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Prozess in KölnRainer Kippe lebt im Dauerclinch mit dem „System“

Lesezeit 3 Minuten
Rainer Kippe

Zog vor das Verwaltungsgericht: Rainer Kippe. 

Köln – Er ist 77 Jahre alt. Doch wenn es um Grundrechte, wie das auf freie Meinungsäußerung geht, kennt Rainer Kippe keine Altersmilde. Seit über 50 Jahren legt Kippe sich regelmäßig mit Autoritäten, „hohen Tieren“ und „dem System“ an. Zunächst als treibende Kraft der Kölner Studentenrevolte, die im November 1968 in der Besetzung des Uni-Rektorats gipfelte. Später war er dann einer der Gründer der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim (SSM), setzte sich ab den 1970er-Jahren als Diplomsozialarbeiter für vernachlässigte Jugendliche ein.

Jüngstes Beispiel seiner Lust am Aufbegehren: Die Besetzung von Häusern in Ossendorf für obdachlose Frauen, die ihm ein Strafverfahren einbrachte, das nach dem ersten Hauptverhandlungstag im März 2020 jedoch eingestellt wurde.

Kippe wehrt sich gegen Eingreifen der Stadt bei seiner Unterschriftensammlung

Seit Donnerstag befindet sich Kippe erneut im Clinch mit „dem System“ — konkret mit der Stadt. Er will, dass das Verwaltungsgericht feststellt, dass eine Personalienfeststellung durch Ordnungskräfte unter Gewaltanwendung sowie der anschließend ausgesprochene Platzverweis unrechtmäßig waren.

Rückblende: Am 9. September 2019 findet auf dem Alter Markt eine Veranstaltung im Rahmen des Tags des offenen Denkmals statt. Politprominenz hat sich angesagt. Neben Oberbürgermeisterin Henriette Reker ist auch der damalige Ministerpräsident von NRW, Armin Laschet (CDU), zu Gast.

Doch die „hohen Tiere“ interessieren Kippe an jenem Tag nicht. Der damals 74-Jährige will Unterschriften für den Erhalt des sogenannten Südstadtmosaiks sammeln. Er und einige Mitstreiter, darunter auch der mittlerweile verstorbene Rolf Stärk, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der Grünen im Rat der Stadt, wollen, dass das seit einer Sanierung nicht mehr sichtbare Mosaik wieder freigelegt wird.

Eine Anfrage Stärks wenige Tage zuvor, während der Veranstaltung einen Stand aufbauen zu dürfen, war abschlägig beschieden worden.

In einer Mail hatte der Stadtkonservator Thomas Werner das Ordnungsamt aber noch am 7. September gewarnt, dass er trotz Verbots davon ausgehe, dass Stärk „diese nicht genehmigte Aktion des Standaufbaus trotzdem durchführen will und ,rumstänkern’ wird“.

Bericht vorab über einen „Störer“ vor Ort

Aus der Mail eines Mitarbeiters des Ordnungsamts, die in der Klageschrift zitiert wird, heißt es, den Ordnungskräften sei „im Vorfeld der Aufnahme des Außendienstes“ bekannt gewesen, „dass es einen Störer an der Örtlichkeit gibt“.

Als diesen Störer identifizierten die Ordnungshüter dann Rainer Kippe, wie er mit einem Plakat zur Rettung des Mosaiks und einer Unterschriftenliste am Jan van Werth Brunnen stand. Die Ordnungskräfte wollten seinen Ausweis sehen. Angeblich, so sagte es eine Ordnungskraft (39) in einem von Innenstadt-Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne) gefilmten Handyvideo (liegt der Rundschau vor), weil er im Vorfeld vom Veranstalter gesagt bekommen habe, er dürfe „dieser Veranstaltung nicht beiwohnen“. Vor Gericht kann sich die 39-Jährige am Donnerstag „nach über zwei Jahren“ nicht mehr an den Satz erinnern. Stattdessen sagt sie, man habe nur überprüfen wollen, ob die Unterschriftensammlung einen „gewerblichen Hintergrund“ gehabt habe, was so viel heißt wie: Ob Kippe an jenem Tag als Drückerkolonne unterwegs war, um Leuten überteuerte Abos anzudrehen.

Kippe kooperierte aber nicht mit den Ordnungshütern, woraufhin sie ihm „den Arm auf den Rücken gedreht haben und ihm den Ausweis aus der Hosentasche gezogen haben“, wie ein Journalist (52) im Zeugenstand bekundete. Hupke, der ebenfalls als Zeuge geladen war sagte: „Ich war erschüttert über das rigide und rabiate Vorgehen.“ Hupke weiter: „Wichtig ist, dass Herr Kippe immer die Contenance gewahrt hat. Ich weiß nicht, ob ich so überlegte und durchdachte Sätze gesagt hätte.“ Kippe habe lediglich immer wieder auf seine grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit verwiesen, die „seit dem Ende von Faschismus und DDR“ nicht mehr dem Ordnungsrecht unterläge.

Das Verwaltungsgericht will in ein bis drei Wochen über den Fall entscheiden.