Stille NachtEin Silvester, wie Köln es noch nie erlebt hat
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Köln – Mächtig läutet der „Decke Pitter“ pünktlich um null Uhr. Und dieses Mal ist er auch gut zu hören. Kaum ein Böller- oder Raketenlärm stört den Klang der berühmten Domglocke. Für einige Kölner ist es eine willkommene Alternative, um draußen den Beginn des neuen Jahres zu zelebrieren – allerdings unter Corona-Auflagen, mit Maske, meist zu zweit und mit dem nötigen Abstand.
„Wir wollten bei unserem Silvesterspaziergang unbedingt zum Dom. Andere Höhepunkte gibt es ja dieses Jahr nicht“, meint eine Besucherin unter ihrer Maske fast in Feierlaune. Die 47-Jährige verbringt den Abend mit einer Freundin, die neben ihr gebannt auf die Kathedrale schaut.
Kaum Polizei-Einsätze
In Buchforst löste die Polizei gegen 1.30 Uhr in der Nacht eine illegale Party in der Mesmerstraße auf. Dabei leisteten zwei junge Männer (22, 23) erheblichen Widerstand. Mit angeforderten Unterstützungskräften überwältigten die Polizisten auch mit dem Einsatz von Pfefferspray die Männer, verschafften sich Zutritt zur Wohnung und trafen auf insgesamt neun Personen aus unterschiedlichen Haushalten. Ansonsten war die Nacht ausgesprochen ruhig, wie auch Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob besonders hervorhob.
Neben den beiden Frauen stehen in ausreichendem Abstand drei Mittzwanziger, die aus Bochum nach Köln gefahren waren – nur um zu erfahren, dass auch hier nichts los ist. „Wir werden uns dann wohl wieder ins Auto setzen und nach Hause fahren“, sagt einer von ihnen sichtlich ernüchtert.
Frei bewegen kann man sich rund um den Dom und in weiten Teilen der Altstadt sowieso nicht. Hunderte Absperrgitter und zahlreiche Mitarbeiter des Kölner Ordnungsdienstes verhindern das Betreten und teilweise auch die Sicht auf die von der Stadt ausgegebenen Hotspots. Fast sämtliche Zufahrten sind gesperrt. Auf den Brücken, wo sich sonst Tausende Feuerwerkfans einfinden, ist es menschenleer. Die fast gespenstische Atmosphäre in der Innenstadt wird zum Jahreswechsel nur vereinzelt unterbrochen von ein paar Raketen.
Einige Fahrgäste, die auf die letzten Züge im alten Jahr warteten, halten sich im Bahnhof auf. Darunter auch zwei 25-jährige Polen, die auf die andere Rheinseite wollen und die abgesperrten Bereiche der Innenstadt mit dem Zug zu überwinden suchen. „Wir sind auf der Durchreise nach Paris. Schade, dass so wenig los ist. Wir wollten eigentlich ein wenig Silvester feiern“, erklärt einer von ihnen.
Damit stehen sie nicht allein da. Das Fazit der Nacht: Es ist ein außergewöhnlich ruhiger Jahreswechsel, auch für Polizei, Feuerwehr und Ordnungsamt. Die Einsatzkräfte verrichten mit ähnlicher Stärke wie in den Jahren zuvor ihren Dienst – haben aber außergewöhnlich wenig zu tun.
Politik auf Streife
Am frühen Abend war NRW-Ministerpräsident Armin Laschet in Köln und bedankte sich wie später auch Innenminister Reul bei den Einsatzkräften. Er lobte die Polizisten vor Ort, die sich gegen 19.30 Uhr auf die Kontrollen zur Einhaltung der Corona-Regeln in der Silvesternacht sowie der Platzsperren in der Innenstadt vorbereiteten. Kurz vorher hatte er bereits Anlaufstationen für Obdachlose sowie den Kältebus im Bahnhofsumfeld besucht und den dortigen Mitarbeitern ebenfalls für ihr Engagement gedankt. (dhi)
„Die Kölner sind heute Abend sehr diszipliniert und halten sich an die Corona-Vorgaben“, lobt der Leiter des Kölner Ordnungsamtes Wolfgang Büscher noch in der Silvesternacht. Er ist zusammen mit Dezernentin Andrea Blome kurz vor Mitternacht auf den Bahnhofsvorplatz gekommen, um sich ein Bild von der Lage zu machen.
Blome vertritt an dem Abend Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die wegen eines Klinikaufenthaltes nicht vor Ort sein kann. Auch NRW-Innenminister Herbert Reul besucht um 23.30 Uhr wieder die Domstadt, um den Kölner Polizisten im Einsatz für ihren Dienst zu danken. „Wir sind alle froh, dass sich die Menschen bisher an die ausgegebenen Regeln halten. Ich denke, da spreche ich auch für die Polizisten, die heute im Einsatz sind.“
Ein wenig wird auch geknallt, ein paar Raketen steigen in den Kölner Nachthimmel und verbreiten etwas Silvesterglanz – aber zumeist in den Veedeln, an den Orten, wo es nicht ausdrücklich verboten ist. Zum Beispiel auf der Eifelstraße in der Neustadt oder auf dem Wilhelmplatz in Nippes. Dort zünden zwei Jugendliche ein paar Böller.
Auf dem Neusser Platz hingegen versammeln sich zum Jahreswechsel mehrere junge Leute, um auf das neue Jahr anzustoßen und zumindest ein bisschen Partystimmung aufkommen zu lassen. Auf Corona-Abstandsregeln wurde da nicht immer geachtet. Eine Polizeistreife, die langsam vorbeifährt, greift nicht ein. Die Beamtin wünscht über das Außenmikrofon lediglich ein „frohes neues Jahr“.