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Nach Anschlag in SolingenWie sich Köln vor möglichen Anschlägen schützt

Lesezeit 4 Minuten
Den NRW-Tag im Rheinauhafen besuchten am vorvergangenen Wochenende rund 250.000 Menschen. Für die Sicherheitskräfte bedeuten solche Veranstaltungen eine enorme Herausforderung.

Den NRW-Tag im Rheinauhafen besuchten am vorvergangenen Wochenende rund 250.000 Menschen. Für die Sicherheitskräfte bedeuten solche Veranstaltungen eine enorme Herausforderung.

Große Veranstaltungen gelten seit Jahren als potenzielle Anschlagsziele . Die Polizei setzt dabei auf bewährte Konzepte. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Der Anschlag beim Stadtfest in Solingen verdeutlicht einmal mehr die Verletzlichkeit des öffentlichen Lebens und die Erkenntnis, dass es eine absolute Sicherheit bei Großveranstaltungen wohl nie geben wird. Köln ist die bevölkerungsreichste Stadt in Nordrhein-Westfalen und Austragungsort vieler Feste und Feiern. Die Antworten zu den wesentlichen Fragen:

Gibt es direkte Auswirkungen auf Veranstaltungen in Köln?

Eine Verschärfung von Sicherheitsvorkehrungen für größere Veranstaltungen ist nicht geplant. Denn nicht erst seit der Fußball-Europameisterschaft und den Olympischen Spielen im benachbarten Frankreich gilt auch für Köln eine erhöhte Achtsamkeit. „Wir sind seit geraumer Zeit mit einer abstrakten Gefährdungssituation konfrontiert und müssen Vorgänge wie in Solingen leider jederzeit einkalkulieren. Die Situation ist insgesamt angespannt“, verdeutlicht Martin Lotz, Leitender Polizeidirektor, zuständig für Gefahrenabwehr.

Bei Veranstaltungen wie dem NRW-Tag am vorvergangenen Wochenende in Köln setzte die Polizei auf eine bewährte Mischung aus offener Präsenz und dem Einsatz verdeckter Kräfte. „Durch die Präsenz wollen wir für Besucher wahrnehmbar sein und potenzielle Täter verunsichern“, erklärt Lotz. Bei einer Verkehrskontrolle waren am Rande des NRW-Tags zwei Sicherheitsmitarbeiter gestoppt worden, die in der Vergangenheit durch Gewaltdelikte aufgefallen waren. Lediglich an Karneval und bei den Silvesterfeierlichkeiten lässt die Stadt vorab durch die Sicherheitsbehörden die Personalien aller eingesetzter Sicherheitskräfte prüfen.

Darf die Polizei überall Waffenkontrollen durchführen?

Verdachtsunabhängige Kontrollen sind beispielsweise im Rahmen der „Strategischen Fahndung“ möglich. Diese ist nur in Kriminalitätsschwerpunkten möglich und jeweils zeitlich beschränkt. In Köln sind solche Kontrollen derzeit beispielsweise rund um den Wiener Platz in Mülheim gestattet – aufgrund der hohen Kriminalitätszahlen war hier erst im Juni eine Waffenverbotszone eingerichtet worden. „Präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Messerangriffen halte ich für schwierig. Die Angriffe in Solingen und in Mannheim haben gezeigt, wie verletzlich das Leben ist. Es gilt, die Wachsamkeit und Kontrollintensität hoch zu halten“, sagt Lotz. Im Mai hatte ein in Deutschland lebender Afghane einen Polizisten mit einem Messer getötet und fünf weitere Personen schwer verletzt.

Was bringen die Kontrollen in den Waffenverbotszonen?

In der ersten Jahreshälfte sind laut Polizei rund 4400 Personen in den Kölner Waffenverbotszonen kontrolliert worden. Seit Dezember 2021 befinden sich temporäre Verbotszonen auf den Ringen und auf der Zülpicher Straße – die Verbote sind dort auf die Wochenenden und Feiertage beschränkt. Der Wiener Platz ist landesweit die erste Waffenverbotszone, in der die Verbote rund um die Uhr an allen Tagen des Jahres gelten. In diesem Jahr wurden bislang rund 50 Messer sichergestellt. In den ersten vier Wochen nach Einrichtung der Verbotszone am Wiener Platz hat die Polizei 89 Platzverweise ausgesprochen und zehn Personen in Gewahrsam genommen. Drei Menschen wurden festgenommen und acht Messer beschlagnahmt.

Voriges Jahr waren rund 11.000 Personen in den Zonen kontrolliert und 153 Messer sichergestellt worden, im Jahr 2022 waren es laut Polizei 9100 Personen und 130 sichergestellte Messer. „Messer sind hochgefährliche Waffen. Jedes sichergestellte Messer ist eine potenzielle Tatwaffe weniger“, gibt Martin Lotz zu bedenken.

Wer kümmert sich bei Festen um die Sicherheit?

Erst am vergangenen Wochenende ist das Lindenthaler Sommerfest auf der Dürener Straße über die Bühne gegangen. Die Besucherzahl wird von der Agentur von der Gathen, die zehn Straßenfeste in Köln organisiert, mit rund 450.000 angegeben. „Die Sicherheitsauflagen für diese Feste werden Jahr für Jahr angepasst. Alle Veranstalter leiden unter Taten wie jenen in Solingen, denn letztlich machen sie bewusst, dass es keine hundertprozentige Sicherheit geben kann“, sagt Wilhelm von der Gathen, der seit 50 Jahren im Metier unterwegs ist. Früher, so erzählt er es, sei es völlig ausreichend gewesen, ein paar Jugendliche oder Studierende an eine Absperrung zu stellen.

Diese Zeiten sind lange vorbei, in den vergangenen fünf Jahren haben sich laut von der Gathen die Personalkosten für Sicherheitspersonal verdoppelt. „Wir setzen auch Ordnungskräfte in ziviler Kleidung ein, um die Kontrollen so unauffällig wie möglich zu halten“, erklärt der Veranstalter.

Wer entscheidet über den Sicherheitsaufwand?

Veranstaltungen müssen bei der Ordnungsbehörde, also der Stadt, gemeldet werden. Ob vorab ein Sicherheitskonzept eingereicht werden muss, hängt nicht nur von der erwarteten Besucherzahl ab, auch das Veranstaltungsgelände und die Rahmenbedingungen einer Veranstaltung werden hierbei bewertet. Stadt und Polizei stehen in ständigem Austausch, um zu bewerten, wann private Sicherheitskräfte Unterstützung benötigen könnten. Für die Behörden ist dies nicht immer leicht zu entscheiden. „Es ist ein Balanceakt zwischen Sicherheitsbestrebungen und möglichst geringen Einschränkungen für das öffentliche Leben. Wir sollten uns das Freiheitsgefühl nicht nehmen lassen“, betont Lotz.

Bei den großen Veranstaltungen wie NRW-Tag und der Fußball-Europameisterschaft hatten sich Stadt und Polizei vorab beispielsweise für das Aufstellen von Lkw-Sperren entschieden. Auch an Karneval sind solche Maßnahmen inzwischen Standard in Köln.