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Rheinbach und der „ewige Troubadour“Bewegende Plädoyers für Demokratie und Vielfalt

Lesezeit 6 Minuten
Von links: Hein Pelzer (Bass), Günther Nürnberg (Percussion), Ralf Paas (Mundharmonika und Technik), Bernd Schumacher und Arno Schumacher (Rhythmus-, Solo- und Slidegitarre) interpretieren gesellschaftskritische Lieder ihres alten Kumpels Wolfgang Niedecken.

Hein Pelzer (Bass), Günther Nürnberg (Percussion), Ralf Paas (Mundharmonika und Technik), Bernd Schumacher und Arno Schumacher (Rhythmus-, Solo- und Slidegitarre) interpretieren gesellschaftskritische Lieder ihres alten Kumpels Wolfgang Niedecken.

Mit BAP-Liedern auf Hochdeutsch begeisterten Bernd Schumacher und musikalische Weggefährten im Rheinbacher Stadttheater.

Es gibt sie noch, die Troubadoure und Troubairitz, deren Lieder Menschen bewegen und aufrütteln. Der Rheinbacher Musiker und Schriftsteller Bernd Schumacher ist ein solcher Poet. Mit seinem alten Freund Hein Pelzer (Bass), seinem Bruder Arno Schumacher (Rhythmus-, Solo- und Slidegitarre), seinem Schwager Günther Nürnberg (Percussion) sowie Ralf Paas (Mundharmonika/Technik) interpretierte der 72-Jährige am Freitagabend im vollen Stadttheater gesellschaftskritische Lieder ihres alten Kumpels Wolfgang Niedecken.

Und damit auch wirklich jeder der Botschaft gegen Engstirnigkeit, Intoleranz und das Vergessen folgen konnte, sang Schumacher mit Einverständnis des bekannten Kölschrock-Urvaters und BAP-Frontmanns Niedecken, den er 1964 in der Schulband kennenlernte, auf Hochdeutsch. Der Dank Schumachers galt vor allem seiner Frau Ruth „für die tolle Präsentation“, mit der das Leben und die Schaffenszeit des Kölner Künstlers Niedecken illustriert wurden. Viel Applaus erhielt Bernd Schumacher, einstiger Frontmann der bekannten Rheinbacher Rockgruppe „Tiebreaker“, für sein eigenes Stück „Der ewige Troubadour“, das er bescheiden ganz ans Ende des rund drei Stunden währenden Abends stellte. Darin geht er der Frage nach, was Recht und was Unrecht ist: „Hast du auch noch Mut, wenn der Wind sich dreht? Bleibst du standhaft, reicht deine Energie, oder fällst du auf die Knie?“

„Rheinbach steht zusammen für Demokratie“

Das Benefizkonzert knüpfte an eine Demo gegen rechts im vergangenen Jahr an, zu der Tausende auf den Himmeroder Wall gekommen waren. „Rheinbach steht zusammen für Demokratie“, betonte Rheinbachs Bürgermeister Ludger Banken als Schirmherr. Er unterstrich die Ausrichtung der Veranstaltung: „Wir sind hier, um ein klares Bekenntnis abzugeben für Toleranz, und Vielfalt, für Grundrechte und ein friedliches Zusammenleben in Freiheit.“ Glücklicherweise würden in Rheinbach die demokratischen Werte bislang nicht in Frage gestellt: „Ich hoffe und wünsche mir und bin mir auch ganz sicher, dass das so bleiben wird.“ Organisiert wurde das Konzert gemeinschaftlich mit der Stadt Rheinbach, den im Stadtrat vertretenen Parteien CDU, SPD, FDP, UWG und Grünen sowie den Schülern und Schülerinnen des Städtischen Gymnasiums, dessen Aula als Stadttheater dient.

"Demokratie beinhaltet Gleichberechtigung und Zusammenhalt." Mit ihren Redebeiträgen bereicherten die Schüler und Schülerinnen des städtischen Gymnasiums, Jugendliche aus den zwei Geschichtskursen der Jahrgangsstufe zwölf, das Konzert.

„Demokratie beinhaltet Gleichberechtigung und Zusammenhalt.“ Mit ihren Redebeiträgen bereicherten die Schüler und Schülerinnen des städtischen Gymnasiums, Jugendliche aus den zwei Geschichtskursen der Jahrgangsstufe zwölf, das Konzert.

Die Jugendlichen aus den zwei Geschichtskursen der Jahrgangsstufe zwölf hoben mit ihren Beiträgen „die positiven Seiten der Welt hervor“. Sie erinnerten daran, dass jeder der Anwesenden in einer Demokratie lebe und in der Wahl seines Berufes und Arbeitsplatzes, seiner Ausbildungsstätte, Kleidung und Religion frei sei. Demokratie beinhalte Gleichberechtigung und Zusammenhalt. Das bedeute, „Meinungsverschiedenheiten zu tolerieren und zu respektieren, damit wir endlich ein friedliches Miteinander schaffen.“ Harmonische Diskussionen könnten auch im Unterricht nur dann entstehen, wenn „Raum für unterschiedliche Denkweisen, Lösungsansätze und Standpunkte gelassen wird.“ Weitere elementare Punkte seien Vielfalt und Diversität „Das Andere ist ein Teil von uns und die Welt ist in ständigem Wandel, sie ist bunt und abwechslungsreich“, so die Schüler.

Junge Leute beziehen Stellung

In Deutschland sei jeder dankbar für die Achtung der Menschenrechte, zu denen auch die freie Entfaltung der Persönlichkeit zähle. „Wir sollten uns klar machen, dass das nicht selbstverständlich ist und dass es in der deutschen Geschichte auch schon oft anders war.“ In diesen Zeiten seien junge Menschen dazu aufgefordert, Stellung zu beziehen. Es gelte, Kompromisse für das Gemeinwohl einzugehen und gemeinsame Wege zu finden, „von denen wir alle profitieren können“. Gewalt sei keine Lösung.

Die Sprecher der demokratischen Parteien Rheinbachs forderten die Besucher zur „Wachsamkeit in stürmischen Zeiten“ auf und appellierten, wählen zu gehen. Demokratie werde durch Nicht-Wähler geschwächt, betonte der FDP-Stadtverbandsvorsitzende Christoph Maurer, jede Stimme zähle: „Gehen Sie wählen und nehmen Sie sich die Zeit, denen zuzuhören, die sich noch nicht entscheiden können.“ Demokratie lebe vom Engagement der Bürger, bekräftigte Jessica Thielen (CDU): „Demokratie hat eine Zukunft, sie kann nicht nur überleben, sondern sogar erblühen. Sie ist unsere letzte Chance auf eine gerechtere Welt.“

Ute Krupp (SPD) erinnerte daran, dass völkische und rassistische Denkmuster schon einmal in die Katastrophe geführt hätten: „Nichts davon löst unsere Probleme oder bringt unser Land weiter voran.“ Krupp appellierte, „Flagge zu zeigen für uns und unsere Demokratie“. Erich Mosblech (UWG) wünschte sich, „dass unser Handeln stets von Respekt und einem friedvollen Miteinander geprägt sei“. Grünen-Vertreter Kai Conradi trat ein für gesellschaftliche Vielfalt: „Sie ist das Herzstück einer lebendigen, starken Demokratie.“ Per Videobotschaft war auch Wolfgang Niedecken dabei und plädierte vom Schreibtisch aus für den Gang zur Wahlurne. Die von ihm stammenden und am Abend gespielten Stücke sollten dazu animieren, „demokratisch wählen zu gehen, aber auf keinen Fall links oder rechts außen“, so Niedecken.

Video-Botschaft von Wolfgang Niedecken

Wörtlich sagte er: „Schönen Abend Rheinbach! Gleich geht'slos! Meine alten Kumpels, die beiden Schumacher-Brüder, der Hein Pelzer und noch ein paar andere Kollegen werden Stücke von uns spielen zum Thema ,Rheinbach steht zusammen für Demokratie'. Ich finde großartig, dass Ihr das macht!“ Auf die Botschaft wurde sein Stück „Ruhe vorm Sturm“ eingespielt, in dem er vor rechten Bauernfängern warnt. So heißt es in dem zum 75. Jahrestag des Kriegsendes in Europa veröffentlichten Song in der hochdeutschen Übersetzung aus dem Kölschen: „Skrupellose Bauernfänger, weltweit an der Macht, schwarmdemente Spießer haben sie brav dahin gebracht.“

Das Foto stammt von Tina Niedecken, gezeigt beim Konzert "Der ewige Troubadour" mit Bernd Schumacher und Band. Es zeigt von links Hein Pelzer, Wolfgang Niedecken und Bernd Schumacher nach einem Konzert von Niedecken in Koblenz im November 2016.

Hein Pelzer, Wolfgang Niedecken und Bernd Schumacher nach einem Konzert von Niedecken in Koblenz im November 2016.

Leider konnte der rührige Vertreter von Demokratie und Freiheit nicht persönlich anwesend sein, da er als Gast an einer Talkshow des NDR teilnahm. Dort stellt er mit dem Musiker Hans-Timm „Timsen“ Hinrichsen den gemeinsamen Song „Aff un to“ vor (hoch und runter), eine Neuinterpretation des BAP-Klassikers „Aff und zo“ vor. Zeitgleich zum Fernsehauftritt griff Bernd Schumacher in Rheinbach in die Saiten und erzählte von Niedeckens Jugend in der Internatsschule der Pallottiner, wo er bekanntlich auch Missbrauch erfuhr.

Deutlich wurde im Lied „Damals“ Niedeckens Widerwille, „angepasst zu funktionieren im Wirtschaftswunderland, mit Disziplin und Ellenbogen für ne Streberwelt“. Bei der gesellschaftspolitischen Reise durch das Nachkriegs-Deutschland wurden Titel gespielt wie „Amerika“, ein Dialog zwischen zwei Kölnenr, und „Nichts wie bisher“. Besungen wird dort die „Musikbox beim Wirtz“, ein Symbol für westliche Kultur und Musik. Seine Erlebnisse im Kreiswehrersatzamt hatte Pazifist und Kriegsdienstverweigerer Niedecken in dem von Schumacher temporeich präsentierten Lied „Stell dir vor“ verarbeitet.

Der Song „Nach Gulu“ geht auf den Einsatz Niedeckens für Kinder in Afrika ein, „Wir sind wieder wer“ thematisierte den Mauerfall. Es folgte mit „Jupp“ ein Lied des Mitgefühls über den gescheiterten Menschen. Beim Klassiker „Arsch huh, Zäng ussenander“ forderte Schumacher die Besucher zum Mitsingen auf: „Wie wöhr et, wemmer selver jet däät, Wemmer die Zäng ens ussenander kräät? Wenn mir dä Arsch nit huhkrieje, ess et eines Daachs zo spät“ – Wie wäre es, wenn man selbst etwas macht, wenn man die Zähne auseinander kriegt?

Am Ende zeigten sich die Besucher hingerissen von der Reise durch Niedeckens Leben und seinen kritischen Texten, die nicht jeder kannte. Dem 77-jährigen Peter Felten etwa gefiel es, dass „der gesellschaftskritische Aspekt“ gut herausgearbeitet wurde, Bettina Mömesheim aus Rheinbach war der Freiheitsgedanke wichtig: „Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der Frieden und Freiheit herrschen, deshalb ist es wichtig, daran zu erinnern.“

Mit einer überparteilichen öffentlichen Gedenkstunde wird am Montag (27. Januar) um 12.30 Uhr im Foyer des Rheinbacher Rathauses der Opfer des Nationalsozialismus gedacht.