Grenze der KapazitätHelfer kritisieren Kölns schlechte Vorbereitung auf Flüchtlinge
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Köln – Komplett belegt mit Kriegsflüchtlingen sind derzeit die 1500 Plätze in den Unterkünften der Stadt. Jetzt sei man dabei, kurzfristig Zimmer in Beherbergungsbetrieben anzumieten, in der Messe sollen möglichst schnell 1500 weitere Plätze geschaffen werden, teilte Stadtsprecher Alexander Vogel mit. Unter den Helfern wird derweil Kritik laut, dass die Stadt zu schlecht vorbereitet ist auf die Flüchtlingswelle.
Flucht aus der Ukraine: Die Angst reist mit
Wie viele Menschen täglich nach Köln kommen, wird vor allem auf dem Breslauer Platz sichtbar. In einer von der Kölner Feuerwehr und dem Arbeiter-Samariter-Bund errichteten Anlaufstelle bekommen die Menschen eine erste Hilfestellung. Nach dem obligatorischen Coronatest sitzen Kristina und ihr fünfjähriger Sohn Miron an einem der Biertische. Ehrenamtler haben für die Kinder Malzeug und Stifte organisiert. Miron hat ein Blatt mit einem Kampfflugzeug vor sich liegen. Jetzt malt der stille Junge einen Panzer.
Vier Tage war er mit seiner Mutter und den Großeltern auf der Flucht. Vom massiv belagerten Charkiw quer durchs Land nach Polen, Berlin, Köln. Die Angst, dass der Zug in der Ukraine bombardiert wird, die Angst um ihren Mann, der in Charkiw weiterkämpfen muss, steht der erschöpften 40-Jährigen ins Gesicht geschrieben. Helfer wie der Student Philipp Groß versorgen die Familie mit Essen und warmen Getränken.
Der Kölner Psychologiestudent ist Ehrenamtler im Kältebusteam, das auf dem Breslauer Platz obdachlose Menschen versorgt. Er war dabei, als am vergangenen Samstag gegen 12 Uhr die ersten Busse mit Kriegsflüchtlingen ankamen, half dabei, Unterkünfte für sie zu finden, etwa in der Notaufnahmeeinrichtung der Stadt an der Herkulesstraße. Er blieb die ganze Nacht vor Ort, denn auch um 1 Uhr und um 3 Uhr nachts kamen Busse voller geflüchteter Frauen, Kinder und Senioren an. „Wir haben nachts die Hostels rund um den Bahnhof abgeklappert oder die Menschen ins Taxi gesetzt, damit sie überhaupt in eine Unterkunft kamen“, beschreibt er. Auch den ganzen Sonntag über leisteten die Ehrenamtler vom Kältebus den Ankommenden Hilfe.
Kölner Rotes Kreuz sucht Mitarbeitende
1500 geflüchtete Menschen aus der Ukraine sind bislang in Köln untergebracht, die Stadt muss die Kapazitäten der Notunterbringungen derzeit massiv erhöhen, da die Zahl der Geflüchtete deutlich steigt. Deshalb sucht das Kölner Rote Kreuz dringend Mitarbeitende aus den Bereichen Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Zur Betreuung der Menschen – darunter sind auch sehr viele Kinder und Jugendliche –, die in den Notunterkünften untergebracht werden, braucht das DRK zahlreiche qualifizierte Mitarbeitende. Bewerbungen können gerne per Mail an team@drk-koeln.de gesendet werden.
Mit einem Begrüßungspaket will die Initiative „Der Sack – Helfen durch geben“ den Kriegsflüchtlingen helfen. Lebensmittel, Hygieneartikel und „jet för de Pänz“ sollen die erste Not der Ankommenden etwas lindern. Wer für das Projekt spenden möchte, findet nähere Informationen auf der Internetseite des Vereins. www.sack-ev.de
Die Stadt war dann ab 16 Uhr mit einem ersten Orgateam der Feuerwehr zu einer Lagebesprechung vor Ort, teilte eine Stadtsprecherin mit. Die aus seiner Sicht späte Reaktion macht Philipp Groß bis heute sprachlos. „Wie kann man von der Ankunft der Geflüchteten überrascht sein und das ganze Wochenende nichts tun. Man hat doch überall die Bilder der vielen Menschen aus der Ukraine gesehen, die am Bahnhof in Berlin angekommen sind.“
Ukraine-Flüchtlinge in Köln: „Es werden sehr schnell noch sehr viel mehr Menschen kommen“
Eduard Seleny ist Mitglied der ukrainischen Bürgerwehr. Er hat seine eigenen Kinder nach Köln in Sicherheit gebracht und organisiert zudem im Auftrag der ukrainischen Regierung humanitäre Hilfe. In zwei Tagen fährt er zurück nach Odessa. „Es werden jetzt sehr schnell noch sehr viel mehr Menschen kommen, sagt er. „Immer mehr unserer Städte sind fast vollständig eingeschlossen, auch zivile Einrichtungen werden massiv bombardiert.“
Weil die Menschen in der Ukraine nur die großen deutschen Städte Berlin, München und Köln kennen würden, stiegen sie während ihrer Flucht oftmals in Züge dorthin. Nach Köln kommen viele auch, weil sie über die sozialen Medien von Landsleuten dazu ermutigt werden. „Das sind zwar keine Verwandten, aber es gibt den Menschen, die ja gerade alles verlieren und große Angst um ihre Männer und Söhne haben, das Gefühl, dass Köln ein guter Ort ist, wo schon Menschen leben, die ihre Sprache sprechen. “
Aber Köln und Umgebung könnten gar nicht alle Menschen aufnehmen, sagt Seleny. „Deshalb müssen wir dringend dafür sorgen, dass die Menschen schon an der Grenze oder an den Bahnhöfen erfahren, dass sie auch nach Hannover oder Hamm fahren können. Sonst gibt es hier irgendwann ein großes Chaos. Das darf nicht passieren, denn wir bekommen hier soviel Hilfe von den Menschen.“ Er hofft auf eine Möglichkeit, auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker auf das Problem hinweisen zu können, bevor er zurückfährt in sein Land. „Die Forderung, die Flüchtlingsströme besser zu steuern, muss von den Kommunen kommen.“
250 Kriegsflüchtlinge kommen zurzeit täglich in Köln an
Schon jetzt kommen täglich rund 250 Kriegsflüchtlinge am Kölner Hauptbahnhof an, heißt es aus dem engen Kreis der Helfenden. „Die Tendenz ist deutlich steigend.“ Sie werden vorübergehend in die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Wegberg gebracht. Auf die Frage, warum Köln, sagt Galina, die selbst gerade aus der Ukraine geflüchtet ist: „Möglichst weit weg vom Krieg.“
Kristina und ihre Familie haben Glück. Sie werden von Cousin Robin abgeholt, der in Köln geboren ist. „Wir können uns um sie kümmern. Es ist sehr schwer, wenn man ein ganz normales Leben führt und urplötzlich alles verliert. Und wenn man nicht weiß, ob man Menschen die man liebt, je wiedersieht.“