Kölner Serie „Spurensuche“Helmut Rahn – Der gefallene Held und seine Zeit in Köln
- In unserer Serie „Spurensuche“ stellen wir Personen und ihre Kölner Zeit vor.
- Historiker Anselm Weyer hat sich mit Helmut Rahn beschäftigt, der Deutschland vor 65 Jahren zum WM-Titel schoss.
- Als er später für den 1.FC Köln spielte, lief es nicht so gut.
Köln – Keinen geringeren als eine Fußball-Legende verpflichtete der 1. FC Köln im Juli 1959: „Boss“ Helmut Rahn, der Deutschland am 4. Juli 1954 beim „Wunder von Bern“ zum Titel geschossen hatte. Die durchaus erfolgreiche Zusammenarbeit fand jedoch ein so überraschendes wie jähes Ende. Sogar seine Nationalmannschaftskarriere beendete Rahn, um nur ja von Köln wegzukommen.
Als er nach der Weltmeisterschaft 1954 verstärkt im Lichte der Öffentlichkeit stand, wurde Helmut Rahn in zahlreiche Querelen verwickelt. Wegen Trunkenheit am Steuer verbrachte er sogar einige Zeit im Gefängnis. In dieser schwierigen Zeit hätte er sich einen größeren Rückhalt seines Stammvereins Rot-Weiß-Essen gewünscht. „Ich fühlte mich im Verein schon längst nicht mehr so wohl“, klagt Rahn dann auch in seiner Autobiografie: „Die schöne alte Kameradschaft – ich fand, sie gab es nicht mehr. Beruflich klappte ebenfalls manches nicht so, wie ich mir das erträumt hatte.
Schon seit einiger Zeit schlug ich mich deshalb mit dem Gedanken herum, meinen Vertrag bei Rot-Weiß 1959/1960 nicht mehr zu erneuern.“ Wohin aber wechseln? Für Rahn war das keine Frage: „Ich sehnte mich nach anderen Kameraden, nach echter Leistungssteigerung und nach neutralem Boden zum Leben. Deshalb die Fühlungnahme mit dem großen und erfolgreichen 1. FC Köln.“
Am 15. Juni 1959 verkündete der 1. FC Köln schließlich stolz die Verpflichtung des WM-Helden „Schon seit drei Jahren will ich zum 1. FC Köln“, erklärte Rahn im Interview: „Ich komme ja nicht als Fremder nach Köln. Röhrig, Schäfer, Sturm, Dörner und Schnellinger sind schließlich meine Kameraden in der Nationalmannschaft. Mit ihnen habe ich mich stets ausgezeichnet verstanden, aber auch alle anderen kenne ich sehr gut. Jetzt beginnt für mich ein neuer Abschnitt.“
Die Verpflichtung galt durchaus als kleineres Risiko, zumal Rahn mit Verletzungen und Übergewicht zu kämpfen hatte. Die Rundschau zweifelt dann auch sehr, ob der 29 Jahre alte „Boss“ beim Trainingsauftakt wirklich dabei sein würde. „Nun, er war!“ lautete am 25. Juli 1959 die Antwort: „Lief und sprang beinahe schon wieder rank und schlank, in jedem Falle aber recht munter zwischen den übrigen 22 neuen Spielkameraden einher, als pünktlich um 18 Uhr vor einer erstaunlichen Zuschauerkulisse mit der Ballarbeit begonnen wurde.“
„Man nahm mich mit offenen Armen auf“, schwärmte Rahn in den Anfangstagen über das Mannschaftsklima. „Wohltuend empfand ich die zwischen ihnen herrschende Kameradschaft. Lauter Könner, bei denen keiner auf den anderen neidisch ist. Ein erfolgreicher Klub mit einem guten Klima. Auch das Kölner Publikum gefiel mir auf Anhieb. Man erwartete offensichtlich keine Wunderdinge von mir und dankte herzlich für jede schöne Leistung. Ich gab mir dafür alle Mühe, niemanden zu enttäuschen.“
Rahn pendelte nicht etwa von Essen aus ins Rheinland, sondern wurde in Köln sesshaft. „Dank der großzügigen Mithilfe des Vereins fand ich schnell eine Wohnung und brauchte mich nicht erst lange von meiner Familie zu trennen“, berichtet der gelernte Kaufmännische Angestellte, dessen neue Heimat die Hohentwielstraße 3 war. „Beruflich arbeitete ich als Vertreter für Geschenkartikel.“
„Die ersten Spiele mit dem 1. FC Köln verliefen gut“, freut sich Rahn 1959. Zumindest spielte er so gut, dass ihn Helmut Schön ansprach, der damals noch Assistent von Bundestrainer Sepp Herberger war. „Arbeite nur schön an dir. Dann bist du in Bern gegen die Schweiz wieder dabei! Das soll ich dir vom Chef ausrichten“, teilte er dem Stürmer mit. Tatsächlich spielte Rahn wieder regelmäßig in der Deutschen Nationalmannschaft und gab öffentlich die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 1962 als Ziel aus.
Zunächst die „treibende Kraft im Kölner Angriff“
Das schien realistisch. In Köln spielte er eine starke Saison, war bester Mann auf dem Platz, als der FC im Halbfinale Tasmania Berlin 3:0 besiegte und erstmals das Endspiel der Deutschen Fußballmeisterschaft erreichte. Dort ging es am 25. Juni 1960 gegen den Hamburger Sportverein, so dass es zum Duell von Rahn und dem jungen Wunderstürmer Uwe Seeler kam. Köln verlor das Spiel 2:3, nicht zuletzt wegen zweier Tore von Uwe Seeler. Helmut Rahn hingegen vergab kurz vor Schluss die große Chance zum Ausgleich.
Trotzdem waren sich viele Kommentatoren einig, dass Rahn das bessere Spiel geliefert habe und, so schreibt es die Kölnische Rundschau, die „treibende Kraft im Kölner Angriff“ gewesen sei: „Rahn, nicht Seeler beherrschte die Szenerie!“ fand dann auch der „Kicker“: „Rahn war vor der Pause Liebling der Massen. Dass seine Bomben das Ziel nicht fanden, war Künstlerpech.“
Doch nach dem verlorenen Finale war das Kölner Gastspiel des Lieblings der Massen plötzlich wieder vorbeit – und das trotz laufenden Vertrags. Was war passiert? Weil er bei etlichen Veranstaltungen gefehlt hatte, berief der Verein nach Saisonende ein Disziplinarkomitee ein. „Helmut Rahn erhielt einen strengen Verweis mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass er im Wiederholungsfalle mit einer längeren Spielsperre zu rechnen habe“, berichtet die Rundschau. „Er wurde außerdem mit einer Geldstrafe von 100 DM belegt.“
Dann wollte Rahn nur noch weg
Der „Boss“ war außer sich vor Zorn: „Man hat mich mit meiner Bestrafung durch einen Disziplinarausschuss, den ich nicht anerkenne, den es nie gegeben hat und der nur für meinen ,Fall’ ins Leben gerufen wurde, gekränkt. Es ist absurd, mich zu bestrafen, weil ich mich nicht in der Lage gefühlt habe, zum Training zu kommen. Ich habe für Köln, seit ich dort bin, viel Geld eingebracht, man kann ruhig sagen: sehr viel Geld.“
Rahn wollte nur noch weg. Er wechselte zum niederländischen Ehrendivisionär SC Enschede. Das bedeutete nicht nur das Ende seines Kölner Gastspiels. Da der DFB damals ausschließlich in Deutschland spielende Fußballer für die Nationalmannschaft nominierte, war das Ende des Engagements beim 1. FC Köln auch das Ende der Länderspiel-Karriere des WM-Helden von 1954 – und das Ende von Rahns Traum von der Weltmeisterschaft 1962.
Anselm Weyer (42) hat als Literaturwissenschaftler in Köln promoviert. Er bietet seit zehn Jahren Stadtführungen für die AntoniterCity-Tours an.