Köln – Der Frust der Anwohner rund um die Zülpicher Straße sitzt tief. Über viele Jahre hinweg hat er sich aufgestaut. Wildpinkler, Erbrochenes und „Schnapsleichen“ in den Hauseingängen, Müll, Lärm und Vandalismus haben dafür gesorgt – und das nicht nur an Karneval. „Wer uns jetzt sagt, wir sollen doch einfach wegziehen, der versteht uns nicht“, sagte ein Anwohner bei der Bürgerversammlung in der Herz-Jesu-Kirche. „An diesem Veedel hängen Emotionen. Wir können nicht einfach gehen.“
„Wir wollen unser Veedel zurück“
Rund 250 Menschen sind am Montagabend gekommen, darunter auch Wirte und Geschäftstreibende. „Wir wollen unser Veedel zurück“, sagte Kathrin Herzog aus dem Vorstand der Bürgergemeinschaft Rathenauplatz und sprach damit vielen der Anwesenden aus der Seele.
Nassreinigung der Bürgersteige und andere Ideen
Neben den großen Themen wie dem begrenzten Alkoholverkaufsverbot und dem neuen Konzept für die Karnevalstage gibt es bei den Anwohner viele kleine Ideen für die Zülpicher Straße.
Häufig gewünscht: eine Nassreinigung der Bürgersteige. Ein Vertreter der Stadtreinigung sagte zu, er werde das Thema mitnehmen.
Ein Anwohner schlug vor, dass Supermärkte und Kioske, die besonders von den Massen auf der Straße profitieren, für Kosten von privaten Sicherheitsfirmen aufkommen könnten. Ein anderer forderte, dass Kioske mobile Toilettenanlagen aufstellen sollten, um Wildpinkeln zu verhindern.
Warum es denn überhaupt so viele Kioske auf der Straße gebe, fragte eine Anwohnerin. Die Antwort lieferte ein Wirt: „Wer am meisten Geld bezahlt, bekommt den Laden. Als seröser Gastronom hat man keine Chance, ein Ladenlokal zu kaufen.“ (sim)
Unterstützung kommt nun vom Festkomitee. Präsident Christoph Kuckelkorn, der ohne explizite Einladung gekommen war, sagte Anwohnern und Wirten des Kwartier Latängs seine Hilfe zu. Diese könnte zum Beispiel gebraucht werden, wenn es um die Entwicklung neuer Konzepte geht, die die Zülpicher Straße an den Karnevalstagen entlasten sollen. „Sie haben uns an Ihrer Seite“, sagte Kuckelkorn „Sprechen Sie uns an! Wir sind da.“ Kuckelkorn sprach von einer erschreckenden Situation, die an Karneval auf der Zülpicher Straße herrsche. Dies habe nichts mit dem Kulturgut Karneval zu tun.
Ansätze gibt es bereits. Vor allem vom Verein Gastro Kwartier Latäng, der Interessensvertretung der „vernünftigen Wirte“, wie Bezirksbürgermeister Andreas Hupke sie nennt. Der Vereinsvorsitzende Markus Vogt hatte bereits beim Streitgespräch der Kölnischen Rundschau eine zweite Feierzone ins Gespräch gebracht und dafür den Hohenzollernring zwischen Rudolfplatz und Friesenplatz vorgeschlagen.
Dabei könnte dann die Hilfe des Festkomitees nötig sein, die die Fläche mit einem karnevalistischen Bühnenprogramm bespielen könnte. Stadtdirektorin Andrea Blome hatte im Rundschau-Streitgespräch versichert, dass die Stadt am Elften Elften 2022 auf ein neues Konzept setzen und von den Entlastungsflächen auf der Uniwiese abrücken werde. Dort hatte eine Art Festival-Gelände große Massen jungen Menschen angezogen.
In kleinen Schritten voran
Das Festkomitee hat Interesse an kontrollierten Feiern, da auch der Ruf des organisierten Karnevals unter den Bildern der Zülpicher Straße leidet. Es mache ihm Angst, dass der Elfte Elfte in diesem Jahr auf einen Freitag falle, sagte Kuckelkorn.
Vogt regte zudem an, das Sperrkonzept auf einen kleinen Bereich auf der Zülpicher Straße zu beschränken, statt wie bisher große Teile des Veedels abzusperren. Möglich wäre dann auch, dass ein Veranstalter die Zone regulieren und Minderjährige oder Gäste mit mitgebrachtem Alkohol abweisen könnte. Vogt brachte seinen Verein als möglichen Veranstalter ins Spiel. Auch ein von Vertretern des Kwartier Latängs gewählter professioneller Veranstalter wäre demnach für die Anwohner denkbar.
Um über solche und andere Fragen nicht nur zu reden, sondern mit konkreten Beschlüssen auch etwas zu bewirken, soll nun ein Veedelsbeirat entstehen, organisiert von Bezirksbürgermeister Andreas Hupke. Dieser soll drei bis vier Mal im Jahr öffentlich tagen, zum ersten Mal spätestens im Mai.
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Auf großen Zuspruch bei den Anwohnern stieß auch der Vorschlag eines begrenzten Alkoholverkaufsverbots im öffentlichen Raum – an bestimmten Tagen, zu bestimmten Zeiten. Die politischen Parteien hatten sich der Rundschau gegenüber offen dafür gezeigt. Derzeit fehlt jedoch die rechtliche Grundlage dafür, die der Landtag schaffen müsste.
Die Berichte über laute Partys auf den Straßen mit exzessiven Alkoholkonsum gab es schon vor Jahren. Die Bürgerversammlung am Montag ist nicht die erste. „Es hat sich nichts verändert“, meinte eine Anwohnerin. Markus Vogt sieht das anders. Er ist davon überzeugt, dass es in kleinen Schritten voran geht, seitdem der Verein vor vier Jahren gegründet wurde. „Es hat Zeit gebraucht, aber es werden immer mehr Unterstützer. Wir bekommen mehr Gewicht“, sagte Vogt. Auch mit Stadtdirektorin Andrea Blome gebe es einen guten Austausch. Das sei mit ihrem Vorgänger Stephan Keller nicht so gewesen. Was nun gebraucht werde, sei Einigkeit. „Wenn wir uns mit einer Stimme aus dem Veedel an die Stadt wenden, können wir nur schwer überhört werden.“