Düsseldorf – Noch ist die schwarz-grüne Regierung in NRW in ihrer Startphase, doch schon grummelt es in der Landtagsfraktion des grünen Regierungspartners. Droht der Partei eine Spaltung, weil nicht jeder Grüne die neue Harmonie mit dem einstigen Konterpart CDU gutheißt?
Als die NRW-Grünen am vergangenen Donnerstagabend bei einer Klausurtagung in Essen ihre wichtigsten Personalien für die schwarz-grüne Regierungsarbeit geklärt hatten, bemühte sich die Führungsspitze auffallend um Geschäftsmäßigkeit. Motto: Gehen Sie bitte weiter, hier gibt es nichts zu sehen!
Die offizielle Version
Die seit dem Rekordergebnis bei der Landtagswahl auf 39 Mitglieder verdreifachte Fraktion habe soeben ihre Vorsitzende Verena Schäffer mit 32 Stimmen im Amt bestätigt, hieß es in einer offiziellen Mitteilung. Als Co-Chefin und Ersatz für Josefine Paul, die Ende Juni zur Familienministerin im Kabinett von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) aufstieg, sei Energieexpertin Wibke Brems mit 20 Stimmen gewählt worden. Lapidar wurde hinzugefügt, als müsse man sich dafür entschuldigen: „Auf den Vorsitz hatte sich neben Wibke Brems noch eine Person beworben.“
Die Geschichte dahinter
Bei dieser „Person“ handelte es sich um den Landwirtschaftsfachmann Norwich Rüße. Der 56-jährige Bio-Bauer aus Steinfurt sitzt seit 2010 im Landtag und ist eine einflussreiche Stimme der Grünen im Münsterland. Vor allem aber gehörte er zu den wenigen prominenten Köpfen, die es in den schwarz-grünen Festwochen der Koalitionsanbahnung gewagt hatten, öffentlich kritische Töne zu Gehör zu bringen. Rüße missfiel es etwa, dass das Umweltministerium bei der Ressortverteilung zerschlagen wurde und die Zuständigkeit für die Kernthemen Verbraucherschutz, Wald und Landwirtschaft ohne Wehklagen an die CDU ging.
Lehrkräfte in NRW
56 Prozent der in einer Forsa-Umfrage befragten Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen sehen ihre Kollegien als überdurchschnittlich belastet. Im Bundesschnitt erklärten sich 46 Prozent der Lehrer als derart belastet. Die Ergebnisse deuten auf die zentrale Bedeutung der Schulpolitik in NRW hin.
Was meinen Sie? Würde eine zu enge Verbrüderung mit der CDU die Grünen spalten?
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Obwohl Rüße erst wenige Tage vor der Klausur seine Kandidatur gegen die seit Monaten als gesetzt geltende Brems angekündigt hatte, brachte er die Verhältnisse zum Tanzen: Im ersten Wahlgang unterlag er nur mit 17:18, im zweiten mit 16:20 – bei zwei Enthaltungen und einer Nein-Stimme.
Eigene Konzepte
Das enge Rennen gilt als Hinweis, dass sich Teile der Fraktion nicht zum bloßen Räderwerk in der schwarz-grünen Regierungsmaschine machen lassen wollen. „Gemeinsam mit den engagierten Kolleginnen und Kollegen unserer Fraktion stehen wir auch in Regierungsverantwortung mit unseren Konzepten, Ideen und Vorschlägen für eine starke und selbstbewusste Fraktion und eine klar erkennbare grüne Politik ein“, versprachen Schäffer und Brems nach ihrer Wahl.
Gegengewicht zur Regierung
In mehreren Redebeiträgen war zuvor genau diese Eigenständigkeit und Diskussionsfreudigkeit eingefordert worden. Dahinter steht offenbar die Sorge, dass die grüne Wirtschaftsministerin und Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur ihre Machtposition zu sehr ausbauen könnte. Brems gilt als Vertraute, viele Neu-Parlamentarier ebenso. Mit dem linken Parteiflügel hatte Neubaur sich schon vor der Wahl arrangiert. Doch in der Fraktion ist offenbar mehr Gegengewicht zur Regierung gewünscht.
Kampf um die zweite Reihe
Im Kampf um einen Posten als stellvertretende Fraktionsvorsitzende konnte sich Neubaur-Spezi Julia Höller, Ehefrau ihres Staatssekretärs Paul Höller, nur mit 20:19 gegen Dagmar Hanses durchsetzen. Hanses hatte sich intern viel Anerkennung erworben, weil sie vor dem Landtagswahldebakel 2017 zu den wenigen Abgeordneten gehörte, die früh Zweifel an der gescheiterten grünen Schulpolitik äußerten.
Grüne so stark wie nie
Die Grünen im NRW-Landtag sind mit 39 Abgeordneten so stark vertreten wie noch nie zuvor seit ihrem erstmaligen Einzug ins Düsseldorfer Parament 1990. Getragen von einem fulminanten Bundestrend und hohen Zustimmungsraten für die Grünen-Bundesminister Robert Habeck und Annalena Baerbock konnten die NRW-Grünen ihr Ergebnis auf 18,2 Prozent gegenüber 2017 verdreifachen.
Bei der Wahl zur Fraktionsgeschäftsführerin unterlag die Neubaur angeblich nahestehende Ina Besche-Krastl überraschend Norika Creutzmann, die maßgeblich von einer Abgeordnetengruppe um Rüße unterstützt worden sein soll. Von einer Spaltung der Fraktion könne dennoch keine Rede sein, war zu hören.
Fremdeln mit der „Mona-Mania“
Unverkennbar fremdelt aber mancher mit der „Mona-Mania“ nach dem Wahlsieg und der zur Schau gestellten Harmonie mit Ministerpräsident Hendik Wüst, Neubaurs neuem Duzfreund. Führungskult und schwarz-grüne Verbrüderung passten nicht zur DNA der Partei und könnten sich rächen, wird geunkt – auch mit Verweis auf das Schicksal der FDP.