Sternekoch Daniel Gottschlich spricht beim Besuch im Rheinauhafen über internationales Flair in Köln, kulinarische Geheimtipps und die allgegenwärtigen Probleme in der Gastronomie
Sternekoch Daniel Gottschlich„Die Kölner könnten sich kulinarisch mehr trauen“
Sie haben sich als Lieblingsort wenig überraschend Ihr Restaurant „Ox & Klee“ im Rheinauhafen ausgewählt. Was bedeutet der Ort für Sie?
Er ist meine Verwirklichungsstätte. Ich habe alles hier selbst aufgebaut. Deswegen ist der Ort viel mehr als nur meine Arbeit.
In einer Ecke des Restaurants kann man durchs Fenster den Dom sehen. Schauen Sie da gerne mal raus?
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Schon. Viel häufiger schaue ich aber auf den Rhein, den wir aus der Küche sehen. Viele Gäste fragen, warum wir den Gastraum nicht dort platziert haben. Aber das Fenster ist auch nur ein mal drei Meter groß. Der Blick, den die Gäste auf den Hafen haben, ist da viel cooler.
Warum passt das „Ox & Klee“ so gut in den Rheinauhafen?
Köln hat jetzt nicht so viele internationale Anziehungspunkte. Den Rheinauhafen sehe ich schon als so einen Ort. Die Mischung aus dem Modernen und den alten restaurierten Hafengebäuden gefällt mir sehr, auch die Architektur ist spannend. Der Ort hat ein internationales Flair – genau das, was ich gesucht habe.
Dort wo Sie wohnen, gibt es dagegen so gut wie kein internationales Flair.
Genau, ich wohne seit über dreieinhalb Jahren in Rath-Heumar. Das ist schon fast ein klassisches Dorf, so wie die Veedel außerhalb halt sind: bodenständig. Eigentlich das genaue Gegenteil zum Rheinauhafen. Viel vom „Dorfleben“ kriege ich dort aber ehrlich gesagt nicht mit.
Sie sind beruflich in aller Welt unterwegs. Kommen Sie gerne zurück nach Köln?
Klar, das Nachhausekommen ist immer sehr schön. Zurück nach Köln zu kommen, erdet mich immer wieder sehr.
Ist ein eigenes Restaurant in einer anderen Stadt eine Option für Sie?
Irgendwann auf jeden Fall. Die Schweiz gefällt mir gut. Wir waren neulich noch in Lugano, ein wahnsinnig schönes, beschauliches Örtchen. Einen festen Plan gibt es aber nicht. Aber ein Umzug weg aus Köln, das würde sich aktuell definitiv ziemlich komisch anfühlen.
Wie würden Sie Menschen von außerhalb, zum Beispiel in der Schweiz, Köln erklären?
Köln ist sehr speziell, bodenständig und überhaupt nicht versteift. Und wir haben die rheinische Frohnatur. Da bleibt wenig Platz für Prestige- und Von-Welt-Denken. Der Kölner hat viele Berührungspunkte mit sich selbst und mit der Stadt. Alle lieben den Dom, alle lieben die besonderen Orte. Die Liebe zur Stadt, das macht den Kölner aus.
Auf den ersten Blick passt das gar nicht so perfekt zu Ihnen. Sie denken groß und international und wollen mit ihrem Restaurant ganz offensichtlich auch auffallen – auch über die Stadtgrenzen hinaus.
Genau, das ist meine Natur. Das war schon immer so. Ich bin trotzdem bodenständig, kann aber auch anders. Ich kann mit beiden Welten etwas anfangen. Genau diesen Mix bilde ich auch im Restaurant ab. Neben dem bodenständigen Kern will schließlich auch der Kölner seine Highlights haben.
Apropos Kölner Highlights: Sind Sie eigentlich jeck?
Gar nicht so sehr, trotzdem bin ich irgendwie mit dem Karneval verbunden. Als Kind bin ich im Karnevalsumzug in Hennef mitgelaufen. Das ist in mir drin. Jetzt ist mir das zu viel Trubel, es kostet mir zu viel Energie. Gefühlt ist in Köln in den Wochen nach Karneval Totentanz angesagt. Da will ich nicht dabei sein. Wenn, dann vielleicht mal einen Tag und dann ganz bewusst.
Sie sind selbst Musiker. Sind Sie textsicher im kölschen Liedgut?
Auf jeden Fall. Ich kenne alles. Als ich erstmals auf der Bühne stand, haben wir auch „Verdamp lang her“ von BAP gesungen.
Gibt es eine Lieblingsband?
Kasalla ist einfach ein Brett. Generell gefällt mir dieses Irish-Folk-Rock-Gefühl in dieser Musik, auch bei anderen Bands. Auch super cool ist Querbeat mit dem Twist dieser Ska-angehauchten Musik. Die kölsche Musik kann ich schon sehr fühlen und verstehe auch, was musikalisch dahinter steckt.
Wie intensiv verfolgen Sie, was in der Gastronomie außerhalb Ihres Restaurants passiert?
Dass ich selbst viel rausgehe, hat ein bisschen nachgelassen, aber ich verfolge das schon. Wenn ich selbst Essen gehe, dann will ich auch das komplette Programm. Das kann dann schon mal in zweieinhalb Flaschen Wein enden. Das passt aber zeitlich aktuell einfach nur selten in meinen Lifestyle und mein Arbeitspensum. Vielleicht ändert sich das aber auch irgendwann mal wieder.
Gibt es Läden, die Sie besonders spannend finden?
Ich schätze alle Kollegen und finde viele Läden spannend. Bei vielen Kollegen im Sterne-Bereich war ich auch überhaupt noch nicht, zum Beispiel im „La Société“, seit Leon Hofmockel dort kocht. Oder im „Sahila“ von Julia Komp. Auch im „Taku“ war ich Ewigkeiten nicht mehr. Leider ist es ja heutzutage sehr en vogue, außerhalb der eigenen Stadt essen zu gehen. Das verstehe ich total, möchte das aber überhaupt nicht propagieren. Wir haben auch in Köln eine tolle Gastro-Landschaft.
Daniel Gottschlich: „Haben in Köln Sushi-Läden im High-End-Bereich“
Wo ist die Kölner Gastronomie außerhalb der Sterneküche besonders stark?
Im Sushi-Bereich haben wir Läden im High-End-Bereich dazubekommen: das „Ito“ im Belgischen Viertel oder das „Zen“ in der Bachemer Straße. Früher oder später wird im „Ito“ auch ein Stern hängen, da bin ich mir ziemlich sicher. Das „Zen“ findet noch eher unter dem Radar statt, ist aber total geil. Das ist der einzige Laden in Köln, in dem du vom Sushi-Tresen frische Nigiris bekommst. Das ist eine ganz andere Erfahrung.
In welchem Segment hat Köln noch Nachholbedarf?
Am ehesten bei Restaurants mit mehr Produktfokus. Nehmen wir mal an, du hast einen richtig geilen Kaisergranat für einen angemessenen Preis — da wollen viele aber nun mal nicht so viel Geld für ausgeben. Andererseits kann man sich fragen: Wenn die Nachfrage nicht da ist, gehört so ein Konzept dann überhaupt hier hin? Ein Vorzeigeprojekt, das ich sehr feiere, ist das „Pure White“ (zuletzt neu eröffnet in der Südstadt, Anm. d. Red,).
Die Gastronomie klagt derzeit über Kostensteigerung, Personalmangel oder die nicht mehr reduzierte Mehrwertsteuer. Wie beobachten Sie die Lage?
Im oberen Luxusbereich gibt es dieses Problem nicht. Wir befinden uns etwas darunter und dort sind wir natürlich auch von den Problemen betroffen. Manche Leute sind einfach nicht mehr bereit, gewisse Summen für Essen zu bezahlen, vergleichen mehr und sind preisbewusster. Dadurch kommen wir in eine Teufelsspirale. Wenn der Kunde nicht bereit ist, Geld auszugeben — wie soll der Arbeitgeber dann mehr Geld generieren, damit die Mitarbeiter ihren eigenen Lebensstandard und ihre Kosten decken können? Dann gehen auch die Mitarbeiter aus der Gastronomie, die eigentlich auch in anderen Läden gute Esser sind, nicht mehr aus. Ich würde mir wünschen, dass wir da wieder rauskommen.
Probleme in der Gastronomie: „Müssen schauen, was wir in der Hand haben“
Wie kann das funktionieren?
Natürlich könnten wir sagen: „Wir wissen, dass alles teurer geworden ist, aber ihr müsst trotzdem kommen, damit die Gastronomie nicht ausstirbt.“ Aber die Gäste sind ja nicht die Schuldigen. Die Politik hat die Mehrwertsteuer wieder hochgesetzt. Aber auch das möchte ich gar nicht bewerten. Das können wir nicht ändern und müssen schauen, was wir als Gastronomen selbst in der Hand haben.
Zum Beispiel?
Mittwoch und Donnerstag haben wir die Preise gesenkt. Mir fehlt dadurch die Deckung, habe dafür aber mehr Gäste. Das ist mir lieber. Das ist unüblich und funktioniert ganz sicher nicht überall. Aber mit solchen Dingen kann man am ehesten so eine Negativspirale auflösen. Bei uns hat das gut funktioniert. Und wenn man einen Gast unter diesen Voraussetzungen erst einmal überzeugt hat, einen Tisch zu reservieren, dann gönnt er sich vielleicht sogar eine Flasche Wein mehr, die er sich sonst nicht gegönnt hätte.
Wie sind die Kölner einzustufen, wenn es um Genuss geht?
Die Kölner könnten sich kulinarisch mehr trauen. Manche sagen zum Beispiel in Bezug auf uns oder generell die Sterne-Gastronomie: „Das ist mir zu viel Chichi“. Das hat dann gar nicht unbedingt etwas mit dem Geld zu tun. Auch bei vielen wohlhabenden Kölnern fehlt manchmal die Offenheit für dieses Erlebnis rund um unser Menü. Wenn sie dann doch mal hierher finden, holen wir sie eigentlich immer ab. Auch weil sie mit diesem bodenständigen Kern nicht rechnen.
Was würden Sie Köln empfehlen?
Ich würde empfehlen, weiter so zusammenzustehen. Die Kultur und der Karneval sorgen für Zusammenhalt. Dass Leute einfach auf dich zukommen und dich zuquatschen, das hast du sonst nirgendwo. Das ist doch total charmant. Und das soll so bleiben.
Gottschlichs Lieblinge (Fünf Kurze)
Lieblings-Imbiss, wenn's mal schnell gehen muss: „Doy Doy“ auf der Keupstraße. Dann aber nicht nur einen Döner auf die Hand, sondern richtig ins Restaurant setzen. Das Coole dort: Es geht dort alles so unfassbar schnell.
Promi, den Sie gerne mal im „Ox & Klee“ begrüßen würden: Lukas Podolski. Er war noch nie hier, obwohl er quasi Nachbar ist. Das regt mich fast schon ein bisschen auf. Er ist jemand, der eigentlich nicht in so ein Restaurant gehen würde. Aber es würde mich freuen, wenn er es mal probieren würde. Ich würde ihm diese Welt gerne mal nahebringen.
Lieblingslied op Kölsch: „Kumm mer lääve“ von Kasalla“
Lieblingsbühne, auf der Sie gerne mal selbst stehen würden: Die Live Music Hall, den Wunsch finde ich auch nicht unrealistisch.
Lieblingsort zum Runterkommen: Eine der Wellness-Anlagen, das Neptunbad oder die Mauritiustherme, Mediterana ist auch super. Da versuche ich, zumindest ab und zu hinzukommen.