Köln – Seit 1412 Tagen ist Henriette Reker (62, parteilos) Oberbürgermeisterin der Stadt Köln, knapp vier Jahre. Sie ist die erste Frau in diesem Amt, die erste OB ohne Parteizugehörigkeit, ohne CDU- oder SPD-Parteibuch. 2015 haben CDU, Grüne, FDP, Freie Wähler und die Ratsgruppe Gut Reker unterstützt – ein neuer Zusammenschluss.
Alles deutet darauf hin, dass sie in dieser Woche eine erneute Kandidatur bei der OB- und Stadtratswahl im Herbst 2020 verkündet. Doch was heißt das für die Stadt, für die Parteien? Eine Analyse.
Wann macht Reker ihre Entscheidung öffentlich?
In dieser Woche, vermutlich am Donnerstag, damit rechnen fast alle Beteiligten. An diesem Tag nimmt die OB an der Sitzung des erweiterten CDU-Parteivorstandes teil und soll sich erklären. Danach wäre die Entscheidung nicht geheim zu halten, deshalb wird Reker wohl vorher Klarheit schaffen. Zumal CDU und Grüne am 21. September ihre Mitglieder abstimmen lassen wollen, ob sie die OB erneut unterstützen.
Traut Reker sich eine zweite Amtszeit zu?
Es gab eine Zeit, in der die OB gebeutelt wirkte, zermahlen im Kampf zwischen Verwaltung und Politik, gehetzt vom Tempo der Stadt. Mittlerweile soll sie dem Vernehmen nach mehr auf sich achten, auch mal Auszeiten nehmen. Seit einigen Monaten wirkt sie angriffslustiger, frischer – angekommen im Wahlkampf-Modus.
Was passiert gerade hinter den Kulissen?
Seit Samstag wirbt Reker an der grünen Basis um Unterstützung. Bei Treffen mit je drei Stadtbezirken legt sie ihre Vorstellungen dar. Am Montag traf sie Grüne aus Nippes, Ehrenfeld und Chorweiler, Freitag folgen die rechtsrheinischen Bezirke. Viele in der Partei, darunter die Grüne Jugend, hatten sich nach dem Erfolg bei der Europawahl einen eigenen Kandidaten gewünscht. Im Juni votierten 40 Prozent auf der Mitgliederversammlung dafür, auch mit anderen Bewerbern zu reden – doch jetzt ist von einem „Heimspiel“ für Reker die Rede.
Wer unterstützt Reker im Jahr 2020 erneut?
Wenn Reker wieder antritt, ist die CDU an Bord, das hat Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau angekündigt. Er sagt: „Wir sind sehr zufrieden mit Frau Rekers Leistungsbilanz.“ Die Frage, ob er selbst zur Verfügung stünde, stelle sich aktuell nicht. Die CDU könne auf eine gute Bilanz zurückblicken. Bei den Grünen haben sich Partei- und Fraktionsvorstand bereits hinter sie gestellt, das erste Gespräch an der Basis lief auch klar pro Reker.
Was ist mit der FDP, den Freien Wählern und Gut?
Die Freien Wähler sind abgesprungen, sie sehen zu viele Unterschiede. Auch die FDP rückt von Reker ab. Fraktionschef Ralph Sterck sagt: „Ich würde meiner Partei nicht empfehlen, noch mal einem Wahlbündnis von CDU und Grünen für Frau Reker beizutreten.“
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Man sei in vielen Bereichen von Rekers Politik enttäuscht, vor allem beim Thema Verkehr und beim Wohnungsbau. Die Pförtnerampel in Weiden oder das Lkw-Verbot auf der Rheinuferstraße sind für Sterck „Beispiele für reine Symbolpolitik“, die Ausrufung des „Klimanotstands“ in Köln nennt er übertrieben. Am Mittwoch berät der Parteitag. Es gilt als wahrscheinlich, dass die FDP keinen eigenen OB-Kandidaten aufstellt. Thor Zimmermann (Gut) will sich als letzte aller Parteien entscheiden, er hält auch einen eigenen Kandidaten für möglich. Ergo: Aus fünf früheren Verbündeten könnten ganz schnell nur noch zwei werden, allerdings die größten mit den meisten Mitgliedern – was für den Straßen-Wahlkampf wichtig ist.
Was bedeutet ein schwarz-grünes OB-Bündnis?
Das hängt von den Ergebnissen für den Stadtrat ab, er wird am selben Tag wie das Oberbürgermeisteramt gewählt. Umso stärker Rekers Unterstützer im Rat sind, desto stärker ist sie selbst. Eine Umfrage der CDU-Fraktion lieferte dieses Jahr folgende Ergebnisse: CDU 27 Prozent, SPD 23, Grüne 19, FDP 9 und Linke 7. Das war aber vor der Europawahl und dem Höhenflug der Grünen. Die FDP wird künftig wohl weniger Entscheidungen mittragen. Gleiches gilt für Gut und Freie Wähler. Reker muss also auf ein stabiles Bündnis mit einer Mehrheit hoffen – aktuell ist Schwarz-Grün ein Minderheitenbündnis (43 von 90 Sitzen im Rat).
Was ist mit der umstrittenen Verkehrspolitik?
Es ist das Konfliktthema: Wie soll Kölns Verkehr der Zukunft aussehen? Die Entscheidung, ob man auf der Ost-West-Achse eine U-Bahn baut, vertagte Schwarz-Grün in die nächste Wahlperiode. Es war ein klassischer politischer Kompromiss, den Reker irgendwie hinbog. Und jetzt? Zieht eine der beiden Fraktionen zu Beginn einer fünfjährigen Legislaturperiode zurück – in der Hoffnung, der Wähler vergisst das bis zur nächsten Kommunalwahl 2025? Fragt man die Beteiligten danach, hört man wenig Begeisterung, sondern laute Seufzer. Es ist ein Konflikt – der eher größer wird, Stichwort Klimanotstand. Reker, frühere Umweltdezernentin, hat den neuen Status der Stadt zuletzt beim FC-Ausbau im Grüngürtel forciert. Das wird vor allem Teile der CDU wurmen, nur mit Bauchschmerzen haben sie fünf Jahre mit den Grünen durchgestanden.
Was macht die SPD in Sachen OB-Wahl?
Sie wartet Rekers Auftritt ab, will im Herbst ihren Kandidaten präsentieren. Große Namen sind bisher Mangelware. Ex-NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans hat früh abgewunken – nun will der Kölner SPD-Bundeschef werden. Im Bewerberkarussell kursieren Namen wie Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes oder SPD-Chefin Christiane Jäger. Die Umfragewerte sorgen nicht eben für Aufbruchstimmung, das Personaltableau ist nicht gerade üppig besetzt. Fraglich ist, ob der SPD noch ein Überraschungscoup gelingt.
Was bedeuten viele Kandidaten für die Stichwahl?
Kippt das Landesverfassungsgericht die Abschaffung der Stichwahl nicht doch noch, entscheidet sich Kölns OB-Wahl in einem Wahlgang. Nehmen sich also viele Bewerber die Stimmen weg, könnten wenige Stimmen ausreichen, um als OB ins Rathaus zu ziehen. Wie viele Kandidaten antreten, ist unklar, wahrscheinlich sind es Reker für Schwarz und Grün sowie ein Kandidat der SPD. Hinzu kommen wohl Linke, die Guten sowie die Alternative für Deutschland (AfD). Alle drei denken über einen eigenen Bewerber nach. Das wären fünf Kandidaten – ein Vorteil für Amtsinhaberin Reker.