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„Mocro-Mafia“- KomplexGeiselnehmer alarmiert selbst die Polizei und verhindert Hinrichtung

Lesezeit 4 Minuten
Drei Mitarbeitende der Polizei stehen vor einer Villa.

In dieser Villa in Rodenkirchen kam es im Sommer 2024 zu dem Gewaltexzess.

Der Mann bat Banden-Chef vor geplanter Erschießung um eine Zigarettenpause vor Villa.

Im „Tatort“ könnte die Überschrift im Trailer lauten: „Die rettende Zigarette“. Gedreht in Köln-Rodenkirchen, in einer Villa, am Ende kommen die vermummten Spezialkräfte. Nur sind der Schauplatz und die Szenen keine Fiktion, sondern bittere Realität. Anfang Juli 2024 sind zwei Menschen in einer Villa am Eibenweg in Rodenkirchen gefoltert worden. Eine Mann und seine Freundin. Es geht um einen Drogenkrieg zwischen der niederländischen Drogenmafia und einer kurdischen Drogenbande. Mehrfach ist über den Fall berichtet worden. Nach und nach werden weitere erschreckende Details bekannt.

Fußgänger um Hilfe gebeten

Wie die Rundschau erfuhr, sollte im Keller der Villa der entführte Mann erschossen werden. Für die Tat wurde einer der Geiselnehmer ausgesucht. Doch der Beauftragte bat noch um eine Pause und wollte vorher vor dem Haus eine Zigarette rauchen. Der Chef der Geiselnehmer-Bande soll ihm zuvor für den Mordauftrag eine Pistole in die Hand gedrückt haben. Er solle den Mann erschießen, dann könne man ihm trauen, berichtet der „Spiegel“ in seiner jüngsten Ausgabe aus der Vernehmung. Als der Mann später vor der Villa seine Zigarette rauchte, habe er in einem Gespräch mitbekommen, dass er nach der Tat wohl auch sterben werde. In Panik soll der Mann weggelaufen sein und hinter einer nahen Aral-Tankstelle an der Autobahn einen Fußgänger mit Hund getroffen haben. Über das Handy des Mannes soll er dann die Polizei alarmiert haben. Über das Alter des geflohenen Geiselnehmers machten die Ermittlungsbehörden keine Angaben.

Es ist der Beginn eines Einsatzes, den Kölns Kripochef Michael Esser später „als einen der schwierigsten“ in der Geschichte der nordrhein-westfälischen Polizei bezeichnet, er spricht von einer „neuen Dimension der Gewalt, die es in Deutschland meines Wissens noch nicht gegeben hat“. Die Geiseln waren zuvor aus Bochum nach Köln verschleppt worden. Kripochef Esser sprach von einem erheblichen Bedrohungsszenario. Die Beendigung dieser Geiselnahme sei äußerst prekär gewesen, teilte die Polizei mit. „Wir mussten sogar annehmen, dass Maschinenpistolen eine Rolle spielten“, sagte Esser weiter. Man habe damit rechnen müssen, dass die Täter die Geiseln umbringen würden. Sieben Geiselnehmer sollen sich in der Villa aufgehalten haben. Drei Tatbeteiligte habe man entkommen lassen müssen, um das Leben der Geiseln zu schützen.

Welche Rolle das entführte Paar in dem überaus komplexen Fall spielt, versuchen Polizei und Staatsanwaltschaft weiter aufzuklären. Die niederländische Drogenmafia vermutet, dass das Paar etwas mit dem Verschwinden der Drogen zu tun hat und sie den Aufenthaltsort mit Gewalt aus ihnen herausbekommen könnten. Das entführte Paar bestreitet mit dem Diebstahl etwas zu tun zu haben.

„Kammer des Schreckens“ nennt der „Spiegel“ den Keller in der Villa in Rodenkirchen. Fahnder, die sich mit dem Fall beschäftigen, sahen blutverschmierte Wände und einen blutbefleckten Stuhl, auf dem ein Opfer misshandelt wurde. Dem entführten Mann sollten die Finger und dann Zehen abgeschnitten werden. Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer sprach kürzlich von einer Folterung in den Räumen. „Wir sind in Köln leidgeprüft mit Organisierter Kriminalität. Doch dieses Ausmaß an Gewalt ist ein absolutes Novum“, betonte Bremer weiter. Die Gewalttaten und die Explosionen in mehreren Häusern sollen ihren Ursprung in einem geplatzten Drogendeal und dem Verschwinden der Drogen aus einer Lagerhalle in Hürth haben. Die so genannte „Mocro-Mafia“ soll über den Verlust des Rauschgiftes massiv verärgert gewesen sein und auch eine kurdische Rauschgiftbande aus Kalk soll in den geplatzten Deal verwickelt sein.

Die Polizei in Paris hatte vor zwei Wochen einen mit internationalem Haftbefehl gesuchten 22-Jährigen festgenommen, der laut Staatsanwaltschaft und Polizei in Köln eine „Schlüsselfigur“ in dem Verfahren ist. Bei dem jungen Mann soll es um einen Deutsch-Iraker handeln. Die Staatsanwaltschaft Köln habe das Verfahren zur Auslieferung des Mannes eingeleitet und stehe bereits mit den französischen Justizbehörden in Kontakt, erklärte die Polizei. Er habe sich bereits Ende Juni abgesetzt und sei daraufhin zur Fahndung ausgeschrieben worden. Seit Juni habe es 22 Tatorte gegeben. 33 Beschuldigte seien identifiziert, 14 säßen in Haft. Insgesamt gebe es momentan 43 Ermittlungsverfahren, teilte unlängst Innenminister Herbert Reul mit. Bei rund 20 Durchsuchungen seien mehr als 1200 Asservate sichergestellt worden – darunter Schusswaffen, Drogen und Datenträger. Erst in der vergangenen Woche ist in Gelsenkirchen ein 24-Jähriger festgenommen worden. Er soll an der Entführung nach Rodenkirchen beteiligt gewesen sein.