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Serie „Spurensuche“Walter Gropius und die verhinderte Revolution

Lesezeit 5 Minuten
Walter und Ise Gropius

Weit mehr als nur die Frau des Bauhaus-Direktors: Ise Gropiuis beeinflusste ihren Mann Walter schon früh.

  1. In unserer Serie „Spurensuche“ stellen wir Personen und ihre Kölner Zeit vor.
  2. Historiker Anselm Weyer blickt auf Walter Gropius und seine Frau Ise, den Beitrag für die Werkbundausstellung 1914 und die großen Pläne nach dem Zweiten Weltkrieg.

Köln – „Meine Arbeit ist jetzt geradezu unmenschlich und ich kann sie nur mit Mühe leisten“, klagt Walter Gropius 1914 in einem Brief: „Aber ich bin dabei grenzenlos glücklich, weil ich bestimmt weiß, dass mein Kölner Werk etwas ganz Gutes wird.“ Der Architekt versprach sich viel von seinen Beiträgen für die berühmte Werkbundausstellung 1914 am Deutzer Rheinufer, für die er im April 1914 sogar nach Köln zog. Die Mühe scheint sich gelohnt zu haben: „Alle, von deren Urteil ich etwas halte, gratulieren mir spontan“, jubelt Gropius. „Deshalb mühe ich mich bis zum letzten, um dieser Arbeit jede Sorgfalt angedeihen zu lassen. Es muss mein Fundament für später werden.“

Das Fabrikgebäude war eine Sensation

Automobilkarosserien, komplett eingerichtete Wohnräume und ein Eisenbahn-Schlafwagenabteil entwarf Walter Gropius für die Werkbundausstellung. Die Sensation war aber sein Fabrikgebäude. Das war kein herkömmlicher neogotischer Backsteinbau mehr, sondern eine kühne Eisenkonstruktion mit Glasfassade, die geistige und handwerkliche Arbeit funktional und räumlich in einen Bürokomplex und eine Maschinenhalle trennte. Der Erste Weltkrieg bereitete jedoch der Werkbundausstellung ein frühes Ende, weswegen auch diese Ikone des Neuen Bauens wieder abgerissen wurde.

Fabrik_Gropius

1961 weihten Walter und Ise Gropius das Bauhaus-Archiv im Ernst-Ludwig-Haus auf der Darmstädter Mathildenhöhe ein

Nach dem Krieg gründete Gropius das Bauhaus, eine revolutionäre Hochschule, die schon bald an ihrem Standort Weimar unter politischen Druck geriet. Zu der Zeit, im September 1924, unternahm Walter Gropius Ehefrau Ise, die zur Kur in einem Sanatorium in Opladen war, einen Abstecher nach Köln, um in der Max-Bruch-Straße 6 ihre ehemalige Mitschülerin Gussie und deren Ehemann zu treffen: den Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, von dem sie „einen sehr sympathischen Eindruck“ hatte. Bei dieser Gelegenheit machte sie Werbung für das Bauhaus. „Ich revolutioniere ganz Köln samt dem Oberbürgermeister für das Bauhaus, nun soll es gar hierher!“, berichtet sie am 28. September ihrem Ehemann.

„Stadtbaumeister in Köln, das wäre eine feine Sache!“

Frau Bauhaus, wie sie schon bald überall genannt wurde, schilderte Adenauer „die Bauhausarbeit, über die er in keiner Weise unterrichtet war, die ihn aber sichtlich interessierte.“ Käme die Schule nach Köln, so stellte Ise Gropius in Aussicht, stünde ihr Gatte auch als Stadtbaumeister zur Verfügung. Walter Gropius reagierte begeistert. „Meine süße Frau Bauhaus, Du bist ein Tausendsassa und kannst Dich vor Stolz blähen“, schreibt er zurück. „Stadtbaumeister in Köln, das wäre eine feine Sache!“ Und sogleich beauftragt er sie, nur ja auch die Presse auf die Seite des Bauhauses zu ziehen: „Besuche die Frau meines guten Bekannten Walter Lehmann, Steinfeldergasse 11; sie war früher in der Redaktion der Kölnischen Zeitung und tritt dort für uns ein. Erzähle ihr von Adenauer, auch von unseren Kölner Absichten.“ Fruchtbar waren die Bemühungen letztlich nicht, denn nachdem das Bauhaus am 1. April 1925 in Weimar schloss, zog das Bauhaus nach Dessau und nicht nach Köln.

Aber nicht nur, dass Köln nicht Heimat des Bauhauses wurde, es wurde sogar zum Hort des erbitterten Widerstands. Gropius, der 1934 vor den Nationalsozialisten in die USA geflohen war, kam nach dem Zweiten Weltkrieg zurück ins zerstörte Deutschland, um Militärgouverneur General Lucius D. Clay bei Fragen des Wiederaufbaus zu beraten. Mit glänzenden Augen plante er, wie aus den Ruinen etwa ein neues Berlin mit moderner Architektur nach seinen Vorstellungen entstehen könnte – und vergriff sich nicht selten im Ton. Ungnädig aufgenommen wurde etwa von der hungernden Bevölkerung in ihren provisorischen Behausungen sein Plädoyer, dass man doch bitte nicht kleinmütig Flickwerk leisten, sondern große neue Planungen vornehmen solle, um so die Chance zu radikalen Umstrukturierungen der Städte und des Bauwesens zu nutzen. Auch Architektenkollege Rudolf Schwarz, der von November 1946 bis 1950 als Generalplaner den Wiederaufbau Kölns leitete und dabei eben nicht radikal die Tradition über Bord werfen wollte, nahm an Gropius Plänen Anstoß.

Der Meister war bestürzt

Schwarz, der sein Büro in der Gereonstraße 48 hatte, hielt mit seiner Abneigung gegen das Bauhaus auch nicht hinterm Berg, als er sich 1952 im Kölner Hof mit dem berühmten Architekturkritiker Alfons Leitl traf: „Der Meister war recht bestürzt, als ich ihm enthüllte, dass ich seit je von dem Bauhaus und was sich so drumherum tat rein gar nichts gehalten und das schon als zarter Knabe in Aufsätzen dargetan habe“, berichtet Schwarz später. Er wird von Leitl aufgefordert, einen Text für die von ihm herausgegebene Zeitschrift „Baukunst und Werkform“ zu verfassen. „Es soll gar nichts gegen Gropius als Künstler gesagt werden, der er ohne Zweifel ist, aber er konnte offenbar nicht denken“, wettert Rudolf Schwarz dann in seinem im Januar 1953 erschienenen Artikel. Gropius verleugne die Architekturgeschichte, indem er seinen Studierenden beibringe, „mit ihrem Auftreten datiere das Jahr 1 und vorher sei alles wüst und leer gewesen“, während es doch in Wahrheit so sei, dass es „eine große lebendige Überlieferung unserer Kunst gibt, die bis in den heutigen Tag reicht und von großen Baumeistern getragen wird“.

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In diesem Sinne sei das Bauhaus mit seiner „widerlichen Ideologie“ in seinem ästhetischen Anspruch so autoritär wie die Naziarchitektur. Dabei seien die laut verkündeten Bauhaus-Neuerungen häufig nichts weiter als heiße Luft gewesen: „Das Schlimme am Bauhaus war überhaupt nicht sein Versagen im Technischen, sondern seine unerträgliche Phraseologie.“ Schwarz hatte sich im Ton vergriffen. Also konnte es sich Walter Gropius leisten, einfach zu schweigen. Andere entrüsteten sich für ihn. Und so solidarisierten sich plötzlich auch jene mit Gropius, die ihm gegenüber zuvor gleichgültig gewesen waren, wodurch das Bauhaus eine wirkliche Breitenwirkung in Deutschland entfaltete. „Der von Schwarz begonnene Kampf gegen das Bauhaus ist wie ein Bumerang auf ihn zurückgeflogen“, schreibt Gropius am 22. August 1953 an den Architekten Gottfried Böhm: „Ich war überrascht und froh, dass ohne mein Zutun so viele Freunde gleichen Geistes einsprangen.“ In diesem Sinne konnte Köln doch etwas zum Durchbruch des Bauhauses beitragen.

Anselm Weyer hat als Literaturwissenschaftler in Köln promoviert. Er bietet seit zehn Jahren Stadtführungen für die AntoniterCity-Tours an.