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Update

Tatkomplex „Mocro-Mafia“
24-Jähriger nach Kölner Entführungsfall in Gelsenkirchen festgenommen

Lesezeit 4 Minuten
Rodenkirchen Mocro

Tatort Rodenkirchen: Hierhin wurden zwei Personen aus Bochum entführt.

Die Festnahme des 24-Jährigen steht im Zusammenhang mit den Explosionen und Gewalttaten in Köln und dem Umland.

Die Fotos und Videos der Ermittler aus dem Keller einer Villa in Rodenkirchen sind nur schwer anzuschauen. Es sind blutverschmierte Wände zu sehen, eine Frau sitzt gefesselt auf einem Stuhl und wird misshandelt und im Hintergrund schreien die Täter lautstark auf die Frau und den Mann ein. Über die kriminellen Auswüchse eines ausufernden Drogenkrieges in Köln und dem Umland ist seit dem Sommer 2024 viel berichtet worden. 80 Ermittler arbeiten an der Aufklärung. Nach und nach werden immer mehr mutmaßliche Täter gefasst und der überaus komplexe Fall lichtet sich etwas.

Vor rund einer Woche wurde ein 22-Jähriger am Pariser Flughafen gefasst. Er gilt als „Schlüsselfigur“ in dem Verfahren. Am Donnerstagmorgen nun ein neuer Zugriff in Gelsenkirchen. Der Festgenommene (24) soll „aktiv“ an der Geiselnahme in einer Rodenkirchener Villa beteiligt gewesen sein, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Gegen ihn bestehe der dringende Tatverdacht der Geiselnahme und der gefährlichen Körperverletzung. Bei der aktuellen Festnahme im Ruhrgebiet wurde auch die Wohnung eines 29-jährigen mutmaßlichen Komplizen durchsucht. Dabei seien Handys beschlagnahmt worden, die nun ausgewertet werden sollen, hieß es. Der 29-Jährige soll im Vorfeld der Entführung Beihilfe geleistet haben. Am 5. Juli 2024 hatte eine Spezialeinheit der Polizei die Entführten aus einem Haus in Rodenkirchen befreit. Die Einsatzkräfte schossen mehrere Irritationskörper (wie Blendgranaten) in die oberen Etagen, dann wurde die Terrassentür gesprengt.

Spur der Verdächtigen führt nach Holland

Nach der Entführung hatte die Polizei sieben Tatverdächtige in Rodenkirchen festgenommen, drei Verdächtigen gelang die Flucht. Laut Polizei könnten die Männer in die Niederlande geflüchtet sein. „Verbindungen zur organisierten Kriminalität in den Niederlanden liegen auf der Hand. Schüsse auf Häuser und Sprengungen als Warnung sind dort seit langem an der Tagesordnung“, verdeutlichte Kripochef Michael Esser. Die Beendigung der Geiselnahme sei äußerst prekär gewesen, teilte die Polizei mit. „Es kam zu extremsten Bedrohungsszenarien“, sagte Kripochef Michael Esser. „Wir mussten sogar annehmen, dass Maschinenpistolen eine Rolle spielten.“ Man habe damit rechnen müssen, dass die Täter die Geiseln umbringen würden. Die Spur führte die Ermittler schon damals ins Ruhrgebiet. Das entführte Paar ist in Bochum in ein Auto gedrängt und nach Köln gebracht wurden. Nun waren die Fahnder wieder im Ruhrgebiet und griffen in Gelsenkirchen zu.

Innenminister lobt Arbeit der Ermittler

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) wertete die Festnahme in Gelsenkirchen als Erfolg der Kölner Ermittler. „Entführungen, Explosionen und Erpressungen tragen die Handschrift der Drogenmafia aus den Niederlanden. Aber sie werden hier keine Spielwiese bekommen. Dafür sorgen wir“, sagte Reul der Deutschen Presse-Agentur. Er hoffe, dass die Polizei „bald noch mehr Leute dingfest“ machen könne.

Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer sprach kürzlich von einer Folterung, die im Keller der Villa stattgefunden hat. „Wir sind in Köln leid geprüft mit Organisierter Kriminalität. Doch dieses Ausmaß an Gewalt ist ein absolutes Novum“, betonte Bremer. Auch das Ausmaß der Arbeit ist für die Polizei enorm. Polizeipräsident Johannes Hermanns sagte in der Ratssitzung vor wenigen Tagen: „Die Beamten gehen nur noch zum Duschen und Schlafen nach Hause“.

Als Kern der Auseinandersetzungen im organisierten Drogenmilieu gilt das Verschwinden von etwa 300 Kilogramm Cannabis. In einer Lagerhalle in Hürth-Kalscheuren sollen Kriminelle laut Polizei etwa 700 Kilogramm der Droge gelagert haben - offenbar zum Zweck des Weitertransports oder des Verkaufs. Obwohl die Halle bewacht wurde, fehlte plötzlich knapp die Hälfte des Cannabis. „Es geht offenbar darum, Verantwortliche ausfindig zu machen und die Drogen zurückzuerhalten“, sagte Bremer. Kripochef Esser spricht von „offenen Rechnungen im Milieu, die nun offenbar beglichen werden.“ Der Wert der verschwundenen Ware wird von der Polizei auf rund 1,5 Millionen Euro geschätzt.

Seit Juni habe es bislang 22 Tatorte gegeben. 33 Beschuldigte seien identifiziert, 14 säßen in Haft. Insgesamt gebe es momentan 43 Ermittlungsverfahren. Bei rund 20 Durchsuchungen seien mehr als 1200 Asservate sichergestellt worden – darunter Schusswaffen, Drogen und vor allem Datenträger.