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Von Campino bis WendersWas Promis Wolfgang Niedecken zum Geburtstag wünschen

Lesezeit 6 Minuten
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Wolfgang Niedecken feiert heute seinen 70. Geburtstag.

Köln – Wolfgang Niedecken wird heute 70 Jahre alt. Wir haben Prominentewie Wim Wenders und Campino um Glückwünsche gebeten.

Wim Wenders, Regisseur

Den BAP-Film „Viel passiert“ hat Wim Wenders 2002 mit Niedecken gedreht. Beide sind eng befreundet. Wenders machte ihn mit Bob Dylan bekannt. Beim Finale des Berliner Konzerts im „Heimathafen“ 2016 sangen sie gemeinsam „Heroes“ von David Bowie.

Wim Wenders

 Der Filmregisseur Wim Wenders

„Ab sofort bist Du Dichter“ Mit Wim Wenders verbindet den BAP-Chef eine lange Freundschaft„Hey, Wolfgang!Eigentlich ist alles gesagt.Zumindest zwischen uns.Da weißt Du ja schon längst,dass Du für mich wie ein jüngerer Bruder bist, den ich leider schon lange nicht mehr habe.Unser Klaus war es,der mich in den frühen Achtziger Jahren an der amerikanischen Westküste mit Mix-Tapes versorgt hat, über die ich auch in Kalifornien bestens informiert war über den unaufhaltsamen Aufstieg einer Kölner Band.So konnte ich auf dem Sunset Boulevard den ,Müsli-Män’ vor mich hin singenoder in schweren Stunden in San Franzisko in dem wie für mich geschriebenen Song,Helfe kann Dir keiner’ Trost finden.

Das ist alles (verdammt) lang her und wäre pure Nostalgie,wenn mich nicht auch Deine neuen Songs immer noch ganz innig begleiten würden, inzwischen schon mehr als ein halbes Leben lang.,Noh Gulu’ kenne ich genau so auswendig wie Deine alten Gassenhauer, und bei ,Lebenslänglich’ gelingt mir das inzwischen fast mit der ganzen Platte. Bei ,Alles fließt’ arbeite ich noch dran, da muss noch etwas Wasser den Rhein runterlaufen, Songs brauchen schließlich Zeit, sich so ins Ohr und ins Herz hineinzubohren, dass sie einfach wie zu einem selbst dazugehören. Wie viele Lieder Du inzwischen geschrieben hast, will ich gar nicht wissen. (Weißt Du das selber?)

Aber da hast Du Dir an unserem beiderseits verehrten Meister Bob Dylan ja schließlich auch ein steiles Vorbild genommen. Als der mit dem Nobelpreis für Literatur geehrt wurde, was ich für eine außerordentlich gute Wahl hielt, hat mich jemand, recht empört, gefragt, ob ich das denn für Dichtung hielte, diese Rock-Songs.(In der Frage schwang auch schon mit, dass in einer kommerziellen Sprache wie der Rockmusik die hehre Dichtkunst nichts zu suchen hätte.)

Ich antwortete, sinngemäß,dass auch Homer seine Ilias und die Odyssee wohl gesungen vorgetragen habe, und dass in meinen Augen eine große Popularität auch durchaus in der Dichtung als ein großes Kompliment gelten sollte.

Zwar habe ich Dich bislangimmer gern als „der Sänger“ begrüßt, aber das werde ich ab sofort ändern und „der Dichter“ draus machen. Außer Du hast was dagegen...Mach et joot, Jung!

(Der Vorteil, 70 zu werden, ist unter anderem der, dass man bald geimpft wird. Ich bin schon... Wir müssen nämlich alle möglichst schnell wiederDichtung und Rock ’n’ Roll live erleben!)

Campino, Sänger der Toten Hosen

„BAP war Anfang der 80er-Jahre die Band in Deutschland, die deutsche Rockband, die den Takt angegeben hat. Die haben es geschafft mit ihrem Mundart-Gesang das Kölsch hinauszutragen ins ganze Land. Und sie waren Vorbilder für alle, glaube ich, dadurch dass sie auch sehr selbstbestimmt waren, also den Independent-Geist sehr gut gelebt haben. Es ist BAP gelungen, mit dieser Glaubwürdigkeit, mit dieser Aufrichtigkeit, die gesamte Nation einzufangen.

Campino

Campino, Sänger der Band "Die Toten Hosen"

Ich wüsste nicht, in welcher Studentenbude deren Platten nicht gelaufen wären? Mit „Kristallnaach“, „Verdamp lang her“ und so weiter haben sie absolute Ausrufezeichen gesetzt, wirklich Klassiker geschrieben, die auch heute noch eine Relevanz haben, die heute noch berühren. Wolfgang nimmt auch sein Leben mit auf die Bühne. Ich glaube, dass er auch immer wieder aus Erlebtem schöpft und diese Sachen in tolle Lieder packen kann. Und deshalb glaube ich, dass er kein Limit vor sich hat.“

Horst Köhler, früherer Bundespräsident

„Wolfgang ist gepolt auf Menschen, mit Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit. In der Südstadt von Köln gibt es alles, gibt's große Köpfe, gibt es Arbeiter, die malochen, die nicht wissen, wie sie weiterkommen, da gibt es die Kneipe, so wie das Leben halt ist. Und das hat er, glaube ich, aufgenommen. Ihn leitet auch ein moralischer Kompass

aus innerer Überzeugung auf seinem eigenen Lebensweg. Für mich ist er ein Aufklärer. In diesem Sinne beteiligt er sich an modernen Debatten über spannende oder politisch wichtige Fragen in der heutigen Zeit mit seinen Texten und seiner Musik. Ich halte das für sehr angemessen für die heutige Zeit.“

Henriette Reker, Oberbürgermeisterin

„Lieber Wolfgang. Du wirst 70 – kaum zu fassen. Du bist aus Köln und auch aus meinem Leben nicht wegzudenken. Du bist Kölner durch und durch – auch wenn Du dem Trubel manchmal in die Ruhe der Eifel entfliehst und nit für Kooche Karneval he blieve wills. Du bist eine Kultfigur, Du hast mit der Band BAP und Deiner Musik Maßstäbe gesetzt und uns kölsche Sproch in die Welt getragen. Bei Dir ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen – Songs wie „Kristallnaach“ rütteln auf und sind aktueller denn je. Dafür sind wir Dir dankbar. Durch deine Musik holst Du unsere Gefühle ab und machst uns zu Beteiligten.

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Menschlichkeit – das ist Dein Thema. Mir hat als Kölnerin schon immer dein Engagement für die schwachen und benachteiligten Menschen imponiert – ob hier in Köln mit „Arsch huh“ oder im fernen Uganda und Ost-Kongo, wo Du Hilfsprojekte für kriegstraumatisierte Kindersoldaten und Kinderprostituierte ins Leben gerufen hast. Du bist kein „Gutmensch“ – Du bist vielmehr im besten Sinne ein guter Mensch. Lieber Wolfgang, ich wünsche Dir alles Gute zum 70. Geburtstag – und vor allem Gesundheit, damit wir noch viel von dir hören.“

Bastian Campmann, Kasalla-Sänger

Lieber Wolfgang, wir kennen uns persönlich nur, wie man sich halt kennt, wenn man in derselben Sprache, auf demselben „Bierdeckel“, Musik macht. Aber dein Einfluss auf die Musik aus dieser Stadt ist ebenso monströs wie deine Präsenz in meiner musikalischen Sozialisation.

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Bastian Campmann

Meine erste Erfahrung mit BAP war ,Wahnsinn’. Also die Platte. Das ,Best-of’. Im Zeltlager in Frankreich mit 18 Jahren rauf und runter im Discman laufen gehabt. Alle Texte auswendig gekonnt. Ohne sie damals ganz zu verstehen. ,Di Hätz es ne Nüümaat’ aus meinem Für-Immer-BAP-Lieblingslied ,Paar daach fröher’ erst Jahre später übersetzt und trotzdem beim ersten Hören gefühlt. Du hast ,Arsch Huh’ mit initiiert, den Titelsong einer Bewegung getextet, die auch und gerade heute so wichtig ist. Du warst und bist ein streitbarer Geist. Von vielen Seiten angegriffen. Aber du bist immer deinen Weg gegangen. Auch durch deine privaten Stürme. Seit nunmehr 70 Jahren. Danke! Für deine Lieder, deine klare Kante, dein Engagement. Deine Fußstapfen sind schon jetzt ,ne Nüümaat’. Feier dich und das Leben!“

Henning May, Sänger AnnenMayKantereit

„Wolfgang Niedecken hat jetzt nicht irgendwelche Themen besetzt, weil er dachte, die wird es noch in 50 Jahren geben. Der hat die Themen besetzt, weil die besetzt werden mussten und hat nicht aufgehört. Und heute sind die immer noch aktuell.Wolfgang Niedecken zeigt auch: Es hört nicht mit 35 auf, und dann muss du in einen anderen Beruf gehen, sondern man kann das schaffen, ein Leben lang Künstler sein. Es geht.“Protokolle: Jens Meifert