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Interview

„Wir sind geschockt“
Kölner Verein in Sorge um Partnerstadt Istanbul

Lesezeit 3 Minuten
Die Proteste in Kölns Partnerstadt Istanbul gegen die Regierung Erdogans weiten sich aus.

Die Proteste in Kölns Partnerstadt Istanbul gegen die Regierung Erdogans weiten sich aus.

Die Sicherheitslage ist nach der Festnahme von Oberbürgermeister Ekrem Imamoglu angespannt. Wir haben mit dem Vorsitzenden des Städtepartnerschaftsvereins gesprochen. 

Walter Kluth, Vorsitzender des Städtepartnerschaftsvereins Köln-Istanbul, schätzt im Interview mit Frank Überall die Lage ein.

Nach der Inhaftierung und Absetzung des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem Imamoglu erreichen uns schockierende Bilder über das Vorgehen der Sicherheitsbehörden. Sind Sie besorgt?

Wir sind geschockt, dass die Justiz so weit gegangen ist, Herrn Imamoglu einzusperren. Wir haben ihn als beliebten Oberbürgermeister kennengelernt. Er ist bis weit in konservative Kreise hinein sehr beliebt. Aber wir sind ja schon einiges gewohnt im Laufe der Jahre. Wir haben gesehen, dass in der Türkei die Polizei willkürlich und rigoros durchgreift, und dass Menschen verhaftet werden, bei denen nach unseren Vorstellungen nicht sauber nachgewiesen wird, dass auch wirklich eine Schuld vorhanden ist. Das erleben wir ja immer wieder.

Das hat der Europäische Gerichtshof in Einzelfällen schon festgestellt. Was steckt denn dahinter?

Erdogan will sicherlich weiterhin Präsident bleiben, obwohl er bei den nächsten Wahlen aufgrund der türkischen Gesetze gar nicht mehr kandidieren dürfte. Er scheint einen Weg zu suchen, doch noch antreten zu dürfen und eben seine Macht zu erhalten. Das steckt hinter seinem zum Teil wohl rechtswidrigen Vorgehen gegen Andersdenkende. Dass riesengroße Mengen von Menschen gegen ihn auf die Straße gehen, zeigt, dass die Bevölkerung will seinen Kurs nicht unterstützen will.

Haben Sie persönlich oder Ihr Verein in diesen schweren Zeiten Kontakt zu Menschen in Istanbul?

Wir suchen mit unseren Freunden in Istanbul gerade nicht den direkten Kontakt, haben aber bereits eine Erklärung verabschiedet. Die werden wir auch nach Istanbul schicken. In dieser Erklärung protestieren wir zumindest mit Worten gegen das Vorgehen von Erdogan. Wir hören mal, ob da etwas erwidert wird. Die haben Menschen in Istanbul haben einfach Angst.

Medienberichten zufolge können Menschen in der Türkei schon strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie sich in sozialen Netzwerken oder sogar per Telefon kritisch über den Regierungskurs äußern?

Das ist der Grund, warum die sich noch nicht öffentlich geäußert haben und mit Kontakten zu uns gerade extrem vorsichtig sind. Sonst haben wir uns viel ausgetauscht, das ist im Moment schwieriger.

Fraktionen aus dem Kölner Stadtrat und Oberbürgermeisterin Henriette Reker haben sich öffentlich kritisch geäußert. Nutzt das denn was?

Man muss irgendwie reagieren. Ob das was nutzt, weiß ich nicht. Man kann das nicht genau vorhersagen, weil die Regierung in der Türkei wild entschlossen ist, durchzugreifen. Aber solche Stellungnahmen sind ein Ausdruck der Solidarität, die auch wir nach Istanbul senden wollen. Wir wollen den Menschen, die da protestieren, sagen, es gibt auch Deutsche und Kölner, die nicht damit einverstanden sind, was da jetzt gerade passiert.

Ist die hiesige türkische Community, die zum Teil ja auch im Städtepartnerschaftsverein organisiert ist, derzeit gespalten?

Bei den Türkischstämmigen, die unsere jüngste Mitgliederversammlung in dieser Woche besucht haben, herrscht eine große Unsicherheit. Das ist besonders traurig, weil unter Ekrem Imamoglu als Oberbürgermeister die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung in Istanbul viel intensiver geworden ist. So wurde zum ersten Mal vom Kulturamt dort eine Ausstellung über unsere gemeinsame Städtepartnerschaft organisiert, das war vorher noch nie der Fall.

Für Anfang April ist eine Städtepartnerschaftskonferenz in Istanbul geplant. Ist es derzeit überhaupt realistisch, dass – kritische – Kölner in die Türkei reisen?

Wir müssen das abwarten. Wir hatten auch eine Vorstandsreise für Anfang Juni geplant. Es wird jetzt natürlich davon abhängen, wie sich die Sache entwickelt. Aber wir werden auf Sicherheit gehen. Wenn es problematisch wird, werden wir nicht fahren. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass die Situation in Istanbul friedlich gelöst wird und wir nicht so viele Opfer zu beklagen haben werden.