht.“ Und Löcher betonte: „Ich finde es ganz wichtig, dass es nicht nur um Angst und Panikmache geht.“
Wiederholt hatte Philharmonie-Intendant Louwrens Langevoort betont, dass eine 2G-Regelung für die Besucher der Philharmonie am besten wäre. Dann könnte man auch auf das Tragen der Maske verzichten. Doch wie Sprecherin Silke Ufer nun relativiert, beobachtet das Team, „dass immer mehr Konzertbesucher die Maske am Platz aufbehalten.“ Daher wolle man empfehlen, die Maske doch zu tragen.
Zwei bis fünf Prozent der Besucher legen laut Ufer einen negativen Corona-Test vor. Bei der verbindlichen 2G-Regelung müssten Telefonate mit Karteninhabern geführt werden, bei denen unter anderem über die Rückerstattung der Kosten gesprochen wird.
Im Schauspiel Köln ändert sich mit der 2G-Regel nicht viel. Die Zahl der Besucher, die bisher einen Test vorgelegt haben, sei „verschwindend gering“, sagt Sprecherin Jana Lösch. Auch bei einer möglichen 2G-plus-Regelung rechne sie nicht mit weniger Zuschauern.
Was bedeutet die Regel für Weihnachtsmärkte?
Das Land hat am Mittwoch die Zustimmung für eine Kölner 2G-Regelung auf den Weihnachtsmärkten gegeben. Die stichprobenartige Überprüfung der Bescheinigungen obliegt den Betreibern, manche arbeiten mit eigenen Teams, andere haben zusätzliche Securitys angestellt.
Auch an den Ständen soll kontrolliert werden. Wer sich etwa auf dem Weihnachtsmarkt am Hafen ausweist, bekommt einen Stempel, der für alle Märkte gültig ist und etwa einen Tag lang hält. Das Ordnungsamt wird ebenfalls kontrollieren.
Eine ursprünglich angedachte Einzäunung wurde wieder verworfen, da sie weder technisch noch juristisch durchsetzbar gewesen wäre. Gerade die großen Märkte auf dem Roncalliplatz, dem Neumarkt oder in der Altstadt sind öffentliches Gelände mit Wegeverbindungen, die auch von Passanten ohne Aufenthalt auf den Märkten genutzt werden. Eine Kontrolle ist hier kaum durchführbar. Eine Regelung für diese „Durchwegungen“ hat die Stadt nicht bekannt gegeben.
Ist die Messe von der Regel betroffen?
Die Kölnmesse sieht sich nicht von der 2G-Regel betroffen. „Unsere Messen haben einen klaren Business-Fokus und unterscheiden sich daher maßgeblich von Freizeitveranstaltungen wie Weihnachtsmärkten“, teilt eine Sprecherin mit.
Die anstehenden Messen sollen voraussichtlich wie geplant mit 3G-Regelung stattfinden, so wie bereits die Lebensmittelmesse Anuga im Oktober. Zur internationalen Möbelmesse erwartet die Kölnmesse vom 17. bis 23. Januar derzeit 600 Aussteller, davon 75 aus dem g Ausland.
Was kommt auf die Polizei zu?
Die Ampel-Koalitionäre wollen die Polizei verstärkt in die Überwachung der 2G- oder 3G-Zugangskontrollen einbinden. Sie betonen dabei, dass die Beamten nicht einzelne Impf-Nachweise kontrollieren sollen, sondern ob überhaupt Kontrollen seitens der Betreiber stattfinden. Die Polizeigewerkschaften warnen vor diesem Hintergrund vor einer Überlastung der Polizei.
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft DPolG, Rainer Wendt, sagte: „Die Polizei kann schon jetzt wichtige Aufgaben nicht mit voller Kraft wahrnehmen, etwa in der Verkehrsüberwachung.“
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Auch Jörg Radek, der Vize-Bundesvorsitzende der konkurrierenden Gewerkschaft der Polizei (GdP), verwies darauf, dass in erster Linie die Ordnungsämter zuständig seien. „Wir treten als Polizei erst auf den Plan, wenn es zu Konflikten kommt.“ Dass die Regeln zu wenig eingehalten würden, liege nicht an der mangelnden Kontrolle, sondern „an der fehlenden Einsicht bei zu vielen Menschen.“ Die Zuständigen vor Ort, etwa der Gastronom im Restaurant oder der Schaffner im Zug, müssten ihre Verantwortung wahrnehmen und das Hausrecht durchsetzen.
Gewerkschafts-Chef Wendt attestierte den möglichen Ampel-Koalitionären SPD, Grünen und FDP, „neben der Lebenswirklichkeit“ zu liegen. „Die Vorstellung, dass die Polizei in Bussen und Bahnen den Impfstatus der Fahrgäste kontrolliert, ist völlig abwegig, da sie schlicht nicht zuständig ist.“