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Methoden wie im KrimiSo hilft der Kölner Zoo beim Erhalt hochbedrohter Schildkröten

Lesezeit 4 Minuten
Polizisten hocken neben mehreren Schildkröten in einem Container und machen Notizen.

Polizisten in Hanoi als tatkräftige Artenschützer. Hier registrieren sie die beschlagnahmten Bachschildkröten.

Die Annam-Bachschildkröte aus Vietnam ist akut vom Aussterben bedroht. Weil die Tiere so extrem selten sind, greifen die Forscher zu außergewöhnlichen Mitteln, um sie zu retten.

Eindeutiges Krimi-Potenzial hat die Rettung einer der seltensten Schildkrötenarten der Erde, an der der Kölner Zoo mit großem Einsatz beteiligt ist. Die Annam-Bachschildkröte steht auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion, sie ist „vom Aussterben bedroht“ und kommt noch dazu ausschließlich in Zentralvietnam und nirgendwo sonst auf dem Globus vor.

Ab 1930 galt das urzeitliche Reptil als verschollen. 60 Jahre später tauchten 1990 unvermittelt einige Exemplare auf Lebensmittelmärkten des asiatischen Landes auf. Ein Hoffnungsschimmer: Denn obwohl Teile ihres Lebensraumes vernichtet wurden und die Tiere bis heute in großem Stil illegal gehandelt werden, war der Wildtierbestand der seltenen Annam-Bachschildkröte noch nicht vollends vernichtet worden.

Neue Lebensräume mussten her

Diese Chance nutzen die Artenschützer in Vietnam gemeinsam mit den Experten in Köln. Dabei stießen sie auf ein riesiges Problem. Denn obwohl die Organisation „Asian Turtle Program“ viele Erhebungen durchgeführt hatte, wurde die Art in keinem Schutzgebiet in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet entdeckt. Um die Bachschildkröten zu retten, mussten also potenzielle Lebensräume gefunden werden, in denen die hoch bedrohte Art gute und langfristige Überlebenschancen hat.

Eine Annan-Bachschildkröte versteckt sich in ihrer Schale.

Eine Annan-Bachschildkröte versteckt sich in ihrer Schale.

Jetzt trat das deutsch-vietnamesische Kooperationsteam, das vonseiten des Kölner Zoos von Aquariumskurator Thomas Ziegler koordiniert wird, auf den Plan. Es finanzierte in den vergangenen Monaten wissenschaftliche Untersuchungen von vietnamesischen Partnerorganisationen, die nach möglichen Habitaten suchten und erfassten, welche Faktoren die Art aktuell am stärksten bedrohen.

Methoden wie im Sonntagskrimi

Weil die Tiere so extrem selten sind, kommt es auf jedes einzelne an. Deshalb kommen Methoden zum Zug, die auch bei Kriminalfällen eingesetzt werden. Mit DNA-Untersuchungen erfassten die Biologen den „genetischen Fingerabdruck“ der Annam-Bachschildkröte. Der wird etwa bei Tieren überprüft, die ertappten Wildtierschmugglern abgenommen werden. Nur so können die Artenschützer sicher sein, dass es sich um reinerbige Tiere und nicht um Nachkommen von Eltern zweier verschiedener Arten handelt. Denn nur durch „echte“ Annam-Schildkröten kann der Bestand der Art gestärkt werden.

Doch wo können die extrem seltenen, wertvollen Tiere ausgewildert werden? Auch hier ist akribisches Arbeiten Bedingung. Die Kölner Kooperationspartner in Vietnam führten Feldstudien in zahlreichen Schutzgebieten im südlichen Vietnam durch. Einige waren geeignet, um die Tiere auszuwildern. Noch dazu ergaben Interviews mit Einheimischen, dass es die Art dort früher gegeben hatte. Bei Interviews in einer anderen Ortschaft auf dem Land wurde ein junges Tier nachgewiesen, das Jahre zuvor unweit vom Dorf gefangen wurde. Auch dieses Gebiet wurde als Areal für eine zukünftige Freisetzung ausgewiesen.

Auch die Polizei in Hanoi unterstützte das Projekt

Tatkräftige Unterstützung bekamen die Artenschützer von der Polizei von Hanoi. Denn obwohl die Tiere akut vom Aussterben bedroht sind, wurden im Januar des vergangenen Jahres 74 Annam-Bachschildkröten von Da Nang nach Hanoi verschleppt. Sie wurden von der Polizei beschlagnahmt und ins Rettungszentrum Soc Son in Hanoi gebracht. Ein großer Erfolg für den Artenschutz! Doch noch war unklar, ob die Tiere echte Annam-Schildkröten waren oder vielleicht alle Hybride.

Gespannt wartete das Team auf das Ergebnis des genetischen Screenings. Nur drei der Tiere waren Kreuzungen. Die 71 anderen werden nun in ein vietnamesisches Zuchtprogramm in Menschenhand aufgenommen. Und tragen dazu bei, das große gemeinsame Ziel der Artenschützer in Vietnam und Köln zu erreichen: Den Bestand der seltensten Schildkrötenart Vietnams auf Dauer zu sichern.


Rückführung der Annam-Bachschildkröten

Stark an Gewässer gebunden ist die Annam-Bachschildkröte. Sie kommt in der Nähe von Fließgewässern, Weihern und Feuchtgebieten des Tieflands bis in Höhen von 200 Meter vor. Die Tiere haben drei leuchtend grüne Streifen an den Seiten des Kopfes; sie fressen sowohl pflanzliche als auch tierische Nahrung.

Für die Rückführung der Art stellte der Zoo im vergangenen Jahr 18 660 Euro aus dem Artenschutz-Euro-Programm zur Verfügung. Das Aquariumsteam des Zoos engagiert sich seit Jahrzehnten sehr für den Schutz der natürlichen Biodiversität.

130 Arten haben der zuständige Kurator Prof. Dr. Thomas Ziegler und sein internationales Kooperationsteam bei ihren Feldeinsätzen in aller Welt bereits entdeckt und wissenschaftlich erstmals beschrieben.

Um konfiszierte Tiere wieder auszuwildern, startete der Zoo bereits 2003 mit weiteren Partnern im zentralvietnamesischen Phong Nha den Aufbau einer Auffangstation für konfiszierte Reptilien und Säugetiere. Im Norden Vietnams half der Zoo danach beim Aufbau der Melinh Station, die hochbedrohte Amphibien und Reptilien vermehrt.

www.koelnerzoo.de/artenschutz